Das Altersheim der Evangelischen Waisenguts- und Fondsgemeinde in Altstätten steht auf einem großen Grundstück. Das Haus ist älteren Datums, erfüllt aber seine Funktion noch und ist gut belegt. Trotzdem hat man sich in der erwähnten Körperschaft Gedanken über die Zukunft des Gesamtareals gemacht. Die Hauptfrage dabei war, wie die große Fläche sinnvoll genutzt werden sollte.

Autor | Fotos: Joshua Loher

Die betreffende Parzelle liegt in unmittelbarer Nähe des Altersheims Viva, des Pflegeheims Sonnengarten und des Spitals. Das Städtchen ist in ein paar Fußminuten erreichbar, ebenso die Haltestellen für den öffentlichen Verkehr. Eine für Wohnnutzung also sehr geeignete Lage, die insbesondere für ältere Menschen offensichtliche Vorteile mit sich bringt.
Heute sind Menschen bis ins hohe Alter aktiv. Zudem wird vielen Pensionären das seit Jahrzehnten bewohnte Einfamilienhaus zu groß und sie machen deshalb, oft relativ früh, der nächsten Generation Platz. Aber was kommt dann? Wie sieht das Wohnangebot für aktive Leute über 60 aus? Das bislang bekannte Modell sieht für ältere Menschen die Umsiedlung ins Altersheim vor. Wenn sie pflegebedürftig werden, wechseln sie ins Pflegeheim, da dort eine intensivere Betreuung gewährleistet ist.
Dieses Konzept ist für die erwähnten aktiven Senioren aber nicht mehr zeitgemäß. Eine normale Wohnung würde bezüglich des räumlichen Angebotes für diese eigentlich genügen. Was fehlt sind Dienstleistungs- und Betreuungsangebote, die im Bedarfsfall rasch und unkompliziert in Anspruch genommen werden können.

Diese Angebotslücke hat die Evangelische Waisenguts- und Fondsgemeinde erkannt und sich entschlossen, Alterswohnungen für genau diese Zielgruppe zu errichten. Im Zusammenhang mit den umgebenden Institutionen steht an diesem Ort bei Bedarf ein umfassendes Betreuungsangebot zur Verfügung. Eine weitere Forderung an die durch ein Aus-wahlverfahren bestimmten Architekturbüros war die Offenlegung des unterirdisch durch das Grundstück fließenden Höflibaches. Dies ist keine einfache Sache, da der Wunsch nach einer Tiefgarage ebenfalls geäußert wurde. Von den fünf eingereichten Beiträgen war in den Augen der Jury derjenige des Zürcher Büros von Gäumann Lüdi von der Ropp der überzeugendste.

DIE NEUBAUTEN sind eine sinnvolle Ergänzung zum bestehenden Altersheim und mit diesem durch den Wandelgang verbunden.

Das Team teilte die geforderten 36 Wohnungen auf zwei Baukörper auf, um eine gute Ein-passung in die Umgebung zu erreichen. Die beiden Häuser weisen einen vieleckigen Grundriss auf, was für jede Wohnung eine dreiseitige Belichtung ermöglicht und einen optimalen Einsichtschutz gewährleistet. Zudem wird durch die gewählte Form die Wucht der Fassadenflächen gebrochen. Markante Vordächer schließen die Gebäude gegen oben ab. Die Form wirkt dadurch vertraut und man fühlt sich auf angenehme Weise an italieni-sche Wohnbauten der 50er-Jahre erinnert.

ALS BRÜCKE führt der Wandelgang über den nun offen geführten Höflibach.

Die Planung des Untergeschoßes, das beide Häuser miteinander verbindet, war sehr aufwendig, wie Architektin Eva Lüdi betont. Die Außenwände darüber sind als Einsteinmauerwerk ausgeführt, was bei dieser Gebäudehöhe konstruktiv ebenfalls sehr anspruchsvoll war. Der darauf angebrachte, eingefärbte Kalkkratzputz stammt von Gerold Ulrich aus Satteins und wurde von einem lokalen Handwerksbetrieb verarbeitet.

