Die eigenen vier Wände
Auf der Parzelle Leiten hat die Gemeinde Langenegg einen sanften Südhang
als Baugebiet gewidmet. Der größere Teil war schon in Gemeindebesitz,
zwei Flächen wurden dazugekauft. Nach Analyse des Bregenzer Architekten
Helmut Kuëss rundet dieses Gebiet den Siedlungsbereich Leiten sensibel ab,
indem den Häusern an der Südseite der Gemeindestraße Neubauten
mit bis zu drei Geschoßen auf der Nordseite gegenübergestellt werden.
Text: Claudia Rinne | Fotos: Cornelia Hefel
Das Ensemble aus drei Geschoßwohnbauten, die in der ersten Bauphase straßennah errichtet wurden, fügt sich mit seinen Proportionen, seinen Holzfassaden und Satteldächern für die von außen kommende Betrachterin gut in das bäuerliche Streusiedlungsgebiet ein. 2020 gab es Anrainerproteste wegen der Höhe und der Baunutzungszahlen. 2018 waren diese Zahlen allerdings mit einer Bebauungsstudie von Helmut Kuëss der Gemeinde vorgestellt worden und lagen auch schriftlich vor. Ein Kompromiss zwischen den Einwänden der Anrainer(innen) und dem Wohnbedarf wurde gefunden, indem das Ensemble je einen Meter nach Westen und von der Straße abgerückt wurde.
Über einen Bauträgerwettbewerb sicherte sich die Gemeinde Mitsprache bei der Gestaltung und bei der Vergabe der Eigentumswohnungen, im Gegenzug vergab sie das Grundstück günstig. Das beste Gebot sollte daher nicht nur mit dem Preis punkten, auch Gestaltung und Ökologie mussten überzeugen. Das gelang der ZIMA Wohnbaugesellschaft in Kooperation mit Johannes Kaufmann Architektur. Der Entwurf in Holzmodulbauweise garantierte dank Vorfertigung unter konstanten und arbeitnehmerfreundlichen (Hallen-) Bedingungen hohe Qualität und kurze Bauzeiten, er minimierte die Emissionen auf der Baustelle und ermöglichte Preise unter Marktniveau. Der Gebäudestempel war bereits festgelegt, Innauer Matt Architekten aus Bezau hatten die erste Bebauungsstudie im Auftrag der Gemeinde weiter ausgearbeitet. Mit der Adaption an diese Vorgaben bewies der Modulbau einmal mehr seine Flexibilität. Die Zwei- bis Vierzimmerwohnungen bestehen jeweils aus zwei bis drei Vollholzmodulen. Die Wohnungen werden über einen Eingangsbereich samt Garderobe betreten, die Zimmer und die Freiflächen werden vom zentralen Raum aus erschlossen. Dadurch kann der Flur entfallen. Das spart nicht nur bis zu zehn Prozent an Fläche, es fördert auch die Kommunikation. In der Regel entspricht der Hauptraum einem ganzen Modul. In ihm wird gekocht, gegessen und gewohnt.
„Die Herangehensweise der Gemeinde an dieses Projekt stellt aus meiner Sicht ein sehr gelungenes Beispiel dar, um jungen Familien leistbaren Wohnraum zu ermöglichen.“
Michael Wehinger
JKP
Die beiden Gebäude in der ersten Reihe haben L-förmige Grundrisse und zeigen mit je einem ihrer Giebel so zur Gemeindestraße, dass diese das Ensemble einrahmen. Zusammen mit dem lang gestreckten Gebäude, das etwas weiter hinten im Hang liegt und den Höhenlinien folgend schräg gestellt ist, bilden sie vielgestaltige Freiflächen an einem grünen Mittelgang. Der Clou ist aber der liebevoll gestaltete Kinderspielplatz am östlichen Eingang ins Ensemble. Er liegt geschützt in einer Arena mit blühender Böschung, zwei steingefasste Terrassierungen umrunden ihn und bieten sich als Sitzplätze an, das untere Rund ist breit genug für Fahrkünste aller Art.
Am liebsten hätte der Projektleiter die Rollerrennbahn an der Oberkante der Böschung anlegen lassen, Sicherheit geht vor Abenteuerlust. Der große Gemeinschaftsraum im Erdgeschoß des vordersten Gebäudes hat eine gute Blickbe-ziehung zum Spielplatz. In Verneigung vor der Tradition haben die beiden vorderen Häuser Holzschindelfassaden, wäh-rend das hinten stehende mit einer Fassade aus senkrechten Holzlatten verkleidet ist. Eine weitere Besonderheit dieses dritten Hauses ist die verdeckte Laubengangerschließung an seiner Nordseite. Sie lässt den Gebäudekörper in der städ-tebaulich vorgesehenen Form intakt und leitet Tageslicht in die Wohnungen. Auch die beiden anderen Treppenhäuser haben Tageslicht, in einem Fall hat das Einpassen der Module sogar einen hohen Luftraum entstehen lassen, der sich prächtig für eine Kletterwand eignen würde.
Bürger(innen) der Gemeinde Langenegg waren die ersten, die beim Kauf der Wohnungen zum Zug kommen konnten. Sie durften allerdings weder Eigentümer eines Hauses oder einer Wohnung noch eines Baugrundstückes sein und mussten ihren Hauptwohnsitz an der neuen Adresse nehmen. Sinnvolle Bedingungen, um die Jungen im Dorf zu halten und Spekulation mit den überdurchschnittlichen Wohnungen zum unterdurchschnittlichen Preis aus-zuschließen. Das Ensemble wird in weiteren Schritten komplettiert. Ein Punkthaus soll, wenn man vom Zentrum Langeneggs kommt, den östlichen Auftakt geben. Hinter dem Dreierensemble, oben im Hang, ist eine Zeile von Reihen- oder Doppelhäusern geplant, die durch eine Nebenfahrbahn erschlossen werden.
Daten und Fakten
Objekt: Wohnanlage Leiten – Langenegg
Bauherr: ZIMA Wohn-Baugesellschaft mbH
Architektur: Johannes Kaufmann und Partner, Dornbirn, www.jkundp.at
Statik: merz kley partner, Dornbirn, www.mkp-ing.com
Fachplanung: Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Landschaftsarchitektur: Cukrowicz, Schaffhausen
Planung: 02/2019–02/2021
Ausführung: 04/2021–06/2022
Grundstück: 3436 m²
Nutzfläche: 2085 m² (zzgl. Keller mit Tiefgarage 1649 m²)
Bauweise: Untergeschoß massiv; Obergeschoße Holzmodule geschindelt bzw. mit geschlossener Holzfassade; Satteldach kalt
Ausführende: Baumeister: Berkmann Riefensberg; Zimmerer: Kaufmann Bausysteme, Reuthe; Heizung/Lüftung: Dorfinstallateur, Götzis; Elektro: Kirchmann, Langen bei Bregenz
Energiekennwert: 24,9 kWh/m² im Jahr (HWB)
Kosten: 4 Mio. Euro