Was bewegt einen erfolgreichen Geschäftsmann ein baufälliges Haus zu kaufen
und es aufwändigst wiederzubeleben? So geschehen mit der „Rickatschwende 2“
in Dornbirn durch Kommerzialrat Heinz Hämmerle. „Ein Zusatzangebot für
die Gäste im Hotel zu schaffen“, erklärt der Bauherr. Der ausführende Architekt
Hugo Dworzak bezeichnet das Projekt als Lehrstück für
die Wiederbelebung einer Kultur, die langsam verloren gehe.

Text: Klaus Feldkircher | Fotos: Darko Todorovic

Ursprünglich war das Haus Rickatschwende 2 ein Bauernhaus, dessen Entstehung urkundlich mit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts datiert ist. Während des Umbaus, den Dworzak und Hämmerle als „Entdeckungsreise“ bezeichnen, wurde unter anderem deutlich, dass das Gebäude ursprünglich schmaler als heute war, später aber auf beiden Seiten Räume in einer Pfosten-Riegel-Konstruktion angebaut wurden. Das heute wahrnehmbare Bauvolumen entspricht dieser Vorlage, das renovierte Haus ist dem temporären Aufenthalt von Gästen des Kurhotels Rickatschwende gewidmet. Wie aufwändig der gesamte Bauprozess war, zeigt die logistische Vorgangsweise, die minutiös vorbereitet und geplant war. Bauherr Heinz Hämmerle erklärt: „Nachdem die einzelnen Elemente entfernt waren, musste ein Stahlgerüst in das skelettierte Gebäude eingeführt werden, es wurde quasi aufgehängt.“ Maßgeblichen Anteil am Gelingen dieses Unterfanges hatte Holzbauer Jodok Fetz, der „mit seinem Know-how diese Vorgehensweise möglich machte“, so Architekt Dworzak. Die Gäste betreten das Gebäude durch den Schopf, durch den man in die erste Stube gelangt. Im vorderen alten Teil des Hauses wurde die ursprüngliche Einteilung der Räume bei der Renovierung wiederhergestellt. Bereits beim Eintritt ziehen die Gäste unweigerlich den Kopf ein, denn die niedrige Deckenhöhe entspricht der ursprünglichen von vor fast 300 Jahren.

Auf die große Stube folgt eine kleinere, beide Räume werden durch den zentralen Kachelofen beheizt. Es schließt eine weitere Stube an, die zukünftig als Bibliothek dienen soll. Der baufällige Kriechkeller wurde durch ein vollwertiges Untergeschoß ergänzt und der zwischenzeitlich abgestützte Strickbau von minderwertiger Wandverkleidung befreit. Aus diesem Keller entstand ein großer Werkraum, indem nach der Aufhängung des Hauses der ursprüngliche Boden abgegraben und so ausreichend Höhe und Platz für allfällige Aktivitäten für Gäste wie Malkurse u. Ä. geschaffen wurde.

„Es war eine Entdeckungsreise in die Vergangenheit für uns alle.
Architekt Dworzak war der Kapitän, das Gebäude mit all
seinen verborgenen Geheimnissen war der Lehrer.“

KR Heinz Hämmerle
Bauherr

Die seitlichen Zubauten wurden im ursprünglichen Ausmaß und in der Konstruktion erneuert, die rückseitige Wohnung im jüngeren Trakt des Hauses durch eine zweigeschoßige, zur Landschaft geöffneten Räumlichkeit ersetzt.Dieser Teil, vormals vermutlich die Tenne, war 1976 von Leopold Kaufmann zu einer Wohnung umgebaut worden. Sie war – den Gegebenheiten geschuldet – sehr verwinkelt, nach der Renovierung erfuhr der Raum eine großzügige Öffnung und dient heute als „Wohn- und Schauküche“, in der „aus dem Garten“ gekocht wird. Architekt Dworzak vergleicht sie mit einer Kirche, in deren Zentrum die große Kochinsel als „Altar“ fungiert. Der Boden ist aus pflegeleichtem Guss-Terrazzo mit eingelegten Natursteinen aus dem Ländle. Kochbegeisterte versammeln sich um den Ort des Geschehens, sollte der Platz nicht ausreichen, ist von der Galerie aus dem ersten Obergeschoß ein guter Blick in die Töpfe möglich. Im hinteren Bereich der Schauküche befinden sich ein weiterer Arbeitsbereich mit verschiedensten modernsten Küchengeräten sowie ein großzügiger WC-Bereich. In den Wohnräumen wird gegessen, gelesen, geruht – und das alles – so weit möglich – in einer ressourcenschonenden Lebensweise.

Was weiter auffällt und sich durch das ganze Gebäude zieht: Viel von der alten Substanz wurde wiederverwendet. Aufwändig ausgebaut, durchnummeriert und restauriert wurden die Teile anschließend wieder wie ein Puzzle zusammengesetzt. U. a. konnte der Kachelofen, bei dem nur zwei Kacheln ersetzt werden mussten, wieder seiner ursprünglichen Bestimmung übergeben werden. Auch die Türen und Beschläge, die beinahe 300 Jahre alt sind, erfuhren so ein drittes Leben. Die verwendeten Materialien sind allesamt natürlich und angreifbar. Je höher die Beanspruchung, desto härter fällt die Materialität aus. So sind die Wandoberflächen aus Weißtanne. Treppen, Regale, Tische usw. sind aus härterer Eiche, die Fußböden ebenfalls aus sägerauer Eiche bzw. aus Guss-Terrazzo mit eingelegtem Naturstein aus Vorarlberg. Rückblickend beschreibt Bauherr Hämmerle die Renovierung so: „Auf unserer Entdeckungsreise war der Architekt der Kapitän.“ Dworzak ergänzt: „Dabei war ich aber der Schüler, der Lehrer war das Gebäude.“

Daten und Fakten

Objekt Rickatschwende 2, Dornbirn
Bauherr KR Heinz Hämmerle, Rickatschwende GmbH & Co
Architektur Architekturwerkstatt Dworzak-Grabher, Lustenau, www.dworzak-grabher.at
Statik gbd Holding ZT, Dornbin, https://gbd.group
Fachplanung Elektro: Stroj, Lustenau; Haustechnik: M. Stotter, Lustenau; Bauphysik: Hafner Weithas, Lauterach
Planung 06/2021–04/2023
Ausführung 10/2021–04/2023
Nutzfläche 550 m² (inkl. Keller)
Bauweise Talseitig Strickbau mit Schindelschirm, waldseitig Ständerbau mit Holzfassade; Dacheindeckung: Holzschindeln
Besonderheiten Strickbau aus dem 18. Jhdt.; Erneuerung der Zubauten im ursprünglichen Ausmaß; Neues, vollwertiges Untergeschoß unter zwischenzeitlich abgestütztem Strickbau
Ausführende Baumeister: Erich Moosbrugger, Andelsbuch; Zimmerer: Fetz, Egg; Fenster: Mohr, Andelsbuch; Schwarzmann, Schoppernau; Schlosser: Kalb, Dornbirn; Tischler: Here, Au; Beleuchtung: Georg Bechter, Hittisau; Ofenbauer: Anton Beer, Schoppernau