Andi Breuss hat an den Verkauf seines Elternhauses bzw. die Neuverbauung
des Grunds eine Reihe von Bedingungen geknüpft.
Entstanden ist ein qualitätsvolles Wohnumfeld mit hervorragenden
Außen- und Zwischenräumen.

Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Stefan Hauer

HYBRIDBAU Die Wohnanlage Kreuzbergstraße ist ein Hybrid aus Holz- und Massivbauweise. Die Außenwände sind aus vorfabrizierten Holzelementen gebaut, die Sockelzonen und Decken aus Beton.
Mit halbierten Ellipsen werden die Erschließungsplattformen aufgebrochen. Ganz oben mit Glas vor Regen und Schnee dicht gemacht. Bäume recken sich zum Licht und können wachsen.

Dort, wo nun die drei würfelförmigen Baukörper der Wohnanlage Kreuzbergstraße im Feldkircher Stadtteil Nofels stehen, stand früher mitten auf einem rund 2400 Quadratmeter großen Grund ein Einfamilienhaus. In diesem ist Andi Breuss aufgewachsen, ein in Wien lebender Architekt mit einem Faible für Lehm. Nachdem er sich zum Verkauf der Liegenschaft entschlossen hatte, war es ihm „absolut nicht egal, was hier entsteht“, bedeute für ihn der „soziale Wert“ des Projekts doch mindestens so viel wie der materielle. So knüpfte er eine Reihe von Bedingungen an den Verkauf des Grundstücks. Die schönen alten Bäume und der Garten sollten möglichst erhalten bleiben, die Quadratmeter und Raumhöhen der Wohnungen großzügiger dimensioniert sein als üblich und die verwendeten Baustoffe im Idealfall ökologisch. Auch die Frage der Maßstäblichkeit in der heterogen hauptsächlich mit Einfamilienhäusern bebauten Gegend im Feldkircher Speckgürtel war Breuss wichtig. Mit der Baugesellschaft A.S.T. fand er einen Bauträger, der sich gern auf dieses „spannende Experiment“ eingelassen hat.

Die drei häuser mit ihren fast quadratischen Grundrissen sind so positioniert, dass möglichst viele der alten Bäume auf dem rund 2400 Quadratmeter großen Grundstück erhalten bleiben konnten.
Statt „normaler“ Stiegenhäuser werden die drei Solitäre durch eine luftig ellipsoid durchbrochene, aus Sichtbeton gebaute gemeinsame Plattform erschlossen, die auch ein Begegnungsort für die Bewohner der 21 Wohnungen sein soll.

Um die Qualität zu halten, wurde auch die komplette Ausführungsplanung dem Architektenteam überlassen, was heutzutage leider immer weniger der Fall ist. Als Planer hat Andi Breuss das Architekturbüro Dietrich/ Untertrifaller Architekten mit den Projektleitern Peter Nussbaumer und Christopher Braun mit an Bord geholt. Gemeinsam loteten sie in einem konstruktiven Prozess die Grenzen aus, die im Geschoßwohnbau möglich sind. Etwa in Sachen Lärmschutz, weshalb die Wohnanlage ein Hybrid aus Holz- und Massivbau geworden ist, bestehend aus drei Baukörpern mit drei Geschoßen und fast würfelförmigen Grundrissen. Die Baukörper stehen relativ eng zusammen, um möglichst wenige Bäume opfern zu müssen, und sind durch eine luftige, kurvig durchpulste, begrünte Erschließungsplattform verbunden, die gleichzeitig auch als Begegnungsraum für die Menschen gedacht ist, die in den 21, 44 – 103m2, Wohnungen leben. Jede hat einen großzügig dimensionierten, weit auskragenden Balkon, der, indem er teilweise in den Baukörper hineingezogen ist, sich hier zur geschützten Loggia mausert. Die in den Erdgeschoßzonen liegenden Wohnungen können sich dagegen über kleine Eigengärten freuen.

