Ein Pfarrhaus wird Dorfhaus
Jahrzehnte stand der alte Pfarrhof von Sulzberg leer,
im Jahr 2000 wurde sein Äußeres saniert, das sicherte seine Existenz.
Gewissenhaft suchten Gemeinde, Bevölkerung und Pfarre
nach der richtigen Nutzung, gewissenhaft erneuerte Architekt Gerhard Gruber
das denkmalgeschützte Haus. Die alte, einläufige Treppe wich einer kompakten,
neuen Erschließung mit Stiege, Lift und Toiletten beim Eingang. Stiegenlos wird die Diele
zum Foyer zwischen Bücherei, Pfarrbüro und der guten Stube für das Dorf.
Text: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer
Der alte Pfarrhof ist eines der schönsten Gebäude von Sulzberg. Leicht erhöht, steht er schräg gegenüber der Pfarrkirche. Jeder, der zu ihrem Eingangsportal geht, muss an ihm vorbei. Er ist das erste Haus im Ort. „Es prägt die Skyline von Sulzberg“, sagt Bürgermeister Lukas Schrattenthaler.
Der Pfarrhof ist Baujahr 1732, hat einen fast quadratischen Grundriss von etwa 14 Metern Länge, einen steinernen Sockel, darüber zwei Geschoße und ein großes, steiles Dach. Im Südwesten, an der höher liegenden Rückseite, steht die Marienlinde, ein mächtiger Baum und Naturdenkmal, in dessen Stamm jemand eine Marienstatue gestellt hatte. In den 1970ern errichtete die Gemeinde dort den Laurenzisaal, später ein neues Pfarramt, in das der damalige Pfarrer 1981 einzog, die Mesnerin wohnte etwas länger im alten Pfarrhaus, dann stand es leer.
Um das denkmalgeschützte Kleinod in der Ortsmitte vor dem Verfall zu retten, beauftragte man im Jahr 2000 Architekt Karl Sillaber mit der Sanierung der Außenhülle. Er ging mit aller gebotenen Sorgfalt vor. Die Weißtannenschindeln wurden erneuert und die meisterhaft getischlerten, historischen Kastenschiebefenster fachgerecht renoviert. Deren Flügel sind in je zwei kleinere Fenster unterteilt, die sich einzeln öffnen lassen. So kann man den Luftzug mechanisch sehr genau regulieren.
„Bei so einem Haus, das aus der Zeit von Mozart stammt,
muss man nicht hudeln. Alte Techniken brauchen ihre Zeit,
der Bauherr hat gesehen, dass das nur so gut zu bauen ist.“
Gerhard Gruber
Architekt
Am Äußeren war nichts mehr zu tun, für das Innere nahm man sich Zeit. Gewissenhaft suchte man in einem partizipativen Prozess nach einer richtigen Nutzung, gewissenhaft modernisierte Archi-tekt Gerhard Gruber den denkmalgeschützten Bestand. „Wir hatten besonders viel Zeit“, sagt er. „Der Bauherr erkannte, dass das für so ein Objekt notwendig ist.“ Allein der Maler war ein dreiviertel Jahr im Haus, mit viel Hingabe renovierten Handwerker aus dem Ort ihren alten Pfarrhof. „Bei einem Haus, das aus der Zeit von Mozart stammt, kann man nicht hudeln.“ Vieles wurde nicht am Plan gezeichnet, sondern vor Ort entschieden.
Zur Jahrhundertwende wurde das Haus schon einmal saniert, fast jeder Raum hatte eine andere Farbe. „Das hat mir gefallen“, sagt Gruber. „Es gibt so viel Tolles in diesem Pfarrhof, da muss man froh sein, dass man mithalten kann.“ Die fast 300 Jahre alten Holzkassettendecken sind derart präzise gefertigt, dass sie den Handwerkern viel Zeit und Geschick abverlangten. Etwa vierzig Farben gibt es im Haus, sie sind in gutem Einvernehmen mit dem Bundesdenkmalamt abgestimmt. Wie in den meisten Wälderhäusern gibt es einen Gang in der Mitte mit einer einläufigen Treppe.
