Chesa Valisa
Wie lang ist das her! Grün wird amtstauglich und
in Tschernobyl platzen Illusionen. In dieser Zeit Mitte der 1980er-Jahre
übernehmen Klaus und Sieglinde Kessler ein Gasthaus im Kleinen Walsertal
und werden Pioniere eines nachhaltigen Tourismus.
Autor: Florian Aicher | Fotos: Nicolas Felder
Das beginnt mit einer Selbstbestimmung. Intakte Natur, gesundes Wohnen, bewusste Ernährung, gesunde Vitalität und kulturelles Engagement werden fünf Säulen ihrer Unternehmens-philosophie. Die Besinnung auf die Region kommt mit dem Namen „Chesa Valisa“ zum Ausdruck, rätoromanisches Lehnwort für Walserhaus, das die hier ansässigen Walser auf ihrer Wanderung mitbrachten. Erste Maßnahmen waren Umbauten an dem 500 Jahre alten Stammhaus. Ab der Jahrhundertwende folgen Neubau, beginnend mit Empfang und Hotelhalle; dann Restaurantvergrößerung, Erweiterung Pension und Spa-Bereich, neuer Fitnessbereich, Überbauung Chalet, Privathaus. „Man kann schon sagen: fast im jährlichen Wechsel Planen und Bauen“, merkt Klaus Kessler an. Man kriegt Routine, das gute Einvernehmen mit dem Architekten Hermann Kaufmann wird vertieft.
Bauen bedeutet unternehmerische Prosperität, doch gekonntes Unternehmertum zeigt sich bei Weitergabe der Staffel. Nach mehr als 30 Jahren war es Zeit – so wird das Haus heute von Magdalena und David Kessler geführt. Und was machen die? Sie bauen weiter wie die Alten. Mit einem bemerkenswerten Unterschied: „Mit 55 Zimmern hat unser Betrieb eine Grenze erreicht; mehr würde bedeuten: anders. Unser Erbe tragen wir fort, indem wir es entwickeln – nach innen. Unser Ziel: nicht größer, sondern besser. Was wir dazugeben, muss passen“, führt Magdalena Kessler aus. Damit wird die Philosophie des Hauses neu interpretiert: Wachstum in wohlbedachten Grenzen.
Nicht größer, sondern besser bedeutet, die Frage nach Qualität beantworten. Das haben die beiden in internationalen Häusern und Beschäftigungen gelernt und sind überzeugt: Die Zukunft der Gastronomie liegt in der Klasse, nicht Masse. „Qualität ist nicht so vordergründig, wirkt oft unterbewusst, dafür langfristig. Man kann nicht immer den einfachen Weg gehen, nur weils günstig ist,“ so die Hausherrin. Das zeigt der neue Bau. Hermann Kaufmann, der den Stil des Hauses geprägt hat, plante. Doch was entstand, zeigt sich vordergründig kaum – die Verlängerung des Stammhauses um knapp sechs Meter ist wenig. Ein erheblicher Teil steckt unter der Erde oder ist unsichtbar im Altbau integriert – es geht um Verbesserungen der Betriebsabläufe des Restaurants im Erdgeschoß; in den Obergeschoßen wurden acht Gastzimmer erneuert.
Ein neuer Keller optimiert nun Belieferung und Bevorratung für die Küche – mit ebenerdiger Anlieferung talseitig. Der Erdgeschoßboden wurde tiefer gelegt, damit Gasträume und Küche stufenlos verbunden; Boden und Fundament des Altbaus wurden abgesenkt, Bagger fuhrwerkten in Küche und Gaststube. Nach Betriebsabläufen optimiert wurde die Küche. Sie erhält nun großzügig Tageslicht und ist mit modernster Technologie ausgestattet. Der neue Buffetbereich erweitert das Angebot. Die angrenzenden Gasträume „Wintergarten“ und „Gerberstube“ erhielten neue Ausstattung; die Verlängerung des Baus ergibt den zusätzlichen Gastraum „Walser-eck“ mit eigenem Zugang für Gäste; ein Angebot für ein neues Publikum ohne Hotelnutzung, darunter Kinder der benachbarten Skischule.
Die einzelnen Gasträume variieren Themen, die im Altbau und dem ersten Zubau angeschlagen wurden: Holzbau, kassettierte Vertäferung, Lehmbau. Trotz durchgehender Gestaltungselemente hat jeder Raum seine eigene Charakteristik und doch steht jeder in Beziehung zum andern; eins geht ins andere, innere Fenster bieten Blickkontakte und drei Stufen in der Mitte der lockeren Raumfolge vermitteln zum bewegten Gelände.
In den Obergeschoßen sind die Gästezimmer modern eingerichtet, erhalten großzügige Loggien, neue Außenfassaden mit Fensterläden, die in der gebänderten Fassade verschwinden. Dank Elementbauweise und Brettstapeldecken fiel die Bauzeit mit dreieinhalb Monaten extrem kurz aus. Die klimatischen Vorzüge des raumseitigen Lehmputzes erübrigen im Zusammenspiel mit anderen Maßnahmen eine Klimaanlage. Wachsen nach innen, Entfaltung in Grenzen – eine Interpretation von Ökologie, die dem Gast zugutekommt.
Daten & Fakten
Objekt Naturhotel Chesa Valisa – Erweiterung Stammhaus, Hirschegg
Bauherren Familie Kessler
Architektur Hermann Kaufmann + Partner ZT, Schwarzach, www.hkarchitekten.at
Statik zte Leitner ZT, Schröcken, www.zte.at
Fachplanung Bauphysik: Thomas Schwarz, Frastanz; Küche: Edinger, Innsbruck; Bauaufsicht: Christian Zangerl, Hirschegg
Planung 1/2018-4/2019
Ausführung 9/2018-6/2019
Grundstücksgröße 23.504 m²
Nutzfläche 1055 m² (Zu- und Umbau)
Bauweise Zubau ab Decke des Untergeschoßes aus vorgefertigten Holzelementen. Massivholzdecken, Holzfenster mit
Dreifach-Verglasung; Keller mit Stahlbeton-Hohlwänden
Besonderheiten Großteils ökologische Baumaterialien
Ausführung Baumeister: Wilhelm Geiger, Mittelberg; Zimmerer: Lipp, Oberstdorf; Fenster: Ebert, Riezlern; Innenausbau: Ritsch, Dornbirn; Böden Beschichtung: Wolfgang Gruber, Haldenwang, (D); Fliesen: Demmel, Oberstdorf; Teppich: Cornelius Dünßer, Oberstdorf; Parkett: Christian Greußing, Bezau; Elektro: Markus Leitgeb, Hirschegg; Installation: Berchtold, Riezlern; Maler: Horst Willam, Hirschegg
Energiekennwert 25,9 kWh/m² im Jahr (HWB)
Baukosten 3 Millionen Euro (2018 und 2019)