Die Wohnanlage Weinberg in Röthis wurde 2018 als erstes modernes Gebäude
von der Wohnbaukommission Vorarlberg als erhaltenswert eingestuft.
Ein privater Wohnungsumbau zeigt, dass sich in diesen Mauern wunderbar
und zeitgemäß wohnen lässt.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Benno Hagleitner

Beim Besuch vor Ort empfängt Architektin und Bauherrin Gudrun Sturn mich an der unteren Zufahrtsstraße. „Wer das erste Mal hierherkommt, braucht ein wenig Anleitung“, schmunzelt sie. Wir durchwandern die Ebenen der Anlage, die für Vorarlberg ein echtes Unikum ist. Ebene für Ebene erschließt sich ein qualitätsvoller, differenzierter Raum in Treppenhäusern, Zugängen zu den einzelnen Wohnungen, über Brücken und außen liegenden Laubengängen. Ein kleines, zauberhaftes und kraftvolles Labyrinth für den Gast, eine wunderbare Form der Privat-heit für die Bewohnerinnen und Bewohner, ob klein oder groß. Dazwischen wuchert eine üppige Pflanzenwelt. Die Wohnanlage Weinberg atmet die Luft der späten Moderne. Später, am Küchentisch, zeigt mir Gudrun Sturn ein frühes Wohnbauprospekt der BAUWOG, „Baugemeinschaft Wohnungseigentum“ aus der Zeit der Entstehung der Anlage. Auch das ist ein Relikt aus einer anderen Zeit. Fotos von Modellen, Plänen, Schnitten sind darauf zu sehen und die treffliche Umschreibung: „Auf der sogenannten ‚Kälberweide‘ in Röthis, einem bis vor wenigen Jahren als Weinberg bewirtschafteten Südhang, wird die ‚Weinbergsiedlung‘ als Hangverbauung errichtet.

Einer verbauten Fläche von ca. 2650 m2 stehen ca. 4850 m2 unverbauter Flächen als Grünzone gegenüber; insbesondere der Hangkopf mit ca. 2200 m2 zusammenhängender Grünfläche und einer wesentlich geringeren Hangneigung bleibt als Erholungs- und Spielraum der Siedlung vorbehalten. Weiters bietet die Hanglage einen unvergleichlichen Panoramablick, der auch für die unteren Bereiche der Hangsiedlung nicht verbaut werden kann.“ Architekt der Anlage war Helmut Burtscher. Insgesamt sind hier 33 Wohnungen entstanden, alle im Eigentum und jede Wohnung mit individuellem Grundriss sowie mit privatem Freiraum, Kellerabteil und einem Abstellplatz für ein Auto.

„Zu meinem ökologischen und kulturellen Verständnis
gehört ein sorgsamer Umgang mit Material und Ressourcen.“

Gudrun Sturn,
Bauherrin und Architektin

Die Wohnungen sind ergänzt durch gemeinschaftliche Flächen. Funktionale, wie Wasch- und Trockenräume, Zufahrten, Abstellplätze, aber auch qualitative wie Grünflächen, Spielplätze und Hobbyräume. Wer denkt, all das wären Erfindungen der Jetztzeit, der irrt. Ein Blick zurück zeigt deutlich, dass das Thema Gemeinschaft im Wohnungsbau schon einmal bessere Zeiten in Vorarlberg erlebt hat.

Die Wohnung der Familie Hagleitner und Sturn wird von vier Menschen bewohnt. Zwei Erwachsenen und zwei Kindern. Ein großer Raum wird für Wohnen, Essen und Arbeiten genutzt. Er dehnt sich in Richtung Küche und Balkon aus. Die privaten Räume, zwei Kinderzimmer und ein Schlafzimmer sowie eine kleine Lese- und Fernsehkoje, sind diesem Raum angegliedert. Von jedem Raum aus gibt es interessante Blicke: auf Dorflandschaft und Bergkulisse und in die topografisch mindestens ebenso spannende Architekturlandschaft. „Besonders der Blick aus dem Küchenfenster ist mir lieb und wichtig: Wenn die Kinder draußen spielen, kann ich mit ihnen Kontakt halten und sie mit uns als
Eltern. Sie können unterwegs sein und sind doch schnell wieder zu Hause.“

Wichtigster Impuls für die Sanierung dieser Wohnung war neben dem Wohnbedarf der Familie auch deren Haltung zu den Themen Ökologie und Baukultur. „Die Generalsanierung dieser Wohnung ist ein Impuls zur Nachverdichtung.
Die außergewöhnliche Terrassenanlage wurde 2018 zu ihrem 40. Geburtstag als erhaltenswertes Gebäude eingestuft. Bauphysikalisch wies der Bestand große Mängel auf“, erzählt die Architektin. „Zunächst haben wir die Wohnung deshalb innen komplett ausgehöhlt.“ Alle Innenwände wurden mit Holzbauwänden neu errichtet. Die Sanierung erfolgte mit ausschließlicher Innendämmung und mit viel Respekt dem Bestand gegenüber. Das Resultat dieses umsichtigen Handelns ist ein sehr behagliches Raumklima. Gebürstetes Weißtannentäfel, Lehmbauplatten und Lehmputz, massive Holztüren und ein geschliffener Betonfußboden als Speichermasse bestimmen den Raum und seine Wirkung.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Wohnungsumbau in der Weinbergsiedlung, Röthis
Bauherr(inn) Joachim Hagleitner und Gudrun Sturn
Architektur Anlage: Helmut Burtscher, Dornbirn
Wohnungsumbau: DI Gudrun Sturn, www.frausturn.at
Wohnfläche 108 m2
Planung erbaut: 1973–1997; umgebaut: 2018

Fachplanung

Bauleitung: DI Gudrun Sturn, Röthis
Bauphysik: Andreas Ellensohn, Dornbirn
Ausführung Holzbau, Dämmung: Summer, Röthis;
Betonboden: Lerbscher, Hard;
Abbruch: you on job, Dornbirn;
Küche, Türen, Möbel: Engel u. Brotzge, Hard;
Betonschnitt: Gortano, Klaus;
Fenster, Türe, Sonnenschutz: Böhler, Wolfurt; Putz,
Dämmung: Kratzer, Röthis;
Spengler: Tectum, Hohenems;
Sanitär, Heizung: ETG, Rankweil;
Elektro: E-Werke, Rankweil;
Fliesen: Maier, Batschuns;
Stein: Gobbi, Hard;
Glastüre: Längle, Götzis;
Dielen: Albert Moosbrugger, Muntlix

Besonderheiten Die Weinbergsiedlung in Röthis wurde als erstes modernes Gebäude von der Wohnbaukommission Vorarlberg (Förderstelle) als erhaltenswert eingestuft. Hochwertiger Wohnungsum- und Ausbau.

Fotonachweis: Benno Hagleitner