Gruber behandelte den Bestand so behutsam wie möglich, er veränderte nur die Erschließungsstruktur. Die alte Stiege kam weg, nun ist die zentrale Diele sehr geräumig, sie wird zum Foyer für die anschließenden Räume. Außerdem ist der Pfarrhof nun von Nordosten bis Südwesten durchgängig. Viele Kinder nutzen das als Abkürzung. Der Eingang im Südwesten bekam eine behindertengerechte Rampe, links daneben ist das neue Erschließungsgeviert mit seiner platzsparenden, leicht konstruierten Podesttreppe aus Eschenholz, Lift und Toiletten. Es ist mit Glas und Holz sehr passend schlicht und schön gestaltet. Die Stufenbreite ist auf 60 bis 70 Personen ausgelegt, jedes Geschoß hat eine kleine Küche, den Gang kann man als Foyer nutzen, das Haus ist für Veranstaltungen gerüstet.
Im Erdgeschoß ist die Bücherei untergebracht. 260 Menschen, vom Kleinkind bis zur Pensionistin, sind eingeschrieben. Die Räume sind hell und freundlich, es gibt Lehnstühle zum entspannten Lesen, eine Kinderecke und ein gemütliches Sitzfenster mit Kissen. 4300 Bücher stehen schon in den Regalen aus
Eichenholz. „Ich war sehr skeptisch“, gibt Gerda Kirmair, die Leiterin der Bücherei zu. „Nun bin ich begeistert. Es ist total gelungen und viel einladender als vorher.“
Der Raum gegenüber am nordöstlichen Eck mit der angrenzenden kleinen Küche dient als Stube für alle zum Jassen und Feiern in kleiner Runde. Im ersten Stock ist das Pfarrbüro, im schönen Raum mit dem idyllischen, ovalen Fresko an der Decke und Girlanden an den Wänden kann sich der Bürgermeister einen Trausaal vorstellen, in den zwei Neben-räumen Co-Working-Spaces. Mit dem Ausbau des Dachbodens lässt man sich noch Zeit. Auch er muss seine richtige Bestimmung finden dürfen. Schrattenthaler: „Manchmal ist es gut, wenn man nicht alles fertig macht.“
Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at
Daten und Fakten
Objekt Alter Pfarrhof Sulzberg
Bauherr Gemeinde Sulzberg
Architektur gruber locher architekten zt; www.gruberlocher.com;
Projektleitung: Jürgen Postai
Statik Hämmerle-Huster, Bregenz; www.diestatiker.at
Fachplanung Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg; Heizung/Sanitär: Koller & Partner, Bregenz; Elektro:Hecht, Rankweil; Brandschutz: K&M, Lochau; Grafik: Stecher, Götzis
Planung 09/17–05/22
Ausführung 02/20–05/22
Grundstück 614 m²
Nutzfläche 313 m² (zzgl. Keller 107 m²)
Ausführung Baumeister: Haller, Sulzberg; Zimmerer: Blank, Sulzberg; Heizung/Sanitär: Wolf, Doren; Elektro: Fink, Riefensberg; Außenelemente: Alexander Beer, Schnepfau; Kastenfenster: Geser, Andelsbuch; Estrich: Küng, Thüringen; Holzböden: BenJo, Bezau; Verputz: Reinhard Hepp, Dornbirn; Innenausbau, Treppe: Nenning, Hittisau; Maler: Netzer, Wolfurt; Kachelofen: Thomas Schlitzer, Hittisau; Raumausstatter: Josef Ebner, Doren; Schlosser: Waldmetall, Hittisau; Tischler: Sohm, Krumbach und Faißt, Hittisau u. v. m.
Baukosten 1,03 Mill. Euro