In Muntlix wurde ein Siedlungshaus aus den 1950er-Jahren behutsam transformiert und erweitert. Der Terrasse sieht man nicht an, dass sie dazugekommen ist, dem kleinen Turm schon. Restauration und Moderne im Dialog.

Autorin: Claudia Rinne | Fotos: SAAL Architekturstudio | Cornelia Hefel

Siedlungshäuser aus den 1950er-Jahren haben oft eine gute Lage, aber niedrige Bauqualität. Bei aller Aufbruchsstimmung musste damals an Material gespart werden, auch die Räume waren klein. Als das Ehepaar M. in Muntlix das Siedlungshaus der Großmutter übernehmen konnte, war dennoch klar, dass sie es nicht abreißen würden. Schließlich hatte das Ehepaar mit seinem jungen Sohn schon einige Zeit im Obergeschoß gewohnt, während die Großmutter im Hochparterre lebte: Zwei Zimmer, Küche, Bad – unten wie oben. Eine thermische Sanierung stand jedoch dringend an. Bei der Gelegenheit sollten auch die Räume neu geordnet und an die Bedürfnisse einer wachsenden Familie angepasst werden. Das Haus hat den typischen quadratischen Grundriss der Siedlungsbauten seiner Zeit. Dieses Grundquadrat ist wiederum ziemlich gleichmäßig geteilt: im ersten Viertel Eingangsflur mit Stiegenhaus und Bad, in den anderen drei Vierteln gleich große Räume. Die idente Größe hat den Vorteil, dass jeder der Räume jede Funktion aufnehmen kann. Für eine moderne Wohnküche zum Beispiel ist aber keiner groß genug.

Im ersten Anlauf dachte das Ehepaar: das machen wir alles selbst. Schnell wurde es unübersichtlich: Meinungen, Techniken, Hilfsangebote von so vielen Seiten. Ein Freund schlug vor: Mein Bruder ist Architekt, redet mal mit dem. Und so kamen Lukas Mähr und Solveig Almo ins Spiel. Genauer, in die kleine Küche im Obergeschoß, wo im Gespräch die Zeit vergessen wurde und sich herausstellte, dass eine fachgerechte Planung gut verträglich wäre mit einem hohen Eigenleistungsanteil. Und dass alle vier Beteiligten hochwertige Materialien schätzen und detailverliebt arbeiten. Am Ende waren beide Architekten engagiert. Lukas Mähr quittierte seinen Job in der Schweiz, Solveig Almo den ihren. Gemeinsam firmieren Almo und Mähr seitdem als SAAL Architekturstudio.

Das Siedlungshaus von 1953 wurde thermisch saniert und an moderne Wohnbedürfnisse adaptiert, über der Garage entstand ein Refugium.
Das hohe, schmale Fenster auf der Nordseite zeigt das Stiegenhaus an und den Übergang in den Turm auf halber Treppe. Auch ein Wohnraumfenster ist im Norden dazugekommen, dank guter Wärmedämmwerte gar kein Problem mehr.
Der Turm mit seiner weiß lasierten Tannenholzfassade ist eindeutig neu. Indem die Stufen zur Haustür an seiner Wand entlanggeführt sind, wird er mit dem Altbau verbunden, während die bauliche Fuge durch Rücksprünge klar gekennzeichnet ist.

Sie übersetzten die Wünsche der Bauherren in klare Strukturen und planten mit liebevollem Respekt für das Erscheinungsbild des alten Hauses. Die Zufahrt, die vorher einen Streifen vom Grundstück abgeschnitten hatte, wurde an den äußeren Rand verlegt. Eine Terrasse wurde über die ganze Breite der Hausfront angebaut, um die Innenräume kräftig nach Süden zu erweitern. Sie sieht aus, als wäre sie schon immer da gewesen. Dass sie möglich war, ist dem Großvater zu danken, der vor über sechzig Jahren, anders als die Nachbarn, viel Abstand zur Straße gelassen hatte. Jetzt schützt eine geschlossene Betonbrüstung vor all zu vielen Einblicken durch die neuen Glasschiebetüren und rahmt den Grillplatz vor der Küche ein, neben ihr führt eine breite Holztreppe um den Stamm einer alten Magnolie herum in den Garten. Die Übergänge von innen nach außen sind feiner abgestuft, gleichzeitig ist der Freiraum besser erreichbar: Salz vergessen? Kein Problem mehr.

