Ein neues Gebäude zu errichten, bedeutet auch immer,
weiterzubauen, Stadt oder Dorf um ein Element zu ergänzen,
und Bezüge zu Vorhandenem herzustellen.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Dietmar Walser, Karin Nussbaumer

Die Entwicklungen in der Marktstraße sind vor allem mit der Arbeit von Markus Schadenbauer verknüpft. Seit vielen Jahren ist der Hohenemser im Bereich von Projekt- und Quartiersentwicklung tätig. Er kauft Liegenschaften und baufällige Gebäude und hat mit deren Revitalisierung, Erweiterung und einigen Neubauten, Rahmenbedingungen für kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung geschaffen und gezeigt, dass der Erhalt denkmalgeschützter und geschichtsträchtiger Häuser auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Das neueste Projekt ist die Renovierung und Erweiterung der Harrachgasse 7. Gemeinsam mit Architekt Ernst Waibel, abermals, denn dieses Projekt folgt schon einer Reihe von Kooperationen, wurde das Bestandsgebäude neu strukturiert und ein neues hinzugefügt, verbunden durch ein gemeinsames Stiegenhaus. Sechs Tops, drei pro Geschoß in jedem Bauteil wurden geschaffen. Gemeinsam ist ihnen das Weiterdenken des Bestandes, einmal im Alt- und einmal im Neubau.

So wurde der Altbau, ein Massivbau mit Bruchsteinmauerwerk, grundlegend saniert. Die Obergeschoße sind als Holzständerbau errichtet, ausgefacht mit Ziegel und Bruchsteinen. Das Dach besteht aus ausgedämmten Holzelementen mit Biberschwanzeindeckung. Hier war viel zu tun. Der Anspruch der Denkmalpflege die Wärmedämmung mit Wolle, hier Steinwolle, auszuführen, wurde umgesetzt, der Deckenputz als Hydraulikkalk mit mineralischer Beschichtung ausgeführt. Auch die Holzfenster konnten teilweise erhalten werden, neue wurden in der gleichen Profildimension wie im Bestand ergänzt. Besonders harmonisch wirken die Holzböden und Böden mit Kaseinspachtelungen, die sich durch das gesamte Altbestandsgebäude ziehen. Die Räume werden nun zu Wohnzwecken genutzt, eine gemeinschaftlich betriebene Psychotherapiepraxis hat sich bereits eingemietet. Im Untergeschoß zieht gerade ein Modeladen ein.

„Wir möchten auch Verantwortung
für die Programmierung übernehmen.“

Markus Schadenbauer
Projekt- und Quartiersentwickler

Der Neubau wurde in Massivbauweise mit Stahlbetondecken und Dämmziegel ausgeführt, die Fassade ebenso mit Kalk und Kalkbeschichtung. Diese Anpassung war in der Planung eine grundlegende Entscheidung. „Natürlich soll man das Alte und Neue unterscheiden können, doch wir wollten etwas Harmonisches hinzufügen. Etwas Kleinteiliges, Solides und doch Charmantes, das die Straße gut abschließt und den Bestand weiterbaut, auch im städtebaulichen Sinn.“

Quartiersentwicklung besteht nicht nur aus Bauaktivitäten. Ganz wesentlich sind Maßnahmen zur Aktivierung und Nutzung von Raum. Dieses Prinzip macht vor allem dann Freude, wenn bauliche Qualität auf Nutzungsqualität trifft. „Wir möchten Handel und Dienstleistungen im Erdgeschoß in bewährter Form weiterführen und auch Verantwortung für die Programmierung übernehmen, indem wir für Belebung und Frequenz sorgen“, erzählt Markus Schadenbauer. Ein kleiner, feiner Modeladen mit einem ausgesuchten Sortiment fairer Mode in Verbindung mit einem Café könnte auch in einem Berliner Kiez zu Hause sein und ist kleinteilig urban im Sinn nachhaltiger Entwicklung statt eine große Kette mit üblicher Leuchtreklame aufzunehmen. Das ist wohltuend klug und atmosphärisch wertvoll für ein kleines Stadtzentrum, das viel Einzigartiges zu bieten hat. Einzigartig ist auch das neue Lokal „Spuds“ gleich nebenan. Hier gibt es „Grumpra“, wie Betreiber David South mit englischem Akzent erklärt. „Ich orientiere mich an der Slow-Bewegung und biete Ofenkartoffeln in allen Varianten.“ Wo einst ein kleiner Garten war, ist nun ein Gastgarten, benützbar für alle Stadtbewohner(innen) und ihre Gäste.

Auch Markus Schadenbauer und seine Mitarbeiter(innen) sind hier ab sofort beruflich „zu Hause“. Wir haben einen Teil der Räume als Büroräume für unsere Hausverwaltung und unser Büro ausgestattet. So zu bauen, wie man selber gern wohnen und arbeiten würde, ist ein guter Anspruch, der hier vorbildlich aufgeht und gelebt wird.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen (jetzt wieder geöffnet) und Veranstaltungen bietet das vai monatlich Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Denkmalgeschützte Sanierung und Neubau Harrachgasse 7, Hohenems
Bauherr Miteigentümergemeinschaft vertreten durch Schadenbauer Projekt-
und Quartierentwicklung GmbH
Architektur Architekten Nägele Waibel ZT GmbH
DI Ernst Waibel
Fachplanung Bauphysik: DI Dr. Lothar Künz, Hard
Statik DI Robert Kofler, Götzis
Landschaft Stadtland, DI Thomas Loacker, Hohenems
Grundstücksgröße 476 m²
Wohnnutzfläche 548 m²
Ausführung: Baumeister: Haberl Baugesellschaft mbH, Lustenau;
Zimmerer: Holzbau Hirschbühl, Riefensberg;
Fenster (Neubau): Metzler Fensterbau, Hohenems;
Fenster (Denkmalschutz): Tischlerei Konzett, Fontanella;
Metallfensterläden: M+S Metalltechnik GmbH, Röthis;
Kaseinböden, Lehmputz und Malerarbeiten: Alex’s Malerkiste, Dafins;
Heizung/Lüftung: Siegfried Steurer;
Installationen: Energietechnik GmbH, Andelsbuch;
Elektro: Maldoner Elektrotechnik GmbH & Co KG, Lauterach
Energiekennwert 47,7 kWh/m² im Jahr (HWB) Wohnen
67,3 kWh/m² im Jahr (HWB) Gewerbe
Gesamt Investitionskosten 2,9 Mill. Euro
Fotonachweis: Dietmar Walser; Karin Nussbaumer: Cover, Seite 7