Ein Haus wirft sich in Schale
Diese Fassade hat ein Eigenleben. „Raumband“ nennt Architekt Hoffenscher
das markante, dreidimensionale Stahlfachwerk, das sich eigenwillig
um den Kern des Hauses faltet. Dessen Inneres punktet mit Vielfalt: Ein fünf Meter hoher Luftraum
mit einer querenden Brücke adelt den Esstisch zur familiären Kommunikationszentrale,
vor dem Wohnbereich stülpt sich die Fassade zum spektakulären Vordach aus, das die Terrasse beschattet.
Die Außentreppe ist eine perfekte Bühne für große Auftritte und Feste..
Text: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer
Der Bauherr arbeitet in der Filmbranche und ist großen Gesten nicht abgeneigt. Im Dornbirner Stadtteil Rohrbach lag ein Grundstück in Familienbesitz seit Jahrzehnten unbebaut brach. Nun war die Zeit für die Familie reif, dort Wurzeln zu schlagen. Fehlte nur noch das Haus. Das durfte schon besonders sein. Architekt Marc Hoffenscher warf sich ins Zeug und brachte ein Modell mit. Wie ein Zauberer zog er es unter einem schwarzen Tuch hervor. Ein emotionaler Moment. Das Haus war sehr skulptural, funktionierte wie eine Landschaft, bot viele interessante Freiräume und verbrauchte wenig Grundfläche. Der Bauherr war begeistert. Wenn ein Architekt mit so viel Freude an ein Projekt heranging, konnte es nur gut werden.
Das Haus hat eine sehr außergewöhnliche Fassade. Ihre schrägen Flächen bilden ein eigenes Raumtragwerk aus, zwischen dem hin und wieder ein stählerner Fachwerksträger vorblitzt. In diesem Hybrid aus Maschine und Felsmassiv steckt das eigentliche Wohnhaus: Eine zweistöckige Kiste aus Stahlbeton mit einem rechteckigen Grundriss von etwa 8 mal 22 Metern, die es in sich hat. Zwischen Küche und Wohnzimmer inszeniert ein fünf Meter hoher Luftraum den Essbereich als kommunikatives Epizentrum dieses geselligen, gastfreundlichen Hauses. Auch die Möbel erzählen Geschichten: Die gemusterten Stoffe der sieben zylinderförmigen Lampenschirme über dem Esstisch hat die Mutter des Bauherrn designt, die Thonetstühle stammen aus dem Gasthaus des Urgroßvaters. Eine gewendelte Stahlstiege an der Rückwand führt auf den Steg, der im ersten Stock den Luftraum zwischen Elternschlaf- und Kinderzimmern quert. Hier überblickt man wie auf einer Reling die familiäre Szenerie.
„Die Bauherrenfamilie lädt gern viele Menschen ein. Dieses Haus hat einen sehr bühnenartigen Aufbau, es eignet sich wunderbar für Feste“, sagt Hoffenscher. Als „Raumband“ bezeichnet er die raumbildende Struktur, die sich gleichermaßen autonom um den Kern des Hauses wickelt, dabei schattige Zwischenräume und eine eigenwillige Geometrie ausbildet. Ihre Stahlkonstruktion wurde in acht Teilen auf den Betonbau gesetzt. Sie ist mit gefalteten Streifen aus voroxidiertem Zink verkleidet. Das wirkt aus der Ferne wie verkohltes Holz, ist aber transluzent. So dringt Licht herein und sieht man auch dort, wo die schräge Fassade vor den Fenstern verläuft, hinaus.
„Der Bauherr und die Bauherrin laden gern viele Menschen ein.
Dieses Haus hat einen sehr bühnenartigen Aufbau,
es eignet sich wunderbar für Events.
Er hatte so eine Freude mit dem Projekt,
das konnte nur gut werden.“
Marc Hoffenscher
Architekt
Der Straße wendet das Haus die Garage zu, die am schmalen östlichen Ende den Auftakt zum Wohnen bildet. Hier parkt auch der hellblaue Oldtimer der Oma, dem der Bauherr bereits vor zehn Jahren einen Elektromotor einbauen ließ. Über eine Schmutzschleuse kommt man trockenen Fußes in die Garderobe. Von dort reihen sich Kochen, Essen und Wohnen entlang der südlichen Sonnenseite am Garten aneinander. Vor dem Essbereich unter dem fünf Meter hohen Luftraum, der fließend in den 2,5 Meter hohen Wohnbereich übergeht, stülpt sich eine mächtige Konstruktion im ersten Stock acht Meter weit aus der Fassade. Diese offene, trapezförmige Struktur spendet Schatten und kann auch mit einer Plane geschlossen werden. Künftig will man noch Vorhänge anbringen, sodass man den darunterliegenden Freiraum auf der Terrasse partiell oder ganz abschließen kann. Eine Möglichkeit mehr, unterschiedliche Raumsituationen zu schaffen. Die Familie sitzt auch im Hochsommer oft draußen, zum Frühstücken eignet sich die Terrasse am Garagendach, die nach Norden und Osten ausgerichtet ist.
Dieses Haus ist wie eine gigantische Bühne, man kann es auf unterschiedliche Weise betreten, immer ergeben sich neue Blicke und überraschende Konstella-tionen. Neben dem Eingang führt draußen parallel zur Südfassade eine große Freitreppe auf das Garagendach. Das Raumband beginnt mit dem Antritt dieser Treppe, folgt ihr aufwärts und windet sich dann um Terrasse und Garage. Der Sohn nutzt sie gern als alternativen Eingang in sein Zimmer im ersten Stock. Bei Bedarf kann man es mit dem benachbarten Büro der Mama, dem zweiten Kinderzimmer und -bad als eigene Wohneinheit abtrennen. „Diese Stiege lässt sich echt gut bespielen. Man kann mit der Sonne raufwandern, sie eignet sich für Freiluftpartys und Gruppenbilder“, sagt der Bauherr. Als dann drei Jahre nach der Firstfeier auch Garten und Pool fertig waren, lud er die Handwerker aller Gewerke zur Poolparty ein.
Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at
Daten und Fakten
Objekt Einfamilienhaus Raumband
Architektur Hoffenscher ZT GmbH, www.hoffenscher.com
Statik gbd ZT GmbH, Dornbirn, gbd.group
Fachplanung Elektro: Jürgen Bösch, Dornbirn, Landschaft: Judith Sperger
Planung 05/2015–03/2016
Ausführung 08/2016–12/2017
Grundstück 758 m²
Wohnnutzfläche 190 m²
Keller 45 m²
Bauweise Syspro-Fertigteilwände mit hinterlüfteter Zinkfassade, Innenwände teilweise verputzt, Luft-Wärmepumpe, Fußbodenheizung, Kachelofen im Erdgeschoß, Dreischeibenverglasung
Ausführung i+R, Lauterach, Fenster: Metzler, Hohenems; Innenausbau: Valentin Winder, Alberschwende; Fließen: sTile, Dornbirn; Installateur: Stolz, Bregenz; Elektro: Jürgen Bösch, Schwarzach, Pool: Soltech, Lustenau