Nachverdichtung mit Maß, Sinn und Stil. In Weiler bewohnt eine
Bauherrenfamilie mit Bedacht und Gefühl ein Ensemble aus einstigem Wirtschaftsgebäude, Dreschplatz und Tenne.
Marte.Marte Architekten integrierten hier einen schlichten, dreigeschoßigen Holzquader mit Stiegenturm in den Bestand. 

Autor: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer, Angela Lamprecht

Leben ist Veränderung, der souveräne Umgang damit eine Spezialität der Bauherrin. „Ich habe eine sehr offene Lebenshaltung und Perspektiven zu ändern sichert eine gewisse, energiegeladene Lebensspannung.“ Seit Generationen lebt die Familie in einem Gebäudeensemble, das sich kontinuierlich mit deren Bedürfnissen wandelt. Umgeben von alten Bäumen liegt die einstige Landwirtschaft abgerückt von der Hauptstraße an der sogenannten „Ratz“, dem Dorfbach von Weiler.

„Das ist ein Kraft- und Kommunikationsplatz. Hier trafen sich früher die Bauern, um Korn zu dreschen. Dieses über zweihundert Jahre alte Haus symbolisiert die Wurzeln unserer Familie“, erzählt die Bauherrin. Am Ende ihres Studiums und am Beginn ihrer Karriere bauten die Architektenbrüder Marte.Marte vor etwa 30 Jahren im Nordosten ein modernes Haus für die damalige Jungfamilie an. Das bachseitig angrenzende Dach über dem Dreschplatz blieb erhalten. „Es war eine spannende Bauaufgabe, wir haben direkt an das Dreschdach angebaut,“ erinnert sich Bernhard Marte. Der gedeckte Freiraum war ideal für „Familienfäschtle“, wie die Bauherrin sagt, Treffpunkt der Jugend und Spielplatz für die Kinder. Längst erwachsen, gründeten diese die BROSI KG. Unternehmenssitz ist das alte Haupthaus. Als Visions- und Projektentwickler will BROSI besondere Architekturqualität umsetzen. Beste Voraussetzung für das Refugium der Bauherrin. Mit den Brüdern Marte ist sie schon lang befreundet. „Die wissen, wie ich ticke.“ Deren puristische Architektur ist ein Ausgleich zu ihrem lebhaften Wesen – auch der familiäre Bauplatz passt zu ihr. Marte.Marte setzten einen kompakten Quader aus Holz so dezent wie souverän zwischen die Bäume an den Weg im Westen. Dort kann man zufahren und parken.

„Eine besondere Herausforderung war, dem Wunsch nach dem Eigenen in einem Haus mit drei Wohnungen nachzukommen. Es war also wichtig, der Bauherrin das Gefühl des Alleinseins zu ermöglichen“

Bernhard Marte
Architekt

Der Carport und das holzverkleidete Stiegenhaus aus Sichtbeton sind zum skulpturalen Baukörper aus liegendem Riegel und Turm zusammengesetzt. Dieser schützt vor Einsicht, bündelt die Erschließung und spielt den Grundriss frei: Die Wohnfläche konzentriert sich auf ein Quadrat von etwa neun Metern Länge. Genug, um bei klugem Raumzuschnitt mit Vollverglasung nach zwei Himmelsrichtungen als Single oder Paar komfortabel zu leben.

Grund und Boden sind rar, daher wurden drei Ebenen übereinandergestapelt. Das ergibt einen Quader, der sich – Holzverkleidung und Volumen sei Dank – gut in den Bestand fügt. Die ausgewogene Geometrie ermöglicht auch, einzelne Einheiten unterschiedlich zu orientieren. „Uns war wichtig, den Baukörper stimmig in die ländliche Struktur zu setzen,“ sagt Bernhard Marte. „Dem Wunsch nach dem Eigenen in einem Haus mit drei Wohnungen nachzukommen, war eine Herausforderung. Wir mussten der Bauherrin das Gefühl des Alleinseins ermöglichen.“ Marte.Marte lösten das mit separaten Zugängen. Die Wohnung der Bauherrin ist Nord-Süd orientiert, man betritt sie vom Garten aus. Die darüber liegenden werden vom Stiegenhaus erschlossen und sind West-Ost ausgerichtet. Alle den Wohnküchen zugeordneten Freiräume wurden wie Loggien in das Gebäudevolumen eingeschnitten. Das wahrt die Privatsphäre und die geschlossene Form.

Die Bauherrin lebt nun barrierefrei im Erdgeschoß mit Panoramablick und Direktzugang in den Garten. „Ich wollte die Südseite alleine für mich haben,“ gesteht sie. Ihr „Loft-artiges“ Domizil ist sehr offen. Der Stiegenturm ragt etwas vor, ihr Freibereich ist in die Wohnküche eingestülpt und von der Außenwand im Osten eingefasst. So kann sie ihre sonnige Transparenz ungestört leben. „Das geht nur, weil ich allein bin.“ Die Wohnung ist lichtdurchflutet, hell und sehr warm eingerichtet. Das Interior-Design stammt von Sabrina Summer, Innenarchitektin und Freundin der Familie. Am Boden massive Weißtanne, vom Eingang im Norden bis zum Esstisch am Panoramaglas im Süden gleitet eine schlichte, graue, weitgehend oberschranklose Küche die ganze westliche Wandscheibe entlang. Das wärmende Zentrum des Raumes bildet ein Lehmofen. „Das erdet mich.“ Außerdem finden sich überall Möbel in kräftigem Orange: eine leichtgewichtige, orange Sitzbank, die man gut bewegen kann, ein Stehtisch mit orangem Gestell, eine Bank mit oranger Polsterung. Und das Schlafzimmer der Lady. Hier schließen wir behutsam die Tür ins Private, die es im offenen Loft nicht braucht.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen (jetzt wieder geöffnet) und Veranstaltungen bietet das vai monatlich Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Lady Tower, Weiler
Bauherr Brosi
Architekten Marte.Marte Architekten, Feldkirch
www.marte-marte.com
architekten@marte-marte.com
Statik Hämmerle Huster Statik-Ziviltechnik
Fachplaner HLS–Planung Dorf-Gebäudetechnik, Wolfurt,
Elektroplanung Pro Strom Elektrotechnik, Lauterach, Lichtplanung – Brandschutz – Energiekonzept –
Bau- und Raumakustik – Thermische Bauphysik
Planung Planungsbeginn: Herbst 2016
Baubeginn: Frühjahr 2017
Bezug: Winter 2017
Grundstücksgröße 214 m²
Konstruktion Außenwand: U-Wert 0,14 W/m2K
Dach: U-Wert 0,12 W/m2K
Ausführung BM: oa.sys baut, Alberschwende;
Dachabdichtung: Mathis Spenglerei, Altach;
Heizung: Dorf-Gebäude technik, Wolfurt;
Sanitär: Gebrüder Tagwercher, Feldkirch;
Elektro/Gebäudetechnik: Elektro Bösch Pro Strom, Lauterach
Energiekennwert 38 kWh/m²a