In Vorarlberg wirtschaftet man vielerorts in gut gestalteten Dienstleistungsbetrieben, Schauräumen und Produktionshallen. Gelingt es jedoch, den Naturkörper ­in Gewerbegebieten als übergeordnet zu begreifen und ihn in artenvielfältige Lebensräume ­umzumünzen, entsteht ein unschätzbarer Mehrwert.

Autorin: Marina Hämmerle und Katrin Löning | Fotos: Lukas Hämmerle und Thomas Holzer

Entree mit Teich Im Vorfeld der beiden Baukörper wird die Retentionsfläche der Dachentwässerung zum Lebensraum, optischer Genuss durch purpurnen Blutweiderich, Blaue Schwertlilie und weißblühenden Froschlöffel inklusive.
Momente der Entspannung gewinnt, wer seinen Blick vom Arbeitsplatz in einen Naturraum richten kann. Zudem tragen Stauden- und Baumpflanzungen sowie der offenporige Kiesboden zur Kühlung des Innenhof-Klimas bei.

Wie das geht und was das für Effekte mit sich bringt, ist bei der Firma Omicron in Klaus nicht zu übersehen. Das Hightechunternehmen setzt als einer der Weltmarktführer in Sicherheitstechnologie globale Standards auf dem Gebiet der Energieversorgung. Seit seiner Gründung vor rund 30 Jahren durch Rainer Aberer prägt der Slogan „Gute Arbeitsatmosphäre für Innovation schaffen“ die Unternehmensphilosophie. Es ist eine besondere Konstellation an Entscheidungsträgern und Führungskräften, die es ermöglichte – auch über den tragischen Unfalltod des Firmengründers hinaus – soziales und ökologisches Wirken in diesem Sinne auf- und auszubauen. Das spiegelt sich in den sorgsam im Zusammenspiel mit den Architekten entwickelten gebauten Organismen wider. Die beiden zeitversetzt entstandenen Baukörper unterscheiden sich deutlich in Materialisierung und Grundkonzept. Ihnen gemeinsam sind jedoch der starke Außenraumbezug der Arbeitsplätze, sowie die nutzbaren Höfe und Dachflächen. Sie sind als Gärten von vielfältiger Gestalt angelegt, selbst der verbindende Platz ist größtenteils ein Wandelraum. Einen besonderen Zauber, dem man sich nicht entziehen will, entwickeln die Räume, die das Wasser zum Ausgangspunkt haben: der hangseitig gelegene, renaturierte Bach und sein Uferbereich, sowie die Retentionsfläche der Dachentwässerung, die als Steinmauer gefasstes Gewässer stellenweise sogar zum Teich wird. Nicht nur Mitarbeiter, Kunden und Gäste entspannen sich beim Anblick der üppigen Naturvielfalt, sondern auch Tiere und die Pflanzen selbst finden in der Anlage beste Lebensbedingungen. Hier kommt zum Ausdruck, was die Firma Omicron unter Wirtschaften mit Mehrwert versteht: die Synthese von Ästhetik und Bioethik.

Das Luftbild illustriert die Struktur der Innenhöfe der zweiten Bauetappe und verdeutlicht die vielen unversiegelten Flächen am und um das Gebäude herum.
Gartengestaltung als Symbiose von Architektur und Natur – Rankpflanzen entlang der Fassadenstruktur, Wasserflächen vervielfachen die Abendsonne im Hof.

Gelungen ist diese Verbindung von Schönheit und dem Bewusstsein für den Wert sämtlicher Lebewesen deshalb, weil von Anfang an die Natur als Planungsparameter berücksichtigt wurde – eine naturinklusive Planung, die ihresgleichen sucht. Manfred Vith, seit Gründertagen im Unternehmen tätig und unter anderem Bauherrenvertreter der ersten Bauetappe, war dabei maßgeblich beteiligt. Als Biologe und Organisationsentwickler erkannte er das Potenzial des Wassers bei der Um-, bzw. Neugestaltung des Areals und konnte damit den Eigentümer sowie die Planenden überzeugen, ein Fließgewässerprojekt zu unterstützen: Dem bis dahin kanalisierten Klausbach wurde mit fachkundiger Begleitung der Abteilung Wasserwirtschaft der Vorarlberger Landesregierung mehr Raum gegeben. Heute zieht die Uferzone so wieder Gäste wie Wasseramseln, Eisvögel und Gebirgsstelzen an. Die Gemeinde Klaus und die Firma Omicron traten dafür jeweils einen Teil ihres Grundeigentums ab und ermöglichten durch den Bau einer Brücke für Fußgänger(innen) und Radler(innen) sogar die Verbindung des Gewerbegebiets mit dem jenseits des Bachs liegenden Wohnquartier.

