Ein Rahmen für Lebendigkeit
Die Volksschule Herrenried in Hohenems stammt aus dem Jahr 1968.
Die Architekten Dorner\Matt sanierten und erweiterten sie kongenial mit einem eingeschoßigen Leichtbau aus Holz.
Filigran wie ein Pavillon im Grünen schafft dieser eine schöne neue Eingangssituation mit Sumpfeichen,
einen tollen Pausenhof, durch den man die ganze Schule überblickt, einen „Marktplatz“ mit Bibliothek und helle Klassen.
Außerdem integriert er die alte Turnhalle in das räumliche Gefüge der Schule.
Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer
Kinder verbringen einen Großteil ihrer Kindheit in der Schule. Das dort praktizierte legt den Grundstein für lebenslanges Lernen, für die Freude am sich Bilden und für eine aktive Teilnahme an der Gesellschaft“, so die Architekten Dorner\Matt. „Schulen sollen vor allem Orte sein, an denen Kinder miteinander wachsen und Gemeinsinn entfalten können.“ Das ermöglicht die Volksschule Herrenried dank der geglückten Sanierung und Erweiterung um einen leichtfüßigen, pavillonartigen Zubau aus Holz nun exemplarisch.
Die Schule war 1968 eröffnet und von Architekt Much Untertrifaller senior geplant worden. Der kantige, dreigeschoßige Sichtbetonbau ist ein typisches Kind seiner Zeit und innen viel einnehmender als sein strenges Äußeres vermuten lässt: Windradartig gruppieren sich schön proportionierte Klassen um ein Stiegenhaus. Die Klassen sind jeweils an den Ecken leicht gegeneinander versetzt und haben daher alle von zwei Himmelsrichtungen Licht.
Insgesamt war die Schule inzwischen zu klein und nach heutiger Sicht bautechnisch unzureichend: Oben zu heiß, unten zu kalt. Sie musste saniert und erweitert werden. „Wir hatten akuten Platzmangel. Es fehlten Gruppenräume für den Individualunterricht, der Turnsaal war zu klein, außerdem hatten wir weder Sekretariat noch Besprechungszimmer“, so Ulrike Fleisch, eine Direktorin mit Herz und Seele für ihre rund 300 Schützlinge. Im Wettbewerb siegten Dorner\Matt klar. Sie erkannten und verstärkten die Qualitäten der Schule und ihres Umfeldes, der benachbarten Neuen Mittelschule und des Sonderpädagogischen Zentrums, die in der lose bebauten Gegend eine Art Campus definieren. „Wir wollten, dass der Neubau mit dem Bestand eine möglichst große Einheit bildet“, so die Architekten. „Die Schule aus den 1960ern hat eine räumliche Qualität, die sehr großzügig ist. Sowas findet man heute gar nicht mehr.“ Die charakteristische Über-Eck-Verglasung blieb ihr ebenso erhalten wie die Sichtbetonschale ihrer Fassade.
„Mir war das Wohlfühlklima sehr wichtig.
Der Hof ist wunderbar, wenn er belebt ist.
Dieser Anblick hat mich für viel entschädigt.
Das Tolle ist, dass alles jetzt eine große Einheit bildet.“
Ulrike Fleisch, Direktorin
„Das große Thema aber war, dass die Schule etwa 80 bis 90 cm über dem Gelände liegt.“ Die Planer setzten einen Leichtbau aus Holz zwischen die Schule und den Turnsaal, der auf einem Niveau mit dem Bestand über dem Gelände schwebt. „Die große Herausforderung an alle war, im laufenden Betrieb umzubauen“, so Projektleiter Hannes Zumtobel. „Das war eine spannende Zeit, wenn dann plötzlich der Kran mitten in der Schule steht“, erinnert sich Fleisch. Der Neubau hat einen rechteckigen Grundriss mit umlaufenden Klassen und Gemeinschaftsflächen, der in der Mitte einen Hof bildet. Hier können die Kinder ungehindert wie in einem Schulgarten im Freien spielen. Eine raumhohe Verglasung der flankierenden Flächen ermöglicht den Erziehenden, sie dabei ständig dezent im Blick zu behalten. Generell schafft der transparent verglaste, zentrale Freiraum allen, die diese Schule beleben, eine leichte Orientierung und große Übersicht.
