Weit entfernt von der Stätte ihres kreativen Wirkens, im Osten Österreichs,
verwirklichten Berktold Weber Architekten einen Kindergarten, der bei genauer
Betrachtung viel über die lange Vorarlberger Erfahrung im Umgang mit Holz verrät.

Autorin: Karin Tschavgova | Fotos: Paul Ott

Es gibt Häuser und Räume, in denen man sich von Anfang an gut aufgehoben und geborgen fühlt, ohne sich bewusst zu sein, was diese Empfindung auslöst. Natürlich wissen wir es längst: Holz und hochwertig veredelte Oberflächen vermögen unmittelbar, eine Atmosphäre des Wohlfühlens zu schaffen. Der Kindergarten mit Krippe, den die in Dornbirn mit ihrem Architekturbüro ansässigen Helena Weber und Philipp Berktold im steirischen Lannach bauen durften, könnte beispielhaft für einen solchen Ort stehen. Nach dem gelungenen Neubau des Gemeindeamts und der verstärkten Nachfrage nach Kindergarten- und erstmals Krippenplätzen schrieb die Gemeinde bei Graz 2017 einen geladenen Wett-bewerb aus. Das Büro Berktold Weber, das in Lustenau schon einen Kindergarten fertigstellte und in Graz die ausgezeichnete Volksschule Maria Grün mitverantwortet, gewinnt. Das Gebäude liegt am Rand einer großen, leicht abschüssigen Wiese im luftigen Erholungsbereich der nahe liegenden Volksschule und eines bestehenden Kindergartens. Die Nähe war erwünscht, auch wenn der Zugang zum neuen Kinderhaus über eine tieferliegende Zufahrt erfolgen sollte.

Holz als Material, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit waren Wünsche der Gemeinde. Veränderungen des Geländes wurden vermieden, die erdberührenden Teile sind aus Beton und bilden eine Art Sockel, der von der Zugangsseite her erkennbar ist. Die Hauptebene liegt darüber an der großen Wiese. Ihre Außenwände sind hochwärmegedämmte Holzrahmen mit Stahlstützen als Verstärkung, die eine Betondecke tragen müssen. Damit könnte später kostengünstig erweitert werden. Das ist klug gedacht, denn der Speckgürtel rund um Graz wird gerade jetzt, in der Pandemie, zum stark nachgefragten Lebensmittelpunkt. Auf die bestehenden Gruppen des Kindergartens können bei laufendem Betrieb zwei weitere Einheiten aufgesetzt werden. In der derzeitigen Ausbaustufe sind die Räume des Kindergartens und der Krippe auf einer Ebene L-förmig um einen Spielhof angegliedert. Er wirkt wie ein geschützter Innenhof, weil er seine Grenzen zur großen Wiese durch zarte Steher und ein umlaufendes Band aus Holz andeutet.

„Wir wollten Lebensräume für die  Kinder schaffen,
in denen sie sich geborgen fühlen und auch entfalten können.““

Helena Weber, Philipp Berktold
Architektin und Architekt

Unter der Hauptebene befindet sich witterungsgeschützt der Eingang. Alle Kinder, auch die kleinsten, gelangen über eine breite Treppe ins Hauptgeschoß zu ihrem Garderobenplatz, in „Normalzeiten“ begleitet durch die Eltern. Schon dieser Zugang ist von einer Großzügigkeit, die gleichermaßen verblüfft wie überzeugt. Der Zugang sollte kein schmaler Gang, sondern eine offene Kreativzone für vielfältige Aktivitäten werden. Platzartige, helle Bereiche mit Sitzbänken wechseln mit intimer wirkenden ab. Auch in den Gruppenräumen ist sowohl Gruppenspiel, das Zuschauen vom Rand aus, wie auch individueller Rückzug möglich. Für die Kleinsten – 16 Kinder können in die Krippe aufgenommen werden – gibt es einen Aufenthaltsraum mit Spielecken und einer Kletterlandschaft, an den sich ein Schlaf- oder Ruheraum reiht. Abgeschlossene Räume der Gruppen wechseln mit offenen wie dem Essbereich, der als für alle zugängliche Zone mit Blick in den Garten geplant wurde. Schön, dass die Architektin und der Architekt es geschafft haben, mit ihren Ideen für eine passgenaue Möblierung zu überzeugen. Das große, multifunktionale Einbaumöbel mit Galerie in den Gruppenräumen, die kleinen dreidimensionalen Landschaften zum Klettern und nahezu alle Möbel tragen ihre Handschrift.

Was dadurch entstehen konnte, ist ein atmosphärisches Ganzes: freundlich-helle Räume zum Wohlfühlen, eingebettet in Weißtanne an den Wänden, in eine schallabsorbierende Holzakustikdecke und ein dezentes Farbkonzept für Raumteiler und Regalflächen. Der Gesamteindruck: Es bedarf hoher Kunstfertigkeit, jedes noch so kleine Detail mit großem Können und Wissen um seine Wirkung zu planen und dabei nicht das Ganze aus dem Blick zu verlieren. Großzügigkeit und spürbare Wertschätzung nicht nur für das Material Holz, sondern auch für die Arbeit der Pädagoginnen, prägen die Atmosphäre in diesem Gebäude.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai nach den Covid-19-Maßnahmen wieder monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Kindergarten und Kinderkrippe Lannach
Bauherr Marktgemeinde Lannach (Steiermark)
Architektur Berktold Weber Architekten, Dornbirn, www.berktold-weber.com
Statik gbd ZT, Dornbirn, www.gbd.at
Fachplanung Bauphysik: Vatter&Partner ZT, Gleisdorf; Elektro: Kouba, Stainz; Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär: Reiterer & Scherling, Lannach; Außenanlagen: Monsberger, Graz; Bauaufsicht: Maitz+Partner, Lannach
Planung 10/2017–09/2018
Ausführung 09/2018–09/2019
Grundstücksgröße 2689 m²
Geschoßfläche 1363 m²
Bauweise Holzmischbauweise; Fassade: grau lasierte Tanne; Kautschuk- und Eschenholzböden; Innenwände mit Täfer verkleidet
Energiekennwert 41 kWh/m² im Jahr (HWB)
Fotonachweis: paul ott fotografiert