Das Haus mit dem gelben Kratzputz in Göfis hat viel Geschichte.
Die Urgroßeltern des Bauherrn hatten es 1935 errichtet. Um für die Familie
des Urenkels neuen Wohnraum zu schaffen, baute Architektin Catharina Fineder
den Dachraum aus und den angrenzenden Stadel um.
Die Kubatur des Hauses blieb unverändert – und das Ortsgefüge ungestört. So geht Nachverdichtung!

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer

1935 hatten die Urgroßeltern des Bauherrn in Göfis ein sympathisches, grundsolides Haus gebaut: Aus Ziegeln gemauert, wendet es seine Stirnseite dem Vorgarten im Südwesten zu, im Südosten lugt frech ein Kreuzgiebel aus dem Satteldach, an der Rückseite war ein Stadel angebaut. Längst ist um das Gebäude herum ein prachtvoller Naturgarten voll alter Bäume, Wiesenblumen, Kräuter, Beeren und Beeten gediehen. Der Vater des Bauherrn pflegt diesen Garten ebenso liebevoll wie das Haus. Seine Fassaden sind mit originalgetreuem, gelbem, strukturierten Grobputz verputzt, das Innere wurde kontinuierlich zu einem verwinkelten Raumgefüge für verschiedene Familienmitglieder um- und ausgebaut. „Wir haben weiter, weiter, weiter geflickt“, erzählt der Vater des Bauherrn. In den 1960ern zog man ein Halbgeschoß ein, in den 1970ern verkleidete man die Rückwand des Holzstadels mit Eternit und baute das Dach halbprovisorisch aus. Zwei Eingänge, eine gewendelte Stiege und eine doppelläufige Treppe in der Hausmitte erschließen viele Sphären: Die Eltern des Bauherrn bewohnen den ursprünglichen Hausteil, außerdem gibt es die Werkstatt, die Ferienwohnung des Bruders und das Büro im ersten Stock.

Als der Bauherr mit Frau und zwei Kindern nach Göfis zurückzog, war klar: Die Familie braucht Raum.
Architektin Catharina Fineder beließ den Kernbestand, der passabel gedämmt war, weitgehend unverändert. Er blieb während der ganzen Bauzeit bewohnt. Einzig die interne Erschließung wurde von der Architektin vereinfacht und geklärt. Sie plante die zweiläufige Treppe in der Mitte etwas um und eine neue Stiege ein, über die man nun direkt auf den Dachboden gelangt. Diese wertvolle Raumreserve baute sie mit viel Feingefühl gekonnt aus – ohne dass sich die Kubatur des Hauses ändert.
„Für mich war Nachhaltigkeit ganz wichtig, und dass man das Alte mit dem Modernen kombiniert“, sagt Bauherrin Tanja. Die alten, selbst gemauerten Wände wurden mit einer neuen, gedämmten Fassade aus braun lasiertem Fichtenholz verkleidet. Vertikale Latten strukturieren die Fläche mit dem großen dreieckigen Fenster unter dem Giebel, die Geschoße darunter haben horizontale Lattung. Der Farbton ist mit dem Großvater abgestimmt: Er achtete darauf, dass er mit dem gelben Kratzputz am Bestand
harmonierte.

„Ich mache meist drei Varianten. Die erste ist so,
wie die Bauherren es mir sagen. Die zweite ist so,
wie ich ihren Vorschlag besser fände
und die dritte ist die Lösung, die ich wählen würde.“

