Im oberösterreichischen Kremstal schuf das
Dornbirner Büro Berktold Weber Architekten 2019
ein ökologisch und handwerklich optimiertes Haus,
das vielfältige Innen- und Außenraumbezüge gestaltet.
Dabei entfaltet es eine ungewöhnlich poetische Wirkung.

Text: Georg Wilbertz | Fotos: Kurt Hörbst

Dass ein Bauwerk Poesie besitzt, ist leicht behauptet. Die Kategorie des Poetischen dürfte zu den am schwersten greifbaren Eigenschaften von Architektur zählen. Verlässliche Kriterien fehlen, man ist eher auf Gefühl angewiesen, um sich dem Wesen eines Hauses zu nähern.
Am Ende einer unscheinbaren Stichstraße am Ortsrand von Kremsmünster, die von Häusern der 1960er-Jahre geprägt ist, erhebt sich auf einem Hang ein langgestrecktes, hölzernes Einfamilienhaus mit flachem Satteldach. Nicht nur der sensible Bezug zum nahegelegenen Eulenwald lässt beim ersten Hinschauen besondere Qualität erahnen. Zugleich fällt die einfache äußere Form auf: Ein Haus, wie Kinder es zeichnen. Diese Wirkung war vom Bauherrn gewollt und seine Schlichtheit lässt das Haus bescheiden und unaufdringlich wirken. Umso eindrucksvoller zeigen sich die räumlichen Bezüge, sobald man eintritt.

Die Aufteilung des Gebäudes erscheint einfach und klar. Im teilweise in den Hang eingetieften Untergeschoß in Massivbauweise befindet sich neben der Garage ein flexibel nutzbarer Raum. Über eine in die Mitte des Hauses gesetzte Innentreppe gelangt man in das Obergeschoß. Eine zweite, außenliegende Treppe führt von der Garage nach oben. Das massive Untergeschoß und die Treppen verschaffen dem gesamten Bau die in der Hanglage notwendige Stabilität. Alle Räume des Obergeschoßes, das dem Familienleben dient, sind in einer Linie angeordnet. Sie sind von einer gangartigen Raumschicht umgeben, die die notwendigen Verbindungen ermöglicht. Sie dient allerdings nicht nur der Erschließung: Beim Wohnzimmer wird dadurch der Raum großzügig aufgeweitet.

Offene Grundrisse und fließende Räume gehören seit rund 100 Jahren zum Repertoire der Architektur. Vorreiter wie Ludwig Mies van der Rohe propagierten die Idee, dass die Wohnbereiche in einem räumlichen Kontinuum miteinander verbunden sein sollten. Das „Haus am Eulenwald“ zeigt in dieser Hinsicht ungewöhnliche Qualitäten. Unter dem schlichten Satteldach schafft es innerhalb einer zunächst einfach wirkenden Auslegung als Langhaus räumliche und atmosphärische Wirkungen. Philipp Berktold und Helena Weber gestalten auf einfache Weise großzügige Räume.

„Der Entwurf greift die Typologie eines Langhauses auf,
die Raumeinheiten
sind fließend aneinandergereiht.“

Helena Weber
Architektin

Zum auf der Südseite ebenerdig erreichbaren Garten ist dem Obergeschoß eine zweite Raumschicht vorgelagert, die als Übergangszone zwischen außen und innen fungiert. Der so entstehende Außengang wird vom durchlaufenden Satteldach überdeckt. In der Kombination mit den raumhoch verglasten Wohnräumen entsteht eine reizvolle Haus-im-Haus-Situation. Der weite traufseitige Dachüberstand mindert die inzwischen häufig anzutreffende, auf Panoramawirkung hin orientierte raumhohe Durchfensterung und lässt die Auslegung als Satteldachhaus auch von innen her spürbar werden. Das Dach wird auf diese Weise zu einem wichtigen Element der komplexen Raumschichtung.

Trotz der scheinbar klaren Gliederung handelt es sich um ein im Wortsinn vielschichtiges Haus. Seine Komplexität erhält es durch den bewussten Einsatz von Transparenz und Durchblicken. Sie werden einerseits innerhalb des klar umrissenen Gebäudevolumens geschaffen, andererseits ergeben sie sich durch die Bezüge zum Außenraum, zur Umgebung und zur Landschaft. Der Bezug zum Außen spielt eine wesentliche Rolle für die Atmosphäre im Inneren. Die helle, zurückhaltende Materialität und Lichtfülle der Räume unterstreichen dies.

Von wenigen Elementen wie dem Speicherofen abgesehen, wurde das gesamte Haus innen und außen aus hellem Holz errichtet. Dabei wurden die Fähigkeiten des Materials durch Rhythmisierung, Fugenabstände etc. reizvoll ausgespielt. Der Holzbau gestattet es, aus konstruktiv notwendigen Strukturen ästhetische Formen zu erzeugen. In diesem Falle entstehen im Zusammenspiel mit den geschlossenen, halbtransparenten und voll geöffneten Flächen lebendige, grafische Oberflächen und Schichten. Und es wird außerdem deutlich: Eine sorgfältige – oft unterschätzte – Detaillierung und handwerklich perfekte Ausführung sind essenziell für die Gesamtwirkung. Hinsichtlich des Handwerks handelt es sich um einen Vorarlberger Import: Das Material wurde in Vorarlberg vor-gefertigt, ins Kremstal transportiert und dort von Vorarlberger Handwerkern montiert.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Haus am Eulenwald, Kremsmünster
Bauherr Familie T.
Architektur BERKTOLD WEBER Architekten, www.berktold-weber.com
Statik Statik Raffelsberger & Koch ZT GmbH, www.statik-raffelsberger.at
Fachplanung Bauphysik: DI Bernhard Weithas GmbH, Lauterach
Planung 10/2016–9/2017
Ausführung 09/2017–01/2019
Grundstück 1120 m²
Wohnnutzfläche 138 m² (zzgl. 64 m² Keller)
Bauweise Holzelementbau mit Zellulosedämmung, vertikale Weißtannenfassade gehobelt, naturbelassen, Wandtäfer Weißtanne sägerau; Ziegeleindeckung; Fenster Weißtanne geölt, 3-fach Wärmeschutzverglasung; Fußböden Esche geölt; gemauerter Speicherofen, kalkgespachtelt mit integriertem Backofen; Luftwärmepumpe
Ausführung Baumeister: Ettinger Bau, Kremsmünster; Zimmerer und Innenausbau: Kaspar Greber Holz- und Wohnbau, Bezau; Fenster: Böhler Fenster, Wolfurt; Böden: Winetzhammer, Pichl bei Wels; Heizung/Lüftung: Heissinger, Nußbach; Elektro: f&s, St. Marien
Energiekennwert 39 kWh/m² im Jahr (HWB)