In unmerklicher Beiläufigkeit überwindet ein schöner, leicht ansteigender Vorplatz mit Schirm-platanen den Niveausprung. Ganz selbstverständlich führt er zum Eingang im Neubau, wo man von einer hellen Aula empfangen wird. Durch hohe Glasflächen sieht man sofort in den Innenhof und den daran angrenzenden „Marktplatz“ mit Bibliothek. „Ich mag das sehr gerne, wenn ich als Nutzer ein Gebäude sofort verstehen kann“, so Christian Matt. Lichtdurchlässige Dachsparren, die bei Sonnenschein dunkle, schattenspendende Streifen auf die helle, beheizte Polyurethan-Beschichtung am Boden werfen, lassen den hohen Raum der Bibliothek fast wie eine Pergola am Schulgarten wirken. Die Glasflächen zum Hof sind als Anlaufschutz mit Buchstaben und Zahlen bedruckt, auch die Stirnwand aus hellem Birkensperrholz ist sorgfältigst geplant. Im unteren Bereich gibt es Laden voller Bücher, die man leicht am Boden herausziehen kann, darüber klassische Regale, dazwischen Zeichnungen und gepolsterte Sitznischen. Im Raum stehen Bänke auf Rollen, die man zu runden Kreisen zusammenrollen oder einzeln nutzen kann. Die gepolsterten Sitzflächen sind aufklappbar: Auch hier lassen sich Bücher bewahren. Dank Birkensperrholzverkleidung und den textilen Elementen ist die Akustik hervorragend. „Unsere Idee war, dass man ständig durch die ganze Schule schauen kann, aber trotzdem nicht jeden hört.“
Die Atmosphäre ist warm, hell und freundlich.
Leicht schweben die Klassen im Neubautrakt aus heller, leicht weiß geölter Fichte über dem Gelände: Wie auf eine Bank können sich Schüler hier auf ihre Fassade setzen und die Beine baumeln lassen. Auch der Bestand wurde mit Birkensperrholz und Sitzelementen neu eingekleidet. Direktorin Fleisch: „Mir war das Wohlfühlklima sehr wichtig. Der Hof ist wunderbar, wenn er belebt ist. Dieser Anblick hat mich für viel entschädigt. Das Tolle ist, dass alles jetzt eine große Einheit bildet.“
Daten & Fakten
Objekt Volksschule Herrenried Hohenems
Bauherr Immobilienverwaltung der Stadt Hohenems
Architektur Dorner\Matt Architekten, Bregenz, www.dorner-matt.at
Projektleitung Hannes Zumtobel
Statik Mader + Flatz ZT, Bregenz
Fachplanung Projektsteuerung: Michael Hassler, Dornbirn; Heizung, Lüftung, Sanitär: Ökoplan, Altach; Elektro: IHM, Hörbranz; Licht: Licht Innovativ, Innsbruck; Brandschutz: K&M, Lochau; Akustik, Bauphysik: Weithas, Lauterach; Landschaft: Landrise, Egg
Planung ab 2014
Ausführung 4/2015–12/2017
Grundstück 8481 m²
Nutzfläche Altbau 2280 m², Neubau 1370 m²
Bauweise Bodenplatte und Decke aus Stahlbeton, Wände Massivholz; Außenwände: Elemente mit Holzfaserdämmung und Fichtenschalung: Im Bestand Innendämmung und Sperrholzverkleidung; Dach: gedämmt und mit Bitumen abgedichtet; Vegetationsschicht und Photovoltaik
Besonderheiten Neu- und Umbau bei laufendem Schulbetrieb; kommunaler Gebäudeausweis
Ausführung Baumeister: Hinteregger, Bregenz; Holzbau: i+R, Lauterach; Dach: Tectum, Hohenems; Lüftung: Kranz, Weiler; Heizung, Sanitär: Wäldar, Bezau; Elektro: Graf, Dornbirn; Bautischler: Plattner, Hohenems; Fenster: Zech, Götzis
Energiekennwert 34 kWh/m² im Jahr (HWB)
Baukosten 7,8 Mill. Euro