New Work: Selbstbestimmung und Eigenverantwortung bestimmen den Strukturwandel in der Arbeitswelt. Zentral innerhalb von New Work ist die Flexibilisierung in Bezug auf Arbeitszeiten und Arbeitsorte und auch in Bezug auf temporäre Gemeinschaften. Die Muut Offices liefern dazu die passenden Räume.

Text: Verena Konrad | Fotos: Katja Berger

In vielem klingt der Trend wie eine Emanzipationsbewegung: raus aus dem öden Büroalltag, aus allzu hierarchischen Gefügen, hin zu mehr Selbstverantwortung und Selbstorganisation. Doch das ist nur ein Aspekt. Schon seit 50 Jahren ist das gar nicht mehr so junge Konzept von New Work präsent.  Erstmals vom österreichisch-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann in den 1970ern begrifflich gefasst, umschreibt das Phänomen einen strukturellen Wandel in unserer Arbeitswelt. Diesen strukturellen Wandel gibt es auch in anderen Bereichen und er wird seit den 1960er-Jahren intensiv erforscht. So schrieb der Philosoph Jürgen Habermas 1962 seinen Text „Strukturwandel der Öffentlichkeit“, den er vor wenigen Jahren aktualisiert hat. Strukturwandel sind langsame Prozesse.

Ursachen für diesen strukturellen Wandel sind Globalisierung und Digitalisierung, mittlerweile auch der Einzug künstlicher Intelligenz. All diese Rahmenbedingungen verändern die Arbeitswelt. Viele Tätigkeiten fallen weg, neue kommen hinzu, die Flexibilität nimmt zu – zeitlich und örtlich. Die Muut Offices sind eine Erscheinung im Kontext dieses Megatrends, dessen meist genannte Stichworte Remote Work, Desk Sharing, Coworking und Workation (also Arbeiten am Urlaubsort) heißen.

„Mit den Muut Offices schaffen wir ein Angebot für die Flexibilisierung von Arbeit in Vorarlberg und nutzen dafür bestehende Räume.“

Selina Staggl und Thomas Gabriel
Muut Offices

Arbeit findet nicht alleine statt, selbst nicht in Einzelunternehmen. Sie benötigt ein Bezugssystem, Kunden, Partner. Ich-AGs und neue Selbstständige haben um die Jahrtausendwende den Trend noch deutlicher sichtbar gemacht. Aber auch Teams in Unternehmen sind seither agiler geworden, flexibler, virtueller. Wer sich in die Flexibilität begibt, begibt sich auch hinaus aus fixen Abläufen. Das bringt nicht nur neue Freiheit, sondern verlangt auch viel Disziplin und Zeit und Energie für das Schaffen von Rahmenbedingungen für die eigene Arbeit. Räume und Technik stehen dann z.B. nicht mehr einfach zur Verfügung, sondern müssen selbst organisiert und gewartet werden. Auch die Verbindlichkeit verändert sich. Arbeitsorte wechseln und damit auch Arbeitswege und soziale Kontakte. Das ist anregend und schön, aber auch herausfordernd und gar nicht risikoarm – auch in Bezug auf Gesellschaft.  Habermas´ aktualisierte Studie lieferte hier schon früh einen gedanklichen Anker: Sich Öffentlichkeit auszusetzen und ein Teil davon zu sein ist die Basis von Demokratie. Arbeitswege, Mitarbeit in Teams vor Ort, sich dem Alltag aussetzten, all das fördert Gemeinschaft und demokratischen Zusammenhalt. Aber das ist eine andere Geschichte.

In Bludenz sind die Muut Offices mittlerweile gut angekommen und sie bieten nicht nur Räume für flexible Arbeitssettings, sondern realisieren auch die temporäre Nutzung eines Leerstands. Das tut nicht nur dem Gebäude gut, sondern auch der Stadt. Das alte Villengebäude mit dem schönen Garten steht auf einem Grundstück gegenüber dem Rathaus, liegt also zentral im Stadtgefüge von Bludenz. Beste Voraussetzung für eine solche Nutzung: Die Infrastruktur der Stadt mit Einkaufsmöglichkeiten, Cafés ist bestens und auch die Anbindung an den öffentlichen Verkehr könnte nicht besser sein. Ein kleiner Vorplatz führt zum Eingang. Im Foyer des Hauses empfängt die Gäste, die hier vorwiegend zum Arbeiten herkommen, eine freundliche Atmosphäre mit zentraler Küche und altem Interieur. Es wurde nur verändert, was neu gebraucht wurde oder nicht mehr zu gebrauchen war. Neue Einbauten gibt es nicht, dafür wurde viel repariert, instandgesetzt, wieder nutzbar gemacht und vor allem Farbe ins alte Gemäuer getragen. Auf drei Etagen lässt es sich hier gut arbeiten.

 

Die Settings folgen den Möglichkeiten der Räume: Vom repräsentativen Sitzungszimmer mit Konferenzbestuhlung bis zu kleineren und größeren Räumen mit Schreibtischen, die zusammen oder alleine stehen können, aber auch mit Räumen, die für Besprechungen, Teammeetings und Workshops mit Sofas und Teppichen eine sehr behagliche Atmosphäre vermitteln. Beim Besuch treffen wir sowohl Langzeitmieter(innen) als auch Tagesgäste, die sich anlassbezogen, nur für heute eingemietet haben. Flexdesk heißt ein Angebot, das Desksharing funktioniert hier tagesweise. Fixdesk ein anderes, nomen est omen. Aber auch eine 10er-Tageskarte ist im Angebot. Wer gern länger bleiben und seine Sachen mitnehmen und absperren können möchte, kann auch ein privates Büro monatlich mieten. Und natürlich stehen die Räume auch abends zur Vermietung bereit – für Teamevents, Abendessen – (Zusammen)-Arbeit benötigt eben verschiedene Räume. Nach dem Erfolg in Bludenz gibt es die Muut Offices nun auch in Götzis am Garnmarkt und wer weiß, vielleicht auch bald an einem dritten Ort.

Daten & Fakten

Projekt: MUUT Offices, Werdenbergerstraße 41, 6700 Bludenz

Bauherr: MUUT Offices, Thomas Gabriel und Selina Staggl, www.muut.at

Architektonische Begleitung für die Nutzbarmachung: Atelier Ender, Ursula und Marcus Ender, Nüziders,
www.atelierender.at

Besonderheit: Bestandsbau aus dem Jahr 1888, repräsentative Villa im Stadtkern von Bludenz

Leerstandsaktivierung durch Nutzung als New Work Laboratorium: Unterstützung bei Reparaturen, Erschließung, Farbkonzpt und Möblierung