Viele Jahre war die Zukunft der dem fortschreitenden Verfall ausgesetzten Häusle-Villa mitten im Zentrum von Rankweil ungewiss. 2019 wurde sie schlussendlich von der Gemeinde gekauft, kurz darauf stand das Haus in Flammen, es blieb eine Brandruine übrig. In einem ehrgeizigen und aufwendigen Projekt wurde sie dennoch wieder aufgebaut, akribisch restauriert und ist nun als Rankweils neue kulturelle Drehscheibe für die Allgemeinheit geöffnet.

Text: Martina Pfeifer Steiner | Fotos: Maria Ritsch

Die Geschichte der Villa ist gut recherchiert: Stickereifabrikant Johann Marte erwarb das einfache Wohnhaus bei einer Versteigerung der zahlreichen Erben des Sattlermeisters Josef Werder, der unter Wahnvorstellungen litt, und meinte, er sei der rechtmäßige Kaiser von Österreich. Der wohlhabende Stickmeister baute das Haus zu einer stattlichen Jugendstilvilla mit Laubenveranda und Turmzimmer um. 1907 kam das angrenzende Stickereigebäude dazu. Tochter Paula heiratete dann den aus Satteins stammenden Josef Häusle – darum also Häusle-Villa – und vermachte nach ihrem Tod alles den beiden Kindern Herbert und Elisabeth. Das Ensemble wurde zwar 1990 unter Denkmalschutz gestellt, verfiel jedoch zunehmend in seinem Dornröschenschlaf.

Nach dem dramatischen Feuer fand die Gemeinde als neue Eigentümerin also nur noch eine Ruine vor: Dach und Dachstuhl von Haus und Turmanbau gänzlich abgebrannt, alle Treppen vernichtet, die Decke des ersten Obergeschoßes zerstört, im Erdgeschoß grob beschädigt, wie auch der Innenausbau. Das Übergreifen der Flammen auf die Stickerei konnte aber verhindert werden. Trotz des großen Brandschadens wurden nach zahlreichen Gutachten, Begehungen und Beratungen der Erhalt und die Sanierung des Gebäudeensembles beschlossen. Die anspruchsvolle Aufgabe des Wiederaufbaus, bei der die Erhaltung des Bestands, die Rekonstruktion im Sinne des Denkmalschutzes und die statische, energetische sowie schalltechnische Sanierung der Gebäude nach modernen baurechtlichen Standards umzusetzen war, übernahmen die Wolfgang Ritsch Architekten.

„Neben den planerischen Herausforderungen mussten geeignete Fachleute und Unternehmer für die handwerklich
anspruchsvollen Gewerke gefunden werden.“

Wolfgang Ritsch
Architekt

„Es ist ein Haus im Haus, konstruktiv haben wir einen neuen hochisolierten Holzbau in den Altbestand gestellt und den Liftschacht, die gesamte Haustechnik, Sanitärräume und zwei Teekücheneinheiten vertikal in der Mitte eingeschoben“, erklärt der Architekt, „neben den planerischen Herausforderungen mussten geeignete Fachleute und Unternehmer für die handwerklich anspruchsvollen Gewerke gefunden werden, um das Gebäude wieder in Wert zu setzen.“

Dies hat die Proportionen der Räume zweifellos etwas verändert, es war jedoch möglich im ersten Stock – hier ist das Standesamt eingezogen – die Decke für den Trauungsraum anzuheben. Das dazugehörende Besprechungszimmer ist in Memoriam nach der Tochter und österreichischen Schriftstellerin von Rang, Elisabeth Wäger-Häusle, benannt. Im Erdgeschoß sind die Büros der Abteilungen Kultur sowie Jugend, Sport, Vereine und das Archiv untergebracht. Das Dachgeschoß mit dem Turmzimmer ist jetzt ein Atelier für Artist-in-Residence.

Die angrenzende ehemalige

Stickerei wurde sorgfältig restauriert und beinhaltet einen multifunktionalen Veranstaltungssaal, der alle Stücke spielt: Die Technik für Lüftung, Licht und Media bleibt mit abgehängter Decke unsichtbar, die mobile Bühne mit Bestuhlung für sechzig Leute im Hintergrund der Nebenräume, wie auch eine kleine Küche; im großen Raum steht eine Art Barmöbel mit ausfahrbarem Tresen. Die Machbarkeitsstudie für das gesamte Projekt zeigte deutlich auf, dass der Park beim Sigmund-Nachbauer-Denkmal wesentlich für eine stimmige Gesamtwirkung und in der Gestaltung mitzudenken sei. Das denkmalgeschützte Ensemble steht nämlich an einem geschichtsträchtigen, kulturell bedeutenden Ort mit Nachbarschaft zu einer der ältesten Kirchen Vorarlbergs, die St.-Peters-Kirche, zur Volksschule und zum Vinomnasaal.

Es wurde ein Grün- und Freiraumwettbewerb ausgeschrieben und der Vorschlag des Landschaftsarchitekturbüros Peter Vogt, Liechtenstein, überzeugte mit der Gliederung des Parks in drei charakteristische wie atmosphärisch eigenständige Bereiche und der Einbeziehung der historischen Großbäume und Gebäude. Der einjahrhundertalte Bergmammutbaum, ein imposantes Naturdenkmal, wird gebührend inszeniert. Das Wasserspiel, sickerfähige Wege und Aufenthaltszonen, die sich mit Bühnen und Bestuhlung frei gestalten lassen sowie die markanten Linien der langen Sitzbänke folgen einer starken räumlichen Idee von wechselseitigen Bezügen vielfältiger Raumsequenzen für die unterschiedlichen Nutzergruppen. Mitten in Rankweil ist damit ein Ort für Gemeinschaft, Nachbarschaft, Gastfreundschaft und neue kulturelle Impulse entstanden.

Daten & Fakten

Objekt: Häusle-Villa, Rankweil
Bauherr: Marktgemeinde Rankweil
Architektur: Wolfgang Ritsch Architekten, Dornbirn; www.ritsch-architekten.com
Statik: Frick & Schöch ZT GmbH, Rankweil, www.fszt.at
Fachplanung: Bauleitung: Fleisch Loser, Carmen Loser, Rankweil; Bauphysik: WWS Thomas Schwarz, Frastanz; Elektro: IB Brugger, Thüringen; Landschaft: Peter Vogt, Vaduz
Planung: Oktober/2020–Juli/2024
Ausführung: Januar/2023–Juli/2024
Grundstück: 839 m²; Nutzfläche: 460,50 m²
Bauweise: Massivbauweise bzw. Fachwerkbau mit Mauerwerk Instandsetzung, Besonderheiten Ausführung in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt
Ausführende: Baumeister: Moosbrugger, Lauterach; Zimmerer: Marte Holzbau, Rankweil; Fenster: Tischlerei Engstler Dalaas; Sandsteinwände und Instandsetzung: Stone-tec, Dornbirn u. a.
Energiekennwert: Villa: 67,16 (C) HWBRef,SK, Stickerei: 116,96 (D) HWBRef,SK
Baukosten: ca. 3,3 Mio. Euro