Das jüdische Viertel in Hohenems mauserte sich die letzten 15 Jahre zum urbanistischen Kleinod. Das Haus in der dortigen Mondscheingasse 8 war ein Sanierungsfall. Die Baufirma Grabher machte es zu ihrem Referenzprojekt im Umgang mit Bestand, die Planung übernahm die Architekturwerkstatt Dworzak-Grabher. Das Resultat kann sich sehen lassen. Zu ebener Erde zog eine Vinothek ein, im ersten und zweiten Stock hat Grabher sein neues Büro, im ausgebauten Dachgeschoß wird gewohnt.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel

Gleich gegenüber dem Platz mit dem schönen, alten Baum vor dem Salomon-Sulzer-Saal in der einstigen Synagoge: Viel zentraler als auf dieser Begegnungszone kann die Lage im revitalisierten jüdischen Viertel von Hohenems nicht sein. Das Hirschfeldhaus steht an der Kreuzung von Schweizer Straße und Mondscheingasse, parallel zu ersterer verläuft die Marktstraße. Mit deren Verkehrsberuhigung begann 2010 die wundersame Verwandlung eines desolaten Viertels zu einem urbanen Schmuckstück erster Güte. Damals hatte der Hohenemser Entwickler Markus Schadenbauer die Revitalisierung initiiert und Politik, Verwaltung und eine engagierte Einwohner- und Architektenschaft dafür gewonnen.

Zwischen Marktgasse und Schweizergasse blieb früher ein Grundstreifen unbebaut. An ersterer stehen die Häuser Schulter an Schulter, dort verlief das christliche Straßendorf, entlang der Schweizer Straße das jüdische Haufendorf. „Jahrhundertelang hat sich dieser gesellschaftliche Filter des Niemandslandes bewährt“, sagt Hugo Dworzak von der Architekturwerkstatt Dworzak-Grabher, die das denkmalgeschützte Hirschfeldhaus für und mit „Grabher, Der Baumeister“ sanierten. Das Unternehmen wurde 1932 von Baumeister Gebhard Grabher gegründet und im Jahr 2016 von der Lauteracher Hefel Immobiliengruppe übernommen. Seit jeher legt Grabher, der Baumeister den Fokus auf hohe Ausführungsqualität mit architektonischem Anspruch. Diese Sanierung ist für die Firma ein Referenzprojekt, hier eröffnete sie ihren neuen Unternehmenssitz. Pünktlich zum 90-Jahr-Jubiläum.

„Dieses Haus ist ein Lehrmeister für intelligentes Bauen. Seine Sanierung erforderte viel Sorgfalt. Ohne den Bauleiter Thomas Schwiegelsohn wäre es nie so schön geworden.“

Architekt Hugo Dworzak
Architekturwerkstatt Dworzak und Grabher

Das Haus war sehr desolat. „Es gab viele Verwindungen, es hat keinen Keller und war längst nicht mehr im Lot. Ganze 15 cm ragte sein Giebel über den Platz“, so Dworzak. Es ist aus Naturstein und Holz für Jahrhunderte gebaut. Das massive Natursteinmauerwerk im Erdgeschoß ist 80 cm dick, der Grundriss so funktional, dass man daran nichts ändern musste. Die zweiflügelige Eingangstür liegt zwischen zwei Wandpfeilern in der Mitte, in derselben Flucht befindet sich das rückwärtige Stiegenhaus zwischen den zwei tragenden Längsmauern, auf denen die hölzernen Deckenbalken aufliegen. „Dieses Haus ist ein Lehrmeister für intelligentes Bauen“, sagt Dworzak. „Bei den erdberührenden Bauteilen verwendete man nur Granit, nach oben hin wird die Konstruktion immer leichter.“

Das erste Obergeschoß ist eine Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Holz, die mit Naturstein ausgefacht ist, zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde aufgestockt, dort fachte man mit Strohballen und Lehm aus, ein Kehlbalkendach aus Holz schließt das Haus ab. „Alle Geschoße waren genutzt“, sagt Dworzak. „Die Holzbalken sind alle erhalten, sie wurden nicht feucht. Das Haus konnte atmen.“ Das Bundesdenkmalamt achtete darauf, dass die Proportionen der neuen Fenster mit den Isolierglasscheiben, ihren Sprossen und Läden dem Original entsprachen. Grabher fertigte eigens ein Probeexemplar an. Das Natursteinmauerwerk im Erdgeschoß wurde sorgfältig saniert, sandgestrahlt, nachgebessert und ergänzt, teils setzte man Bimsstein ein, der Feuchtigkeit gut aufnimmt und dann erst langsam abgibt. Kontrollierte Be- und Entlüftung brauchte es trotzdem. Die Vinothek profitiert von beidem: dem guten Klima und der Atmosphäre der jahrhundertealten Steine.

Alle Holzbalkendecken wurden verstärkt, alle Böden erneuert. Das Fußbodenniveau neigte sich von einem bis zum anderen Eck um fast 30 cm. „Für den Bodenleger war das Handarbeit pur“, so Dworzak. Auch der Zimmermann hatte viel zu tun. „Man wusste nie, wie schief etwas ist und wohin es sich neigt. Jedes Fenster ist eine Einzelanfertigung. Da braucht es Handwerker, die der Sache gewachsen und sehr lösungsorientiert sind.“ Der zentrale Erschließungs- und Sanitärkern ist neu, die Stahlkonstruktion der Stiege musste durch das Dach eingehoben werden. Das alte Fachwerk mauerwerk, die originalen Holztürstöcke und Wandnischen des Bestands machen die Büros zu etwas Besonderem, in der dortigen Musterwohnung kann man viele Detaillösungen studieren. Unter der hölzernen Dachkonstruktion nistete sich ganz oben eine Wohnung ein. Die Zukunft des Bauens liegt in der Sanierung. Projekte wie diese sind wichtig. Umso mehr, wenn die gemischte Nutzung so gut klappt.

Daten und Fakten

Objekt: Hirschfeldhaus, Mondscheingasse 8, Hohenems

Bauherr: Grabher, Der Baumeister GmbH, Hohenems,Bauleiter: Thomas Schwiegelshon

Architektur: Architekturwerkstatt Dworzak – Grabher, Lustenau; www.dworzak-grabher.at

Statik: Mader Flatz Schett ZT GmbH, Bregenz, www.mfs-zt.at

Fachplanung: Bauphysik: Ingenieurbüro Ellensohn, Dornbirn; Bauphysik Holzwirtschaft: DI Erich Reiner Ingenieurbüro, Bezau; Elektro: Elektro Obwegeser, Hohenems; Haustechnik: Gebrüder Amann Installa-tionen GmbH, Götzis;

Planung: 08/2019–10/2022

Ausführung: 10/2020–10/2022

Grundstück: 502 m²

Ausführende: Verputz: Grabher, Der Baumeister, Hohenems; Zimmerer: Holzbau Mayer, Götzis; Spengler/Dachdecker: Tectum, Hohenems; Rammsondierung: Nägele Hoch- und Tiefbau, Röthis; Grundbau/Unterfangung: Keller Grundbau, Dorn-birn; Pfosten-Riegel-Konstruktion: FEAL, Wolfurt; Schlosser: Schlosserei Kalb, Dornbirn; Fenster: Fensterbau Anton Metzler, Hohenems; u. a.