Catharina Fineder
Architektin

Atmosphärisch im totalen Gegensatz zu der Veranda, die dem bis ins 17. Jahrhundert zurückgehenden, immer wieder um- bzw. weitergebauten Baukörper Der Holzdachstuhl aus dem Jahr 1935 blieb bewahrt, soweit es ging. Prägt er doch die Atmosphäre des Dachraums ganz wesentlich. „Diese Balken sind fast 100 Jahre alt.“ Catharina Fineder wollte möglichst viel von der faszinierenden Konstruktion erhalten. Der Statiker prüfte sie genau. Einige Balken waren verdreht, der Firstbalken nicht mehr ausreichend tragfähig. Er wurde durch einen neuen Leimholzbinder ersetzt, andere erneuerte man mit altem Holz, damit sie sich gut einfügen. Sehr wesentlich war, Licht in den finsteren Raum zu bringen. Nun gibt es im Nordwesten drei große Dachflächenfenster, eine dreieckige Fensteröffnung unterm Giebel und ist im Südosten eine Terrasse eingeschnitten. Darüber liegen Solarpaneele am Dach. Den ganzen Tag strömt Sonne herein und die Raumhöhe bis zum First kommt ganz wunderbar zur Geltung.

Der anthrazitgrau gefärbte Betonestrich am Boden bildet einen reizvollen Kontrast zur alten Konstruktion. „Ich mache meist drei Varianten“, so Fineder über den Planungsprozess. „Die erste ist so, wie die Bauherren es mir sagen. Die zweite ist so, wie ich ihren Vorschlag besser fände und die dritte ist die Lösung, die ich wählen würde.“ Im Prinzip blieb der Dachraum ungeteilt: 86 m2 fließender, 4,80 m hoher Raum zum Familienleben. „Es war gar nicht so leicht, die Räume unter den Kreuzgiebel einzupassen“, sagt Fineder. „Das Bestandsaufmaß war eine harte Geschichte.“ Die Mühe lohnte sich. Hier herrscht Loft-Gefühl. Einzig eine schräge Wand gibt den Küchenschränken unter dem Kreuzgiebel die Richtung zum Herdblock vor. Sonst: ein großer Esstisch, eine Sitzecke, ein Kamin – und viel Platz. „Es ist so ein herrlicher, weiter Lebensraum, die Kinder düsen hier mit ihren Autos herum, wir können am Boden gemeinsam Puzzle bauen – trotzdem gibt es genug Rückzugsnischen“, schwärmt Tanja. Eine schicke, leichte Stahltreppe verbindet das Wohnloft mit der Galerie der Mädchen, im Geschoß darunter sind die Räume der Eltern. In ihre Brüstung wurden Schnüre als filigrane Absturzsicherung eingezogen. Sie war eine konstruktive Herausforderung, die ein verwandter Schlosser souverän meisterte. So geht Nachverdichtung.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Umbau Haus S, Göfis

Architektur Catharina Fineder Architektur, Feldkirch
www.catharinafineder.com

Statik Ingo Gehrer, Höchst

Fachplanung Energieberatung: Johannes Schüssling, Wolfurt; Baustellenkoordination: Kurt Gau, Feldkirch

Planung 05/2017 – 08/2018

Ausführung 08/2018 – 08/2019

Grundstücksgröße 1132 m²

Nutzfläche 384 m²

Bauweise: Bestand Haupthaus (Ziegel massiv); Holz-schuppen im Bestand ausgemauert, neu gedämmt und geschalt; neue Vollholzdecken; dreifach verglaste Holz-Alu-Fenster und Dachfenster; Heizung: Luftwärme-pumpe und Stückholzheizung (Bestand)
Ausführung Baumeister: Mahster, Sulzberg; Zimmerer: Marte, Rankweil; Fenster+Türen: Stuchly, Thüringen; Heizung, Sanitär: Fässler, Feldkirch; Elektro: Kollman, Rankweil; Spengler: Entner, Rankweil; Verputz: Kratzer, Röthis; Schlosser: Werkraum, Göfis; Estrich: Ebner, Lustenau; Küche: Ender, Hohenems; Parkett: Benjamin Krismer, Fügen; Fliesen, Ofen: Willi Matt, Batschuns; Sonnenschutz: Stampfl, Göfis

Energiekennwert 50,8 kWh/m² Jahr (HWB)