Ein moderner Stall ist in der Regel eine lange, monotone Halle, weit draußen,
außerhalb der Siedlung. Vom „Erlebnis Bauernhof“, bekannt und beliebt aus Werbung und Bilderbuch,
kann in solchen Agrarbetrieben keine Rede sein. Wie gut für unsere Sehnsucht nach Sinnlichkeit und Sichtbarkeit,
nach glücklichen Schweinen und Kühen, nach duftendem Heu und Ziegenaroma,
dass auch diese Regel ihre Ausnahmen hat – in Röthis etwa: ein Stall,
der eigentlich ein „umgekehrter Zirkus“ ist.

Autor: Tobias Hagleitner | Fotos: Georg Alfare, Benno Hagleitner

Schon einige Jahre hatten Armin und Monika Ebenhoch überlegt, wie ein neuer Stall sinnvoll in die bestehende Hofanlage integriert werden könnte. Bei den relativ beengten Verhältnissen des Grundstücks mitten im Röthner Zentrum keine einfache Aufgabe. Klar war nur eins, erinnert sich der Landwirt an die täglichen Mühen im kleinteiligen alten Stall: „Entweder wir bauen etwas oder wir lassen das Ganze bleiben.“ Verkaufschlager am Hof ist ohnehin der Most. Man hätte sich darauf konzentrieren und die Tierproduktion aufgeben können.

Der oktogonale Grundriss macht den Stall in bautypologischer Hinsicht zum Zentralbau. Zwei Segmente sind als Vorbereich und Einfahrt freigehalten, sodass Heulager und Futtertisch als Kernstück des Gebäudes auch für den Traktor ideal erreichbar sind.
Als Außenklimastall wird das Bauwerk ganz ohne Technik durch das dunkle, aber licht- und luftdurchlässige Netz hinter dem lockeren Fassadenschirm aus Lärchenholz belüftet. Die gesamte technische Infrastruktur des Gebäudes kommt in dem kleinen Wirtschaftsraum neben der Einfahrt unter.
Schräge Fassadenflächen geben dem schlichten und insgesamt sehr pragmatisch gestalteten Baukörper Eleganz und Leichtigkeit. Die Geometrie trägt außerdem zum konstruktiven Holzschutz der horizontalen Schalungsbretter bei.

So wäre es vielleicht gekommen, hätte der Bauer und gelernte Zimmerer nicht eines Morgens, mitten beim Ausmisten, die zündende Idee gehabt: „Was wäre, wenn wir einen umgekehrten Zirkus machen?“ Noch in Gummistiefeln zeichnete er den Einfall schnell auf eine Holzplatte. „Moment,“ zwinkert Armin Ebenhoch, „irgendwo steht sie noch herum“, verschwindet im Lager und erscheint mit einer verstaubten Schaltafel wieder. Ganz klein in einer Ecke ist da mit ein paar Bleistiftstrichen die Grundidee für das Stallgebäude, wie es heute dasteht, festgehalten: ein achteckiger Grundriss, in der Mitte die „Manege“ zur Versorgung, ringsum aufgefädelt die Liegeflächen für die Tiere.

Die Zirkus-Idee kommt nicht von ungefähr. Fast exakt am Bauplatz wurde schon einige Male ein kleines Zirkuszelt aufgestellt, das sich für die großen Hoffeste bestens bewährte. Und in dem gastfreundlichen Betrieb mit Direktvermarktung spielen das Zuschauen, das Erleben und Dabeisein seit jeher eine große Rolle – ein bisschen wie im Zirkus eben. Der Hof ist Teil des öffentlichen Geschehens mitten im Ort. Unmittelbar daneben steht das Vorderlandhus, gemeinsames Altersheim und Sozialzentrum von acht Gemeinden der Region, auch Kindergarten und Volksschule sind nicht weit.

„Die Grundidee habe ich in zehn Minuten gehabt“, erzählt Bauer Armin Ebenhoch. Auf einer Schaltafel hielt er den Gedankenblitz mit einer Bleistiftskizze fest. Dass inzwischen tatsächlich gebaut wurde, ist dem Brett anzusehen.