Trotz der Dichte, die die neue Wohnanlage in die Einfamilienhausgegend implantiert, bleibt die Maßstäblichkeit gewahrt, auch durch die Platzierung der Baukörper zueinander, die Durchblicke und Wege in alle Richtungen ermöglicht.
„Der soziale Wert des Projekts ist mir mindestens
genauso wichtig wie der materielle.“

Andi Breuss
Architekt

Die Grundrisse sind gut geschnitten, der Wohnraum samt Küche ist groß, die Raumhöhe von 2,60 Metern lässt Luft zum Atmen. Die Fenster sind fast quadratisch und riesig, die abwechselnd links bzw. rechts liegenden Öffnungsflügel bringen Bewegung in die aus Holz gebauten, raffiniert bis ins Untergeschoß mit unterschiedlich breiten bzw. tiefen Holzprofilen vertikal verlatteten, dunkelbraun lasierten Fassaden. Die Fundamente inklusive der Tiefgarage bzw. die Zwischendecken und das – als Unterstützung für die Wärmepumpe – mit Solarzellen bestückte Dach sind dagegen betoniert. Alexandra Lins fühlt sich seit zwei Jahren in ihrer Vierzimmerwohnung in der Kreuzbergstraße so richtig „dahoam“.

Ein Mittelding zwischen Innen- und Außenraum sind die Plattformen, die die drei Häuser verbinden und erschließen. Sichtbeton und braun lasiertes Holz, Rundungen und Ecken, vertikale und horizontale Elemente vermitteln Vielfalt und Lebendigkeit.

Besonders die aus Sichtbeton gebauten, von großen Öffnungen in der Form halbierter Ellipsen durchpulsten Erschließungsplattformen haben sie von Anfang an fasziniert. Als raffinierter Puffer zwischen innen und außen, der besonders von den Kindern auch als Ort zum Spielen genutzt wird. Hier versuchen kleine Bäumchen dem gläsernen Dach entgegenzuwachsen, ergeben sich reizvolle Aus- und Durchblicke in sämtliche Richtungen. Diese mit hellen Steinplatten belegten, von zarten Staketengeländern begrenzten Erschließungsplattformen ersetzen „normale“ Stiegenhäuser. Was der Kubatur der drei Solitäre gut tut und dafür sorgt, dass die Maßstäblicheit im Kontext mit der bebauten Umgebung einigermaßen gewahrt bleibt, um trotzdem eine sinnvolle Verdichtung von rarem Wohnraum möglich zu machen. Und den Nachbarn die gewohnten Blicke nicht allzu sehr verstellt, was Andi Breuss sehr wichtig ist und das nicht nur, weil er mit einigen von ihnen verwandt ist.

Freut sich über das Gelingen des spannenden Experiments: Christopher Braun, Projektleiter der Arge Dietrich/Untertrifaller Architekten und Andi Breuss.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Wohnanlage Kreuzbergstraße, Feldkirch

Bauherr A.S.T. Baugesellschaft mbh

Architektur Dietrich | Untertrifaller mit Andi Breuss

Statik Norbert Gsteu, Feldkirch

Fachplanung Thomas Schwarz, Frastanz (Bauphysik); Markus Stolz, Feldkirch (HLS);

Planung 2015 – 2016

Ausführung 2017 – 2018

Grundstücksgröße 2400m²

Wohnnutzfläche 1390m²

Untergeschoß 1070m² brutto

Ausführung: A.S.T. Baugesellschaft, Feldkirch (Baumeister); HTB Baugesellschaft, Arzl im Pitztal (Fassade, Zimmermannsarbeiten); Tischlerei Tiefenthaler, Ludesch (Fenster, Wohnungstüren); Zech, Götzis (Sonnenschutz); Bau- und Kustschlosserei Gruber, Raggal (Geländer); Schindler, Dornbirn (Lift)

Technische Daten 34 kWh/m²a