„Der intensive Austausch mit der Bauherrschaft
brachte viele kleine Geschichten zum Vorschein,
die wir gemeinsam räumlich sichtbar machen konnten.“

Saal Architekturstudio

Bei der Außendämmung wurden keine Kompromisse eingegangen. Alle kleinen und kleineren Anbauten mussten weichen, selbst die halbe Treppe zur Haustür und der Balkon vor dem Obergeschoß. Ehe die 20 cm Mineralwolle angebracht wurden, wurden alle Fassadenöffnungen an die zu erwartende üppigere Silhouette angepasst, auch wenn es nur um Zentimeter ging. Die Fenster sitzen auch wieder in Laibungen und werden von glattem Putz gerahmt. Dadurch hat das Siedlungshaus sein Gesicht wahren können.

Anstelle der alten Garage unterm Schleppdach wurde ein kleiner eigenständiger Turm geplant. Auf Straßenniveau haben in ihm zwei Autos Platz, darüber liegt ein großer holzverkleideter Raum, der als Arbeitszimmer und zweites Wohnzimmer fungiert. Er ist auf halber Treppe, nur vom Haupthaus aus, zugänglich und korrespondiert mit ihm in seinem quadratischen Grundriss – ein echter Rückzugsort. Der Turm mit seiner weiß lasierten Tannenholzfassade ist eindeutig neu. Indem die Stufen zur Haustür an seiner Wand entlang geführt sind, wird er mit dem Altbau verbunden, während die bauliche Fuge durch Rücksprünge klar gekennzeichnet ist.

Die Fenster sitzen wieder in Laibungen und werden von glattem Putz gerahmt, glatt sind auch der Sockel und die Außenwand des Stiegenhauses. Die Flächen ringsum haben eine stärker strukturierte Oberfläche.
Eichenholzgerahmter Blick auf Terrasse, Baum und Garten. Die Übergänge von innen nach außen, von privatem zu öffentlichem Raum, sind fein abgestuft.

Das Innere ist mit einem großen und vielen kleinen Eingriffen an die neuen Wohnwünsche angepasst. Die Küche wurde vergrößert, indem die Wand zum Esszimmer herausgebrochen wurde und die Wand zum Eingangsflur als Möbel genutzt wird: sie nimmt im Wechsel mit rückwärtigen Garderoben Elektrogeräte auf.

Wo früher eine Tür war, ist jetzt ein Ofen mit Leseplatz. Das Nordfenster im Stiegenhaus ist keine Luke mehr, sondern raumhoch. Davon profitiert vor allem die Diele im Obergeschoß, sie bekommt viel Tageslicht. Alle Türen wurden erneuert und sind wie die Fenster aus Eiche. Schließlich wollen wir hier lange bleiben, sagt das Ehepaar.

Das Fenster im neuen Format bringt Licht in den Essbereich und lässt neugierigen Blicken keine Chance, schließlich liegt der Raum im Hochparterre.
Dreifache Vergößerung einer Küche: Die Wand zum Esszimmer wurde herausgebrochen, der Grillplatz auf der Terrasse ist nur eine Glasschiebetür entfernt, und Elektrogeräte wurden in der Wand zum Eingang versenkt.
Das Nordfenster im Stiegenhaus ist keine Luke mehr, sondern raumhoch. Davon profitiert vor allem die Diele im Obergeschoß.
Auf halber Treppe kann man in das Refugium über der Garage abbiegen. Holzstufen und lackierte Flächen sind originalgetreu restauriert.

Daten & Fakten

Objekt Haus M., Muntlix

Bauherr Familie M.

Architektur SAAL Architekturstudio, Feldkirch www.saal.studio

Planung 5/2015–3/2016

Ausführung 4/2016–3/2017

Grundstücksgröße 815 m²

Nutzfläche 148 m² (zzgl. Keller 60 m²)

Bauweise im Bestand: Massivbau (Betonhohlziegel); Außendämmung mit Stahlwolle; außen und innen verputzt; Bestehende Holztramdecke saniert, neues Eichenparkett; im Erdgeschoß Betondecke (Bestand) mit geschliffenem Estrich und Fußbodenheizung; Zubau in Holzrahmenbau, Blockholz Weißtanne Sicht innen; Fassade: Weißtanne sägerau, weiß lasiert, Nut und Kamm, vertikal, hinterlüftet; Dach: Massivholzdecke, Kiesdach; Geschoßdecke in Holzrahmenbau; Sockel verputzter Beton; Wandflächenheizung am Obergeschoß des Bestandes, sonst Fußbodenheizung mit Erdwärme

Besonderheiten Ausführung mit großem Anteil Eigenarbeit, Sanierung Siedlungshaus der 1950er

Ausführung Dämmung und Verputz: Entner, Zwischenwasser; Zimmerer: Marte Holzbau, Rankweil; Tischler: Stefan Moosbrugger, Egg; Installateur Brändle, Altach; Wärmetechnik: Peter Maier, Feldkirch; Fenster: Böhler, Wolfurt; Schlosser: Eisenhauer Metallhandwerk, Weiler

Energiekennwert 45 kWh/m² im Jahr (HWB)