Das Wolfurter Architektenbüro querschnitt hat
das historische „Schwöschtorohus“ für die Nutzung
durch eine Kleinkindbetreuung weiter transformiert.
Das über 300 Jahre alte Bauernhaus hat schon viele Nutzungen erlebt.
So schön wie diese, waren vermutlich nur wenige.

Text: Verena Konrad | Fotos: Carmen Graber und Philipp Salzgeber

Das Hauptgebäude des „Schwöschtorohus“ in Wolfurt hat eine lange Geschichte. Es wurde vor über 300 Jahren als Bauernhaus errichtet und ab 1921 von den Barmherzigen Schwestern und der Jungfrauenkongregation gestiftet. Aus dieser Zeit trägt es seinen Beinamen „Schwesternhaus“. Die Gemeinde Wolfurt übernahm in jüngerer Vergangenheit die Verpflichtung zum Erhalt des Gebäudes. Der Stadel des landwirtschaftlichen Gebäudes wurde bereits 1991 durch Helmut Dietrich und Much Untertrifaller zum Kindergarten umgebaut. Der bis heute ungebrochen engagierte Bildungsbau in Vorarlberg ist ein wichtiges Kapitel in der Architekturgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts in Vorarlberg.

Das Hauptgebäude diente im Laufe der Jahre verschiedenen Zwecken. Es war Spielzeug- und Puppenmuseum und auch Ordinationsgebäude. Im Jahr 2023 begann ein neues, weiteres Kapitel dieser Umnutzungsgeschichte – die auch ein Beleg dafür ist, dass gute Substanz immer wieder wachsen, sich verändern und neuen Nutzungen dienen kann.

„Im Zentrum des Umbaus standen
die Bedürfnisse der Gemeinschaft.“

Simone Burtscher
querschnitt Architekten

Die Transformation des Hauptgebäudes in die Kleinkindbetreuungseinrichtung „Dorf Nest“, denn „Nester“ im Sinn von Kleinkindbetreuungseinrichtungen gibt es in Wolfurt einige, wurde für die Jahre 2023-2024 geplant. Damit sollte das ganze Haus wieder zugänglich und nutzbar sein für eine der zentralen Aufgaben der Gemeinde, der sozialen Infrastruktur. Die Lage direkt neben dem Kindergarten Dorf machte den Standort für die Kleinkindbetreuung ideal. Der Garten kann gemeinsam genutzt werden. Für Familien ist das zusätzliche Angebot am gleichen Standort eine wertvolle Erweiterung des Angebots. In nur vier Monaten waren die Umbauten abgeschlossen. Nicht nur die Nutzungs des Bestands, sondern auch diese Synergien sind wesentlicher Ausdruck des Willens zu sinnvollen Lösungen, die nicht immer im Neuen und Aufwendigen liegen müssen. Im Gegenteil. Das neue Nest hat einen ganz besonderen Charme, den kein Neubau in dieser Form erzeugen könnte.

Auf drei Geschoßen wird hier nun gespielt und miteinander der Alltag geteilt. Die Raumhöhe ist wie dafür gemacht, alles folgt hier einem kindlichen Maßstab, wohlig und warm, heimelig und wie in einem Nest fühlt es sich an. Die Kleinteiligkeit entspricht den kleinen Gruppengrößen, die vielen Nischen und Schwellen sind wie kleine Rückzugsbereiche, Spielbereiche, Ruhebereiche, Bereiche für die Gemeinschaft. Das pädagogische Konzept des „offenen Hauses“ ist nicht nur eine Folge dieser Möglichkeit, sondern auch ein Glücksfall für alle Beteiligten – für die Kinder und Eltern, für die Pädagog(inn)en, für die Architektur. Hier fügt sich alles harmonisch und scheinbar wie von selbst ineinander. Unterstützt wird diese Fügung vom gegenseitigen Verständnis. Denn, mit Bestand zu arbeiten und in Bestand zu leben und zu arbeiten, erfordert viel Toleranz. Toleranz und Anpassungsfähigkeit, die einen großen Wert hat, aber eben auch da und dort einen Umweg erfordert, eine kleine Brücke und ein wenig Gelassenheit.

Für Reinhard Weber und Simone Burtscher von querschnitt Architekten ist das Haus keine Unbekannte. Bereits 2015 haben sie hier einen Umbau vorgenommen, damals zu Ordinationszwecken. Mit dem nunmehrigen Umbau erfolgt die Nutzung des gesamten Gebäudes über drei Geschoße. Alle Einbauten und Umbauten zielen darauf ab, das gesamte Haus ganztags für Kleinkinder zugänglich und bespielbar zu machen, dabei steht Transparenz im Vordergrund, denn nur so können sich die Kinder auch gut betreut im Haus frei bewegen. Die gewählte transparente Raumstruktur und Materialisierung unterstreichen nicht nur das pädagogische Konzept, sondern auch die respektvolle Weiterentwicklung des historischen Bestands. So wird dieses alte Holzhaus ein zeitgemäßer Ort für die Bildung, der mit der Kleinkindbetreuung Dorf Nest und mit dem Kindergarten Dorf zu einer Bildungseinheit wird.

Objekt: Kleinkinderbetreuung Dorf Nest im Schwesternhaus, Wolfurt
Bauherrschaft: Marktgemeinde Wolfurt
Architektur: querschnitt architekten zt gmbh, Wolfurt; Projektleitung: Reinhard Weber
Fachplanung: Tragwerksplanung: gaisberger zt gmbh, Dornbirn; Bauphysik: Hafner Weithas Bauphysik GmbH, Lauterach Vermessungswesen: Ender Vermessung ZT GmbH, Langen bei Bregenz Brandschutzplanung: IHW-Ingenieurbüro Huber GmbH, Weiler
Planung: 10/2022–04/2023
Ausführung: 04/2023–09/2023
Nutzfläche: 245 m²
Baukosten: 0,4 Mio. € netto
Besonderheiten: Die neu integrierten und ausgebauten Raumeinheiten wurden in Massivholz, Fichtendecken und Tannentäfer ausgeführt. Die Bodenbeläge der Spielbereich sowie die Sanitäranlagen sind mit Linoleum belegt. Die Treppen, Innentüren und Möbel sind in Weiß-
tanne und Esche massiv ausgeführt.