Wolfgang Ritsch Architekten haben in Dornbirn einen dreigeschoßigen Holzbau für eine junge Familie gebaut. Dieser erweitert einen bestehenden Altbau und bietet neue Wohnkonstellationen: Sollte eines Tages Bedarf bestehen, kann die ältere Generation vom Altbau in den Neubau ziehen, der barrierefrei umgerüstet werden kann.

Text Katinka Corts · Fotos Maria Ritsch

Direkt an der Dornbirner Schillerstraße gelegen, ist die Arztpraxis gegenüber dem Stadtbad ein bekannter Anlaufpunkt der Stadt. Im zweigeschoßigen Gebäude mit großzügig ausgebautem Dachraum wird jedoch auch gewohnt: Zahlreiche kleine und große Räume nutzt die Arztfamilie, die früher auch die Praxis leitete. Bereits in den 1980er-Jahren sanierte Architekt Wolfgang Ritsch das Haus und baute es so um, dass Praxis und Wohnbereich über ein rückwärtiges, separates Treppenhaus voneinander unabhängig erschlossen werden konnten. Als Jahre später auf dem Grundstück die angrenzende Scheune mit Vorwerk und Pferdestall abgerissen wurde, gab es neuen Raum zur Erweiterung.

„Unser Haus wächst mittlerweile seit Jahrzehnten und Wolfgang begleitet uns bei all unseren baulichen Vorhaben“, so der Bauherr. „Seine Architektur erfüllt jeweils die Bedürfnisse unserer Familie nach einem angenehmen Wohnraum und einem lebenswerten Umfeld.“ Beim neuesten Vorhaben war die ursprüngliche Idee, dass die Tochter der Familie mit Partner und Kindern den Altbau beziehen würde und die Eltern im Gegenzug in einen barrierefreien Neubauteil dahinter einziehen könnten. Da das Herz der Eltern jedoch zu sehr am vertrauten Wohnhaus hing, bauten Wolfgang Ritsch Architekten den dreigeschoßigen Holzbau schließlich für die jüngeren Generationen. Im Erdgeschoß sind Nutzungen für die ganze Familie untergebracht: Eine großzügige Dreifachgarage schließt auf einer Seite das Grundstück ab und geht in das Wohnhaus über, dafür blieben im südlichen Teil des Grundstücks der Garten mit den zahlreichen Bäumen und der Pool erhalten. Aktuell nutzen die beiden Familien das Erdgeschoß des Neubaus als Werkstatt, Hobby- und Materialraum sowie Gartenküche, bei Bedarf kann der Bereich später aber zur Einliegerwohnung mit separatem Eingang umgebaut werden.

„Wir wollten mit Alt- und Neubau ein Zusammenspiel von Gemeinschaft und Privatheit ermöglichen, sodass sowohl das Zusammenleben als
auch der individuelle Rückzug möglich sind.“

Wolfgang Ritsch
Architekt

Rückseitig befindet sich der Eingang zum Haus, von dem aus eine schmale Treppe direkt ins Obergeschoß mit Küche, Ess- und Wohnraum führt. Auf die barrierefreie Erschließung wurde vorerst verzichtet: „Die ursprüngliche Idee, den Eltern einen barrierefreien Neubau mit Lift zu ermöglichen, haben wir durch die Planung eines entsprechenden Liftschachts und herausnehmbare Decken konstruktiv vorbereitet“, erläutert Wolfgang Ritsch. Im zweiten Obergeschoß liegen die Schlafzimmer für Kinder und Eltern. Breite und fast raumhohe Panoramafenster erlauben den weiten Ausblick in die Umgebung und zum Garten, lediglich in Richtung Straße bleibt die Fassade eher geschlossen und somit auch vor Einblicken und nächtlichem Verkehrslärm geschützt. „Aufgrund der Lage und Orientierung haben wir uns genau überlegt, wo wir die Fenster für interessante Aus- und Querblicke positionieren“, so Wolfgang Ritsch.

Den Neubau wollte die Bauherrschaft vollständig aus natürlichen und schadstoffarmen Baumaterialien erstellen lassen. Wolfgang Ritsch Architekten planten den Rohbau deshalb mit vorgefertigten Wand- und Deckenelementen inklusive Liftschacht aus Kreuzlagenholz. In den Räumen bleibt das Material sichtbar: Alle Decken und Wände sowie die Küchenmöbel sind einheitlich mit Fichtenholz gestaltet. Lediglich die Fußbodenheizung in den Geschoßdecken ist mit Betonestrich überzogen, der als Speichermasse wirkt und das Sommerklima im Haus sowie den Schallschutz verbessert. Im Kontrast zu den hellen und hölzernen Oberflächen steht die Treppe aus schwarz eingefärbtem MDF wie eine Skulptur im Raum und zieht sich durch die Etagen. Auch die Fassade besteht aus unbehandeltem Fichtenholz, das natürlich verwittert.

Bestand und Erweiterung gelten baulich als Mehrwohnungshaus, da sie sich die Infrastruktur wie Wärmeversorgung und Wasseranschlüsse teilen. Das ist vorteilhaft, denn so konnten die Technikflächen im Neubau deutlich reduziert werden. Ergänzt wurde das System um eine Photovoltaikanlage auf beiden Dächern, mit der die Energiegemeinschaft jetzt autarker versorgt ist. Vorerst ist das Projekt abgeschlossen, doch Raum für weitere Entwicklung und Umnutzung ist da – das Ensemble bietet den drei Genera-tionen viele Möglichkeiten, hier noch lange Zeit miteinander in verschiedenen Konstellationen zu wohnen.

Eine Baukulturgeschichte von VAI.

Das vai ist die Plattform für Architektur und Baukultur in Vorarlberg. Es bietet eine Bibliothek, Aus-stellungen, Veranstaltungen und Vor-Ort-Termine in den Gemeinden: Mehr Infos auf www.v-a-i.at

EFH Simma-Wallinger

Bauherr: Simma-Wallinger Angelika, Wolfgang Wallinger
Architektur: Wolfgang Ritsch Architekten, Dornbirn; www.ritsch-architekten.com
Statik: planDrei, Andelsbuch
Planung: Jänner/2019–September/2021
Ausführung: Februar/2021–September/2021
Grundstück: 986 m²; Nutzfläche: 180,39 m²
Energiekennwert: 34,5 kWh/m² im Jahr (HWB)
Kosten: 525.000 € netto
Fachplanung: Bauleitung: Baukultur Management, Schwarzenberg; Bauphysik: Spektrum Bauphysik & Bauökologie, Dornbirn; Geometer: Wolfgang Mattner, Dornbirn; Kanal/Entwässerung: Ingenieurbüro Landa, Dornbirn