Beim Spaziergang in die Bregenzer Oberstadt führt einen das alte Kopfsteinpflaster entlang von Natursteinmauern zum historischen Zentrum. In einem Konglomerat aus bedeutenden Bauten und Plätzen, kleinteiliger Siedlungsstruktur und Vorgärten überwiegt die Präsenz einer mittelalterlichen Stadt. Dort eingebettet, überrascht die Sanierung einer Stadtwohnung.

Text: Marcella Zauner | Fotos: Angela Lamprecht

Über ein paar Ecken wurde die Gestalterin Brini Fetz auf die Wohnung in der Bregenzer Oberstadt aufmerksam. Nach einer Besichtigung mit dem befreundeten Architekten Christopher Schneeweiß, war klar, sie möchte die Wohnung erwerben und den Charme des Bestandes ausarbeiten und erlebbar machen. Leichter gesagt als getan. Denn eine so alte Bausubstanz bringt viel Unerwartetes mit sich. Die ältesten Gebäudeteile der Wohnung sind aus dem 13. Jahrhundert. Nämlich die südliche Außenwand, welche ursprünglich die Stadtmauer darstellte. Nach bauhistorischen Untersuchungen war festzustellen, dass im 15. Jahrhundert ein Gründungsbau an die Stadtmauer angestellt wurde. Eine nächste Erweiterung und Überbauung erfolgte im 17. Jahrhundert, so der Bericht von Klaus Pfeifer und Raimund Rhomberg. In dieser Zeit gab es viele Besitzerwechsel. Der Bestand wurde umgenutzt, adaptiert und erhielt Vielschichtigkeit. Auch im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Grundsatz der Bauherrin war die Akzeptanz des Vorhandenen. So sollten möglichst alle Bauteile in ihrem originalen Zustand erhalten oder dorthin zurückgeführt werden. Bestehende Parkettböden wurden, sofern sie nicht vom Holzwurm beschädigt waren, erhalten. Auch die Retrofliesen im Bad sollten bleiben. Aufgrund der Verlegung von neuen Leitungen mussten diese aber letzten Endes ausgetauscht werden. Unauffällig im neuen Bad ist das alte Waschbecken. Es war noch gut in Form und blieb, im Sinne der Wiederverwendung, als aufpoliertes Original bestehen.

„Die architektonische Herausforderung war, eine Nutzung sowohl als ansprechendes Tagescafé sowie als coole Nachtbar zu ermöglichen.“

Brini FetzBauherrin

Andere Bauteile wurden entfernt, um das Wesentliche der Architektur herauszuschälen und offenzulegen. Getäfelte Wände, Schichten aus Putz und armiertem Mörtel verdeckten unter anderem die Struktur der meterdicken Stadtmauer. Auch ein Biedermeierfenster, zwischen der jetzigen Küche und dem Badezimmer, kam unerwartet zum Vorschein. Eine räumlich und funktional wertvolle Geste stellt der neue Durchgang von Wohnküche zu Ankleide- und Vorratszimmer sowie zum Schlafzimmer dar. Die neue Verbindung schafft somit ein multifunktionales Durchgangszimmer. Für den Durchbruch musste jedoch unvermutet ein Teil des Fachwerks abgetragen und dessen Funktion kompensiert werden. Gemeinsam mit dem Statiker wurde eine Lösung erarbeitet, um weiterhin für Stabilität zu sorgen.

In weiterer Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt und dem Bauphysiker wurde geprüft, welche Verbesserungen und Ergänzungen der Oberflächen vorgenommen werden sollten. Ziel war die optimale Konditionierung der Räume sowie die Nutzbarmachung von Oberflächen. Zum Einsatz kamen dafür ungedämmte Vorsatzschalen aus Gipskarton sowie Kalkputze und -farben. Für maximalen Wohnkomfort sorgen die Ergänzung um eine elektrische Fußbodenheizung und Infrarotpaneele im gesamten Wohnbereich. Neben dem behutsamen Umgang mit dem Bestand überraschen die präzise Wahl und Farbgebung des gesamten Interieurs. Als Designerin ist Brini Fetz sicher im Umgang mit Farbe und schafft mit dem Einfügen moderner Akzente eine beeindruckende Verflechtung von Alt und Neu.

Im Herz der Stadtwohnung, der Wohnküche, war es der Bauherrin ein besonderes Anliegen, die Einrichtung im Stil einer klassischen Funktionsküche zu vermeiden. Stattdessen sollte sich die Küche wie ein Möbelstück im Raum eingliedern. Auf bunt zusammengewürfelten Stühlen und dem Sofa finden sich bereits gute Gelegenheiten zum Rasten. Bemerkenswert sind zudem die Aussparungen in der Stadtmauer. Die Nischen erweitern den Wohnraum ungemein. Sie werden vom Tageslicht erfüllt und laden zum Verweilen ein. Von hier aus kann man den Blick gut schweifen lassen. Entweder in den Innenraum, um die Imperfektion des Bestandes zu bestaunen, oder nach draußen über die Dächer von Bregenz.

Daten & Fakten

Objekt: Oberstadt, Bregenz

Bauherrin: Brini Fetz

Architektur: Architekt Christopher Schneeweiß, Bregenz, https://cschneeweiss.com

Statik: Mader Flatz Schett ZT GmbH, Bregenz, https://mfs-zt.at/

Planung: März/2022–Mai/2022

Ausführung: April/2022–August/2022

Bauweise: Massivbauweise mit Holzbalkendecken aus mehreren Jahrhunderten (ältester Teil Baujahr 1422). Die Außenwand südseitig bildet die Bregenzer Stadtmauer

Besonderheiten: Denkmalgeschützt, besonderes Augenmerk auf Erhaltung der bestehenden Bausubstanz und Materialien (Böden, Türen etc.), Ausführung mit großem Anteil Eigenarbeit

Ausführung: Innenausbau: Ugur Cakici, Lustenau; Holzbau/Falltüre: Hehle Holzbau, Hörbranz; Böden: Sterlika Parkett, Bregenz; HSL: Bechter Installateur, Bregenz; Fliesen: S+Tile, Dornbirn; Elektro: Schelling Peter, Schwarzach; Garten: Oliver Fetz Forstarbeiten, Eichenberg