Die Türnischen sind breit genug um einen Rollator parkieren zu können.
Der Boden des Treppenhauses ist nach einem Entwurf der Architekten in verschiedenen, größtenteils einheimischen Natursteinen ausgeführt worden.

Die Erdgeschoße der beiden Häuser sind an die Stiftung „Pro Senectute“ vermietet. Dies ist eine ideale Ergänzung, da sich diese bedeutende Schweizer Dienstleistungsorganisation gesamtschweizerisch mit Altersfragen beschäftigt.

„Das Projekt vermittelt zwischen den großen öffentlichen Bauten im Osten und der Einfamilienhaussiedlung im Norden.“

Eva Lüdi, Architektin

Der Umstand, dass ältere Menschen teilweise auf platzintensive Mobilitätshilfen angewiesen sind, hatte erheblichen Einfluss auf die Grundrisse. Die Treppenhäuser wie die Woh-ungen wurden daher größer als üblich projektiert und auch ausgeführt. So haben die 2½-Zimmer Wohnungen eine Fläche von 65 m2 und diejenigen mit 3½ Zimmern 90 m2.

Nicht nur für Menschen mit Gehhilfen sind überdachte und ebene Wege eine große Hilfe im gemeinsamen Alltag.
Die französischen Fenster bringen viel Licht in den Essbereich. Die Balkonbrüstungen sind als Betonfertigelemente ausgeführt.

Die Wohnungen selber verfügen über ein geräumiges Entree, das als Schaltstelle fungiert und alle Räume erschließt. Diese sind allesamt größer als gewohnt und durchwegs mit französischen Fenstern belichtet. In der Küche findet sich sogar Platz für einen kleinen Esstisch. Der angrenzende Wohn- und Essbereich ist so konzipiert, das genug Raum für eine größere Tischgesellschaft vorhanden ist.
Die Alterswohnungen Blumenfeld zeigen sehr schön, wie autonomes Wohnen im Alter aussehen kann. Dass die Bauherrschaft alles richtig gemacht hat, bestätigt die große Nachfrage an den zudem noch günstigen Wohnungen. Hier ist Wohnraum entstanden, der sich wohltuend vom restlichen Angebot abhebt und den man sich auch als jüngerer Mensch wünschen würde.

Vom Essbereich als auch von der Küche her hat man Zugang zum Balkon.
Der Eingangsbereich mit Blick in den Wohnraum und die Küche. Die Wohnungen sind mit Böden aus gedämpfter Eiche ausgestattet.

Daten & Fakten

Objekt Alterswohnungen Blumenfeld

Bauherr Genossenschaft Alterswohnungen „Blumenfeld Altstätten“

Architektur Gäumann Lüdi von der Ropp, Architekten SIA, Zürich, www.glvdr.ch

Statik RKL Emch+Berger, Altstätten

Fachplanung Bauleitung: Bandel Architekten, Montlingen; Bauphysik: Studer + Strauss, St. Gallen; Elektro: Marquart, Altstätten; Heizung, Sanitär, Lüftung: Gerster, Altstätten; Landschaft: Hoffmann & Müller, Zürich

Wettbewerb 06/2014

Planung 07/2015–05/2016

Ausführung 05/2016–04/2018

Grundstückgröße 3800 m² (inkl. Parzelle Altersheim)

Nutzfläche 3210 m² (36 Wohnungen)

Gewerbefläche 750 m²

Bauweise Ziegelmauerwerk mit gefärbtem Kratzputz Kalk; Böden aus Stahlbeton mit schwimmendem Unterlagsboden; extensiv
begrüntes Stahlbeton-Warmdach

Ausführung Baumeister: Niederer und Finger, Altstätten; Küchen und Raumtrenner: Popp, Altstätten; Außenputz von Gerold Ulrich, Satteins ausgeführt von Frei und Broger, Altstätten

Baukosten 13,5 Mio. Euro (inkl. Bach)