Am Rand von Dornbirn betreibt das Vorarlberger Landeszentrum für Hörgeschädigte
einen Therapie-Reitstall. Letztes Jahr kam eine Kindergruppe dazu.
Architekt Meinhard Rhomberg plante das perfekte Umfeld für Pferd und Mensch.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel

Pferde sind sensibel und intelligent. Sie können Menschen jeden Alters sicher tragen und sie so an ihrer natürlich rhythmischen Fortbewegung in Schritt, Trab oder Galopp teilhaben lassen: Diese Erfahrung, aber auch die Interaktion mit dem Tier und der Reittherapeutin, sowie der Prozess, langsam die Zügel in die Hand zu nehmen und sich um „sein“ Pferd kümmern zu lernen, kann im therapeutischen Rahmen des heilpädagogischen Reitens bei hörgeschädigten oder in anderer Form beeinträchtigten Kindern und Erwachsenen Wunder wirken. Hippotherapie nutzt die Bewegungsimpulse des Pferdes, um Muskelverspannungen zu lösen. Generell verbessert schon der vertrauensvolle Umgang mit dem Pferd das seelische und körperliche Wohlbefinden.
„Ein Großteil der Hörgeschädigten hat Gleichgewichtsstörungen, die sich beim Reiten spielerisch verbessern lassen“, so Johannes Mathis. „Auch für Kinder mit Downsyndrom und für Blinde ist Hippotherapie sehr gut.“ Mathis ist Geschäftsführer der gemeinnützigen Privatstiftung Vorarlberger Landeszentrum für Hörgeschädigte (LZH). Sie beschloss vor über zehn Jahren, einen Therapie-Reitstall zu betreiben. Einen Steinwurf von der Dornbirner Ach und doch im Stadtgebiet, fand sich ein Grundstück, das für den Betrieb einer Reitanlage genehmigt war. „Ich bin 1999 als Unwissender zur Thematik des Planens für Hörgeschädigte gekommen und langsam hineingewachsen“, erzählt Architekt Meinhard Rhomberg. „Wenn jemand nicht hört, muss man die Akustik wesentlich mehr beachten als sonst. Denn ein Hörgerät verstärkt auch alle Hintergrundgeräusche viel extremer.“ Rhomberg plante viele Projekte für das LZH. Er entwarf auch 2007 den Therapie-Reitstall, der letzten September um eine Kleinkindergruppe erweitert wurde.

DIE REITHALLE ist 40 Meter lang: An ihrer Längsflanke entlang schreitet man dem Eingang zu.
BESONDERES DETAIL: Sehr schwergewichtige Menschen nehmen diese Rampe, damit sie direkt auf dem Rücken der Pferde aufsteigen können.

Der Architekt setzte den fast quadratischen Raum von etwa sechs mal sechs Meter mit dem freundlichen, orangen, fußbodenbeheizten Linoleumboden, Garderobe und Ruheraum an den östlichen Rand der Anlage. Durch das Fenster im Osten fällt die Morgensonne und man sieht auf das Riedgras. Die eigentliche Attraktion ist die Über-Eck-Verglasung, durch die man die Pferde im Blick hat. Zwölf sind es momentan. In den hölzernen Boxen mit Schiebetoren hat jedes Tier seinen eigenen Schlafplatz. Die Boxen sind beidseitig symmetrisch um den mit Holzbindern auf Stahlstützen überdachten, von einem Oberlichtband erhellten Reitplatz angeordnet. Er ist mit einem riesigen Schiebetor zu öffnen. Die obere Hälfte ist verglast: Man sieht hinaus und viel Licht fällt ein. „Wir haben eine offene Stallhaltung. Isländer und Großpferde sind gemeinsam draußen und nur nachts getrennt. So sind sie auch zum Arbeiten viel ruhiger“, erklärt Ingo Gmeiner, der Chefhausmeister. Denn Pferde sind soziale Wesen und in der Gruppe glücklicher als allein. Gmeiner macht auch die Stallarbeit und schafft es mit Jonas Flatz souverän, das Schiebetor zu öffnen, an dem zuvor Architekt, Bauherr und Journalistin scheiterten. „Es ist ein Herzblutjob.“

DIESES GRÜNE TOR aus Bäumen führt in das paradiesisch anmutende Gehölz rund um die Dornbirner Ach, wo die Pferdeführer am liebsten ihre Ausritte machen.
Bevor es ans Reiten geht, müssen die Pferde gesattelt werden.
„Wenn jemand nicht hört, muss man die Akustik wesentlich mehr beachten als sonst. Denn ein Hörgerät verstärkt auch alle Hintergrundgeräusche viel extremer.“

