Der Naturkindergarten Niederbahn in Dornbirn grenzt direkt an den Hermann-Gmeiner-Park, ein Paradies für die Kinder. Die meiste Zeit verbringt man dort draußen in der Natur. Bei Schlechtwetter zog sich der Kindergarten in eine rote Baracke zurück. Dreißig Jahre dauerte dieses Provisorium, ein Neubau war längst überfällig. Architekt Johannes Kaufmann setzte einen beispielhaft nachhaltigen, hellen, eingeschoßigen Pavillon zwischen die Bäume. Sein Punktfundament ist aus dem Beton des Bestands, das Holz aus dem Dornbirner Stadtwald.

 

Text: Isabella Marboe | Fotos: Karin Nussbaumer

Ein besserer Ort ist kaum zu denken: Der Naturkindergarten an der Niederbahnstraße in Dornbirn ist auf drei Seiten vom Hermann-Gmeiner-Park umgeben. Die einstige Müllablagefläche ist heute ein riesiger, öffentlicher Grünraum mit dichtem Waldbestand, Lichtungen, Wiesen, Rutschen, Sandkisten, Spielgeräten und anderen Sensationen. Ein Paradies für die Kinder, umso karger ihr Haus. Dreißig Jahre kam der Kindergarten mit einer roten Baracke aus, allerhöchste Zeit für einen Neubau. Architekt Johannes Kaufmann plante einen eingeschoßigen Pavillon aus Holz im Einklang mit der Natur, der sich wunderbar mit dem Park verträgt.

Im Naturkindergarten verbringen die Kinder die meiste Zeit im Freien, deshalb kommt er mit nur 60% der Fläche herkömmlicher Kindergärten aus. Alles, was nicht versiegelt und verbaut ist, bleibt der Natur. „Mein erster Gedanke war einfach nur ein Dach für die Kinder“, sagt Kaufmann. Es wurde etwas mehr, ein eingeschoßiges, pavillonartiges Gebäude aus Holz auf quadratischem Grundriss von 20,60 mal 20,60 Meter und einem 2,50 Meter weit auskragenden Flachdach, das fürsorglich die großzügige, umlaufende Terrasse beschirmt.

„Dieses Pilotprojekt musste für die öffentliche Hand leistbar sein. Daher haben wir sehr rationell produziert und oft die gleichen Bauteile verwendet. Man könnte ihn auch als Wohnbau oder Büro nutzen.“

Johannes Kaufmann,
Architekt

„Dieses Pilotprojekt musste für die öffentliche Hand leistbar bleiben“, sagt Kaufmann. „Deshalb haben wir alles hinterfragt, sehr rationell produziert und oft die gleichen Bauteile verwendet.“ Der Kindergarten ist fast symmetrisch auf einem Raster von 2,50 mal 2,50 Meter aufgebaut. Fast alle Hölzer sind 2,50 Meter lang, das ist genau die Hälfte der handelsüblichen 5 Meter, jedes flächige Element hat ein Standardmaß von 2,50 x 5 Meter. Die Wände sind einschalig und alle Leitungen offen verlegt. Daher braucht es keine Vorsatzschalen. „Ein Gebäude sollte 200 Jahre stehen“, sagt Kaufmann. „Dieser Kindergarten lässt eine große Flexibilität zu. Man könnte ihn auch als Wohnbau oder Büro nutzen.“ Die Haustechnik braucht kaum Technik, zum Lüften genügen ein Fenster und die Nachtkühlung, an der Decke sind selbst gebaute „Heizkörper“ aus Trapezlochblech installiert, die gleichzeitig Schall absorbieren. Auch die schlichten, praktischen Holzmöbel sind von den Architekten geplant.

Der Naturkindergarten ist ein Herzeigebeispiel für umweltbewusstes Bauen. Seine Fichtenstämme hatten keine weite Anreise, sie stammen aus dem Dornbirner Stadtwald, wurden im Dornbirner Sägewerk gesägt, getrocknet und gehobelt. Konstruktion, Beplankung, Einbauten und Möbel sind durchwegs aus Holz, das – ebenso wie sämtliche Metalle – nicht beschichtet ist. Man verwendete fast ausschließlich ökologische Baustoffe. CO2-intensive Materialien wurden nur dort eingesetzt, wo sie wirklich nötig sind. Der Naturkindergarten wurde in Rekordzeit errichtet. Vom Erstgespräch bis zur Fertigstellung dauerte es genau ein Jahr. Das 30 Jahre alte Plattenfundament des Altbaus wurde aufgefräst, sein Stahlbeton für das neue Punktfundament genutzt. Die Bodenplatte des Neubaus ist aus Vollholz, vier Stufen erhöht schwebt sie nun über der Wiese.

Ein Team von 19 Elementarpädagoginnen betreut hier derzeit 79 Kinder zwischen drei und sechs Jahren, sechzehn davon besuchen die Integrationsgruppe. Die maximale Anzahl wäre 92, der Zugang liegt in einer leicht eingerückten Nische in der Mitte im Norden, wo auch die Niederbahnstraße verläuft und alle Eltern zufahren. Von hier führt ein großzügiger, fünf Meter breiter, von einem zentralen Oberlicht erhellter Flur durch das ganze Gebäude bis zum Garten.

Dieser zentrale Raum bildet das gemeinsame soziale Herz des Kindergartens: Hier reihen sich der kleine Vorbereich vor der Direktion, der Esstisch unterm Oberlicht und der Mehrzweckraum mit direktem Zugang ins Freie aneinander, von hier werden alle vier Gruppen erschlossen. Sie liegen an den vier Ecken des Gebäudes, die Gruppenräume mit der kleinen Rückzugsnische öffnen sich mit großen Glasfronten nach Westen und Osten zum Garten, im Norden und Süden bilden die Umkleiden mit den Schmutzschleusen und Außen-WCs die Nahtstelle ins Freie. „Jeden Tag ist hier so viel möglich“, schwärmt Elementarpädagogin Brigitte Zech, die Leiterin des Kindergartens. „Man kann es mit dem Vorgängerbau nicht vergleichen. Wir sind von einem Hexenhäuschen in ein Prachtexemplar gezogen.“

Daten & Fakten

Objekt: Kindergarten Niederbahn, Dornbirn

Bauherr: Stadt Dornbirn

Architektur: Johannes Kaufmann und Partner, Dornbirn, www.jkundp.at

Bauphysik: DI Meusburger, Schwarzenberg

Brandschutz: KM Brandschutztechnik, Lochau

Elektro: Elektroplanung Elmar Lingg, Schoppernau

Entwässerung: Ingenieurbüro Landa, Dornbirn

Freiraum: Land Rise, Egg

Geotechnik: 3P Geotechnik, Bregenz

HLSK: Planungsteam E-Plus, Egg

Statik: gbd, Dornbirn

Planung: 03/2022–03/2023

Ausführung: 03/2023–10/2023

Grundstück: 12.950 m²

Nutzfläche: 360 m²

Energiekennwert: 57 kWh/m² im Jahr (HWB)

Baukosten: 2.660.000 Euro

Ausführende: Baumeister: Zimmermann Bau, Bregenz; Boden- und Wandbeläge: Spiegel Parkett, Dornbirn; Fenster und Türen: Hartmann Fensterbau, Nenzing; Holzbau: Fussenegger, Dornbirn; HSK Installationen: Engel Installationen, Dornbirn; Lüftung: Kranz Luft-Klima-Technik, Weiler; Möblierung lose: Resch Möbelwerkstätten, Aigen-Schlägl; Schlosser: Schlosserei Klocker, Dornbirn; und weitere