Eine private Bauherrenfamilie macht in Lustenau das scheinbar Unmögliche möglich:
Frei finanzierter „sozialer“ Wohnbau. Konzipiert von Entwickler Wolfgang Hefel
und Architekt Gerhard Aicher als eine rund um einen Garten gebaute „Burg“.

Autorin: Edith Schlocker | Fotos: VisionStudios.ch

Die zwei Baukörper des Projekte UNION in Lustenau beginnen ihrer zart perforierten äußeren Metallhülle wegen nächtens aus ihrem Inneren zu leuchten.

Leistbarer Wohnraum ist – wie praktisch überall im Land – auch in Lustenau Mangelware. Dass es allerdings möglich ist, frei finanzierte Wohnungen zu bauen, deren Mieten durchaus mit solchen unter den Bedingungen des gemeinnützigen Wohnbaus errichteten konkurrieren können, führt das von einem privaten Investor – der gleichzeitig auch der Vermieter ist – errichtete Projekt UNION Lustenau eindrucksvoll vor. Angelegt als Renditeprojekt, möglich gemacht auch durch die Hypo Lustenau, die an das Geschäftsmodell des Bauherrn geglaubt hat.

Die zwei L-förmig zueinander positionierten Baukörper mit ihren großzügig dimensionierten Balkonen stehen schützend um den leicht erhöhten Innenhof. Trotz Tiefgarage gibt es Bäume und Rankhilfen, die Im Sommer Schatten spenden werden.
Der üppig wuchernde Innenhof ist eine Wohlfühloase für die Bewohnerinnen und Bewohner der UNION, die jungen wie die alten aus rund zehn Herkunftsländern.

Auf dem rund 6000 Quadratmeter großen Grund, auf dem nun die zwei L-förmigen Viergeschoßer stehen, stand bis zu ihrer Schleifung eine alte Stickereifabrik. Hier einen Wohnbau zu errichten, war für die Besitzerfamilie allerdings absolut nicht erste Wahl. Es ergab sich, als die Verpachtung des Grundstücks an eine Firma scheiterte. Durch die Lage an einer viel befahrenen Straße war das Thema Lärm eine große Herausforderung für Architekt Gerhard Aicher. Sollte er nach dem Wunsch der Bauherren hier doch das fast Unmögliche möglich machen, nämlich so etwas wie eine Oase erschaffen, in der es sich relativ zentral und in unmittelbarer Nähe zum Rheindamm als Naherholungsgebiet der Lustenauer gut leben lässt.

Die 84 Wohnungen werden über außenliegende Laubengänge erschlossen, die durch die Perforierung der Gebäudehülle angenehm hell daherkommen.

Dass die Lösung Gebäude sind, die von außen fast wie eine Burg daherkommen, indem sie sich durch eine sparsam vertikal geschlitzte, zart perforierte Metallhülle straßenseitig abschotten, um sich nach innen über großzügig dimensionierte Balkone zu einem üppig sprießenden Garten zu öffnen, kann angesichts solcher Vorgaben nicht verwundern. An einem großen Baum hängt eine Schaukel, ein anderer steht mitten in einer riesigen Sandkiste. Rankgerüste, die möglichst bald zuwachsen sollen, sorgen im Sommer für Schatten.

Um möglichst viel Tageslicht in die Wohnungen zu lenken, sind die Fenster in den Wohnräumen mit integrierter Küche fast raumhoch verglast.
Die weißen (Kunststoff-)Fenster sind dreifachverglast, die Böden in den Wohn- bzw. Schlafräumen aus Holz.
„Es ist für mich eine große Freude zu
sehen, wie friedlich ein fröhliches internationales Völkchen
im Wohnprojekt UNION zusammenlebt.“

Bauherr

Die 84 Zwei- bzw. Dreizimmerwohnungen in der Größe zwi­schen 50 und 65 Quadratmetern werden durch Laubengänge erschlossen, die hinter der metallenen Hülle liegen. Um möglichst niedrige, je nach Lage gestaffelte Mieten möglich zu machen, ist der Standard in allen Wohnungen genormt. Was bedeutet, dass die Küchen und Bäder relativ einfach und überall die gleichen sind. Die Geländer in den mit grauen Fliesen belegten Stiegenhäusern genauso wie die Brüstungen der Balkone sind formal schnörkellos und verzinkt, dafür ist hinter den angenehm in die Baukörper hineingezogenen Eingängen jeweils ein großer Bildschirm angebracht, auf dem zu lesen ist, was sich aktuell in Lustenau tut und wann an der nahe liegenden Haltestelle die nächsten Busse abfahren.