Am modellierten Gelände des Uferbereichs am Klausbach finden Mitarbeiter(innen) einen sportlichen Ausgleich inmitten der gut angelegten Aulandschaft.
„Ethik handelt ja vom guten Auskommen miteinander: Es ist uns ein Anliegen, dies für Pflanzen, Tier und Mensch im Kontext
der Ästhetik zu ­realisieren.“

Manfred Vith

Die Umsetzung dieser artenreichen Gestaltung gelingt durch den Gartengestalter und Gärtner Lothar Schmidt, einem umsichtigen Ökologen, der sich jahraus, jahrein der Pflege annimmt. Tiere nehmen diese sensibel entwickelte Landschaft als Nist- und Nahrungshabitat wahr, als Paarungs- und Jagdrevier, als Ruhe- und Aufenthaltsquartier. Und das alles, ohne den Betriebsablauf zu erschweren oder zu behindern. Im Gegenteil, viele Nutzungen lassen sich verbinden: Offene, kiesige und mit Blumenrasen belebte Parkplätze sind für Regenwasser und Insekten empfänglich. Spazierwege schlängeln sich am ganzen Areal inklusive der Dachflächen. Outdoorarbeitsplätze für Mitarbeitende und Partner inmitten der Natur eröffnen Weitsicht und Inspiration. Schattige Innenhöfe mit ausgewählten Pflanzen wirken am Arbeitsplatz kühlend und die baumbeschatteten, mit heimischen Arten bewachsenen Bachsäume unterstützen erholsame Pausen.

Von der Idee über die Planung bis zum Unterhalt braucht es neben ökologischem Grundverständnis vor allem Vernetzung von Kompetenzen und Zusammenarbeit, Austausch und Abstimmung zwischen Bauherrschaft, Planenden, Ökolog(inn)en und Bewirtschaftung. Das Unternehmen hat das auf vielen Ebenen beherzigt, hat sich rundum auf ein lebendiges Wachsen eingelassen. Ein betriebseigenes Energie- und Mobilitätskonzept, Betriebsküche und Lebensmittelbeschaffung sowie die Förderung vielfältiger, standortgerechter Natur wirken Hand in Hand. Dieses „gute Auskommen miteinander“ zahlt sich aus, ist im besten Sinne, schön, tut allen Lebewesen gut und ist ein spürbarer Mehrwert für das gesamte Quartier.

Nachbarschaftliche Geste Wasserraum und Säulenpappeln sind neben vielfältigem Tier- und Pflanzenhabitat auch verbindende Lebensader im Gewerbegebiet.
Wildbienen und Schmetterlinge finden reichlich Nahrung für sich und ihre Aufzucht am Trockenstandort Dach und Zauneidechsen beleben die Steinmauern.
Wasserfrösche und Libellen erobern die blütenreichen Gewässer, der firmeneigene Naturraum wird mittels heimischer Pflanzen zum Paarungs- und Jagdrevier.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Bauherr OMICRON electronics GmbH

Planung Bauphase 1/Fertigstellung Außen­räume 2000/Renaturierung Bach 2007: Landschaftsarchitektur Kienast Vogt und Partner, Zürich, vogt-la.com; Architektur: ARGE Nägele Waibel Ritsch, Dornbirn, ritsch-architekten.com, naegele-waibel.at
Bauphase 2/Fertigstellung Außen­räume 2014: Gartengestaltung: Lothar Schmidt, Koblach, der-staudengaertner.at; Architektur: Dietrich Untertrifaller Architekten, Bregenz, dietrich.untertrifaller.com

Ausführung – Bauphase 1 und 2 Gartenbau Evi und Lothar Schmidt, Koblach

Grundstücksgröße ca. 27.000 m² (ohne DMG)

Bebaute Fläche ca. 10.200 m² (OC + ODC)

Freiflächen ca. 16.800 m², davon unversiegelt, ca. 12.300 m² (inkl. Parkplatz hinter ODC!)

Begrünte Dachflächen ca. 1250 m² (ODC) + ca. 2300 m² (OC)

„LIFE BooGI-BOP“ Unterstützung für naturnahe Gestaltungen von Firmengeländen: https://www.biodiversity-premises.eu/de/definition.html https://naturvielfalt­bauen.org/boogi-bop/