Meinhard Rhomberg
Architekt

Durch die Über-Eck-Verglasung wird das Treiben im Therapie-Reitstall zur lebendigen Hintergrundkulisse für die „Rösslebande“: In dieser Betreuungseinrichtung für maximal zwölf Kinder zwischen eineinhalb und vier Jahren sind die Kleinen ständig in Kontakt mit den Pferden, Moppel, dem Hasen, Helmut, dem Esel, Hühnern, Schafen und dem stolzen Hahn, der so unüberhörbar laut kräht. „Wir gehen täglich zur Dornbirner Ach und sind zwischen 40 Minuten und zweieinhalb Stunden an der frischen Luft“, erzählt Birgit Bonner, die speziell in Wald- und Naturpädagogik ausgebildet ist und mit Irmgard Proßegger die Kinder betreut. Der Therapie-Reitstall liegt in einer paradiesisch anmutenden Naturlandschaft. Gleich über der Zufahrtsstraße, dem Foracheck, befindet sich der Wald, durch den die Dornbirner Ach fließt: Hier machen die Pferdeführer am liebsten mit den Therapiepferden ihre Ausritte und hier befindet sich das Spielrevier der neugierigen „Rösslebande.“

Sechs Meter hoch, 20 Meter breit, 40 Meter lang bildet die Reithalle mit ihrem bogenförmigen Dach aus Holzleimbindern einen imposanten Innenraum.
Durch die Tür reiten dann die Pferde hinaus ins Freie.

Das erste Gebäude an der Zufahrt ist die Reithalle: Sie ist aus Fichte, die schon stark vergraut ist und wunderbar mit dem Grün der Umgebung harmoniert. Sechs Meter hoch, 20 Meter breit, 40 Meter lang bildet sie einen imposanten Innenraum. Die Halle wird von einem bogenförmigen Dach aus Holzleimbindern, die mit filigranen Zugbändern aus Stahl unterspannt sind, gedeckt. Umlaufende Banden schützen die Pferde vor Verletzung, der Boden besteht aus einer Mischung aus Sand, Lehm und Vlies und muss im Reitbetrieb permanent feucht gehalten werden. 3000 Liter Wasser pro Woche braucht es dazu. Auch das trägt zum angenehmen Klima bei. An den Stirnseiten fällt unter dem bogenförmigen Dach Licht ein, seitlich gibt es Fensterbänder: sie sind zur Hälfte aus Glas, zur Hälfte aus Windschutznetzen. Die Akustik ist so gut, dass hier schon Konzerte stattfanden. Eine Mischung aus natürlichem und künstlichem Licht schafft von Zumtobel optimale Lichtverhältnisse, auf Spiegeln lässt sich die Haltung am Pferd überprüfen. Für sehr schwergewichtige Menschen gibt es eine eigene Zugangsrampe, damit sie direkt auf die Pferde steigen können.

Letzten September wurde eine Kindergruppe – die sogenannte „Rösslebande“ in den Therapie-Reitstall integriert.
Durch die Über-Eck-Verglasung wird das Treiben im Therapie-Reitstall zur lebendigen Hintergrundkulisse für die lebendigen Kids der „Rösslebande.“

Daten & Fakten

Objekt Therapie-Reitstall und Kindergruppe

Bauherr Landeszentrum für Hörgeschädigte

Architektur Meinhard Rhomberg, Dornbirn www.architekturbuero-rhomberg.at

Statik gbd ZT, Dornbirn

Fachplanung Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach; Heizung, Lüftung, Sanitär, Elektro: Müllner Haustechnik, Dornbirn; Entwässerung: wpa, Dornbirn

Planung 01/2006–06/2008

Ausführung 10/2007–06/2008
Erweiterungen 2015 und 2018

Grundstücksgröße 3834 m²

Nutzfläche 1462 m²

Bauweise Reithalle Holzkonstruktion mit horizontaler Fichtenschalung; Tonnendach aus 30 mm Holz-Mehrschichtplatten mit Rippeverstärkungen und Stahl-Zugbändern

Bauweise Sozialräume Vorgefertigte Holzrahmenelemente mit Fichtenschalung; massive Dielendecke mit Flachdachaufbau

Besonderheiten Barrierefreier Therapie-Reitstall; Kinder-Spielgruppe mit Kleintierhaltung; Offenstallhaltung

Ausführung Holzbau: Martin, Dornbirn; Baumeister: Rümmele, Dornbirn; Dach: Nagel, Höchst; Heizung/Sanitär: Walter Hepp, Dornbirn; Elektro: Markus Hopfner, Dornbirn; Glasbau: GMS, Dornbirn und OK Glas, Dornbirn; Fenster/Tischler: Bickel, Dornbirn und Herbert Feuerstein, Bizau; Raumausstattung: Wohlgenannt Raum & Textil, Dornbirn

Baukosten 1 Million Euro