Jede der Zwei- oder Dreizimmerwohnungen besitzt einen zum Innenhof hin orientierten, tiefen Balkon inklusive großartiger Aussicht.
Nicht nur um das enge finanzielle Korsett nicht zu sprengen, kommen die öffentlichen Bereiche des Wohnprojekts UNION schnörkellos klar daher. Etwa die schlichten verzinkten Staketengeländer der Stiegenhäuser.

Um möglichst viel Licht in die Wohnungen zu lenken, sind die Fenster der Wohnräume fast raumhoch dreifachverglast und mit außenliegenden Jalousien versehen. Die Grundrisse sind offen, auf den Böden der Zimmer liegt Eichenparkett. Geheizt wird per Erdwärme bzw. Photovoltaik. Ein über einige Stufen erreichbares großes, mit Pflanzen überwachsenes, bogenförmiges Tor verbindet die zwei Baukörper lose. Von den 84 Wohnungen sind gerade noch vier zu haben. Wobei es die Bauherrenfamilie freut, dass ein „fröhliches internationales Völkchen“ im Wohnprojekt UNION friedlich zusammenlebt. Wichtig ist ihnen, dass keine Volksgruppe übermäßig hier vertreten ist und junge genauso wie ältere Menschen bzw. Kleinfamilien, erstaunlicherweise nur sehr wenige Singles, hier leben.

Hinter den Eingängen der einzelnen Häuser angebrachte Monitore informieren darüber, was gerade in Lustenau los ist und wann die nächsten Busse an der nahe liegenden Haltestelle abfahren.
Für die 84 Wohnungen stehen rund 80 Autoabstellplätze in der Tiefgarage zur Verfügung. Auch Car-Sharing ist nicht nur theoretisch ein Thema beim Wohnprojekt UNION.

Architekt, Entwickler und der Bauherr sind alte Freunde. Das Projekt UNION Lustenau haben sie gemeinsam entwickelt, der örtliche Gestaltungsbeirat hat dabei mitgeredet. Um den idealen Grundriss auszutüfteln, wurde im Vorfeld im Altbestand eine Musterwohnung im 1:1-Maßstab gebaut. Das Kostenkorsett war eng, nicht zuletzt durch die schwierige Grundwassersituation, die es notwendig machte, die zwei in Stahlbeton errichteten Baukörper in eine riesige Betonwanne zu stellen. Wodurch die Tiefgarage mit ihren 84 Abstellplätzen rund einen Meter über das Bodenniveau hinausragt, was ihr eine natürliche Belichtung als erfreulichen Mehrwert eingetragen hat.

Daten & Fakten

Objekt Union, Reichsstraße 4, Lustenau

Bauherren AB Immo und I&U Immo, Lustenau

Architektur Aicher ZT, Dornbirn, www.aicher-zt.at

Bauentwicklung Revital, Wolfgang Hefel, Dornbirn

Statik Mader + Flatz ZT, Bregenz

Fachplanung Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Landschaft: Amann, Koblach

Planung Frühjahr 2014–Herbst 2016

Ausführung Frühjahr 2017–Herbst 2018

Grundstücksgröße 6300 m²

Wohnnutzfläche 84 Wohnungen zwischen 50 und 65 m², zzgl. Tiefgarage mit Stellplätzen

Bauweise Fertigteilbetonwände und Stahlbetonflachdecken, Fassade Putz mit Wärmedämmverbundsystem, Laubengangverkleidungen mit teilweise gelochtem eloxierten Trapezblech, Heizsystem mit Erdwärmepumpe und großflächiger Photovoltaikanlage

Besonderheiten Frei finanzierte Siedlung für leistbares Wohnen in Miete; Projektpartner für Contracting Erdwärme, Batteriespeicher und Forschungsprojekt Car-Sharing und Umzugsservices: innovation lab der illwerke vkw, Bregenz

Ausführung Baumeister: Oberhauser & Schedler, Andelsbuch; Projektpartner: illwerke vkw AG, Bregenz