Umweltbewusst und solidarisch. Ein Haus in Schnifis ergänzt eine kleine Siedlung.
Maßvolle Räume, gute Gestaltung und wertige Materialien
machen es zu einem wertvollen baulichen Zuwachs für das Dorf.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Petra Rainer

Dennoch führt die Gebots- und Verbotsdebatte, „du sollst dir kein Einfamilienhaus bauen!“, oft auch an wesentlichem vorbei. Vorbei an der Realität von gewachsenem Wohlstand, individuell zur Verfügung stehenden Ressourcen und kollektiv-emotionalem Wunschdenken. Vorbei auch an der Realität des Lebens in den Dörfern. Oder anders: Verdichtung ist in den Dörfern das Gebot der Stunde. Zersiedlung beginnt dort, wo zu viele Lücken klaffen und vor allem dort, wo die Siedlungsgrenzen wanken. Zu viel ist hier in den letzten Jahrzehnten schiefgegangen.

Wohnraum – vor allem leistbaren Wohnraum – zu schaffen ist eine wichtige Aufgabe für die Kommunen, die nicht mehr wegdelegierbar ist. Das Einfamilienhaus leistet dazu den kleinsten Beitrag und ist manchmal, oft, sogar kontraproduktiv für diesen Weg. Doch es kann auch sinnvoll sein. So wie hier in einem kleinen Wohngebiet am oberen Siedlungsrand von Schnifis, natürlich – und das ist wichtig – innerhalb, also bei Haltung der Siedlungsgrenzen.
Warum hier und anderswo nicht? Warum so und anders nicht? Im Kontext dieser kleinen Siedlung ist nicht nur die neue Nachbarschaft, sondern auch der bauliche Neuzuwachs eine Bereicherung. Die Bauleute haben Verbindung zu diesem Ort, zu den Menschen in der Siedlung und konnten so dieses Grundstück günstig aus der Familie heraus erwerben. In der Nachbarschaft leben bereits Familien mit kleinen Kindern. Das Dorfzentrum liegt nicht direkt um die Ecke. Nachbarschaftshilfe und Aufeinanderschauen ist hier Alltag und Notwendigkeit. Das neue Haus ist damit kein Ego-Projekt, das sich abschottet, sondern das Zuhause neuer Mitbewohner(innen) der Siedlung. Gemeinschaft muss nicht unter einem Dach stattfinden, um als solche zu gelten.

„Menschen für einen sinnvollen Umgang mit Ressourcen anzuregen,
ist mir sehr wichtig in meiner Arbeit. Dafür ist
immer der Kontext ausschlaggebend.“

Martin Mackowitz
Architekt

Der Haupteingang liegt im Quertrakt zwischen Internat und Turnsaal, beides Bauteile aus dem Jahr 1974. Vor dem Internat breiten sich an der Rheinhofstraße weite Felder aus, nordwestwärts schließen die Kapelle sowie die Klassentrakte der Jahre 1988 und 2006 an. „Unser Ziel war es, den Neubau und die bestehenden Klassentrakte als ein Gesamtensemble zu gestalten“, erklärt Hermann Kaufmann. „Wir mussten also sowohl für das Äußere als auch für das Material- und Farbkonzept im Inneren eine homogene Sprache finden.“ Die Längs- und Quertrakte aus verschiedenen Baustufen fassen beim Eingang einen Vorplatz und dahinter zwei Höfe ein. Diese sind zwar unterschiedlich – der erste eher lang und schmal, der zweite fast quadratisch – doch sie bilden ein wiederkehrendes Element, an das sich anknüpfen lässt. Außerdem ermöglichen Innenhöfe Blickverbindungen und erleichtern so die Orientierung.

Zum ökologischen Fußabdruck gehören vier Faktoren: der Landverbrauch, der Verbrauch von CO2, der Verbrauch von Wasser und der Verbrauch von Material. Die jungen Bauleute kommen vom Fach, Architektur und Handwerk sind die Themen ihres beruflichen Lebens. Der Architekt passt dazu. Ein Freund mit gleichem Arbeitgeber. Man kennt sich aus der Werkstatt des Lehmbauers und Künstlers Martin Rauch. So verwundert es nicht, dass auf all diese Aspekte großer Wert gelegt wurde. Es wurden natürliche und wertige Materialien angewandt, auf die Gestaltung geachtet, die zur Nachhaltigkeit im Sinn der dauerhaften Nutzung wesentlich beiträgt, auf hochwertige Verarbeitung und regionale Wertschöpfung. Wenn schon Einfamilienhaus, dann so.

Für Martin Mackowitz ist es das zweite Einfamilienhaus, das er geplant hat. „Menschen zu einem sinnvollen Umgang mit Ressourcen anzuregen, ist mir sehr wichtig in meiner Arbeit. Dafür ist immer der Kontext ausschlaggebend.“ Seit etwas über einem Jahr arbeitet Martin Mackowitz für „Lehm Ton Erde“ und kümmert sich dort vor allem um Kommunikation und Koordination. „Ich möchte mit meinem Einsatz dazu beitragen, dass ökologische Baumaterialien eine fixe Größe in der Bauwirtschaft werden. Baukultur spiegelt wider, was den Bauleuten, aber auch was Kund(inn)en wichtig ist. Viel zu wenig Menschen wissen, was es an Möglichkeiten gäbe und greifen dann auf das zurück, was möglichst einfach am Markt zu bekommen ist. Der Markt schöpft hier aber nur einen ganz kleinen Teil der Möglichkeiten aus.“

Natürlich ist das Haus in Schnifis auch Ausdruck einer Lebenshaltung. Das zeigt sich an den Spuren des Wohnens, die sich seit der Fertigstellung 2018 schon eingeschrieben haben. Zentrum des Längsbaus ist ein großer, offener Raum. Hier wird gekocht, gegessen, gewohnt, auf einer Galerie gearbeitet. Kleine Raumnischen sind für Rückzug und Privatsphäre da. Für den gesunden Schlaf, zum Lesen, für Mediennutzung, Erholung und Spiel. Eine dem beheizten Volumen vorgelagerte Veranda erweitert den Raum ins Außen. Dieses Außen wird dominiert von den atemberaubenden Blicken des Walgaus auf umliegende Berge, Wälder, Siedlungen.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen (jetzt wieder geöffnet) und Veranstaltungen bietet das vai monatlich Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Haus Schnifis
Bauherr Örtliche Bauaufsicht: Planungsbüro Helmut Taudes. Nüziders
Architektur Martin Mackowitz

Planungsdaten

Planung: 2016–2018
Ausführung: 3/2018–11/2018

Objektdaten
Grundstücksfläche 554 m²
Nutzfläche 130 m²
Materialwahl Holzbau, Mischbau
Energiesysteme Heizungsanlage aus biogenen Brennstoffen, Solarthermie

Ausführung

Holzbau: Zimmerei Berchtel, Schnifis
Spengler: Dachspengler Helmut Berchtel, Schnifis
Kalkputz: Gerold Ulrich
Ofenbau: Ofenbau Müller, Ludesch u. a.

Auszeichnungen Anerkennung beim Vorarlberger Holzbaupreis 2019

Fotografie: Petra Rainer