Armin und Monika Ebenhoch schätzen das Interesse und binden Groß und Klein mit unterschiedlichen Angeboten aktiv ins Geschehen ein. Für die Gestaltung des Hofs und insbesondere eines Neubaus bedeutet die große Aufmerksamkeit aber auch eine Verantwortung, die der Bauherrschaft von Anfang an bewusst war. „Als Zimmermeister hätte ich den Holzbau selbst planen dürfen“, sagt Armin Ebenhoch, „aber das ist eine sehr sensible Angelegenheit mitten im Dorf. Da muss alles passen.“

Ziegen, Rinder, Schweine gehören zum „Stammpublikum“ im Stall. Die – ebenfalls achteckige – Hasenbox ist im Bild nicht sichtbar. Die kann nämlich mittels Kran nach oben gezogen werden und wird nur zur Betreuung der Tiere abgesenkt.
Monika Ebenhoch legt Wert auf den liebevollen Umgang mit Tieren und Menschen. Gerade erklärt sie die praktische Handhabung der Tore auf der Futterbühne. Die Ochsen muhen dazwischen. „Seid still da unten, Buben, jetzt bin ich am Reden!“

So wurde mit der ausgebildeten Architektin Heike Bruckner, damals Planungsberaterin der Landwirtschaftskammer, eine engagierte Partnerin gefunden, um die erste Skizze in ein einreichfähiges Projekt zu verwandeln. Baurechtsverwaltung, Gestaltungsbeirat und Nachbarschaft stimmten zu und die ungewöhnliche Idee konnte verwirklicht werden.

„Beim Ausmisten hatte ich die Idee:
Was wäre, wenn wir einen umgekehrten Zirkus machen?
Ich in der Manege und die Tiere als Zuschauer rundherum.“

Armin Ebenhoch
Bauherr

Bei der Konzeption des Gebäudes bedachte das Bauern- und Bauherrenpaar auch die möglichen Nach- oder Zwischennutzungen. Gerade im Sommer, wenn die Tiere auf der Alpe sind, können auch Veranstaltungen stattfinden. Die Struktur funktioniert nicht nur als Stall.

Im Erdreich versenkt bildet der kreisrunde Güllebehälter die unsichtbare Basis des Gebäudes. Die Bodenplatte darüber dient mittig als Futtertisch und Aktionsbereich für Mensch und Maschine, rundherum wurden die Liege- und Laufbereiche für die Tiere angeordnet. Ein Teilsegment des Achtecks enthält die gesamte technische Infrastruktur. Ein großes Einfahrtstor verbindet den Stall mit dem Hof. Das „Galeriegeschoß“ über den Tieren zur Lagerung von Stroh und Heu, der Dachaufbau mit Lüftungslaterne und die Fassaden wurden in Holz ausgeführt.

„Die funktionalen Abläufe sind hier im Grunde nicht neu“, erklärt Heike Bruckner, „ungewöhnlich ist eher die radiale Anordnung.“ Innovativ im landwirtschaftlichen Bauen sind auch die schräg gestellten Holzfassaden, die anstelle eines Dachvorsprungs für den konstruktiven Holzschutz sorgen. „Das hat Anklang gefunden und ist seither bei weiteren Projekten zur Anwendung gekommen“, weiß die Expertin. Wirklich unkonventionell wird es aber auf dem Dach. Dort war Armin Ebenhoch eine intensive Begrünung wichtig, was statisch einen gewissen Mehraufwand bedeutete. „Abmähen muss ich das nicht“, deutet der Bauer auf die Ziegen, die gerade über einen Baumstamm nach oben klettern, „ich habe Rasenmäher.“

Armin Ebenhoch (rechts) im Gespräch mit Heike Bruckner, die das Projekt planerisch begleitet hat. In der Landwirtschaft werde meist konventionell gebaut, was auch seine Berechtigung habe. Aber: „Wenn ein Bauherr eine innovative Idee hat, ist Vieles möglich.“
Der Treppenaufgang zum exklusiven „Penthouse“ auf dem Dach ist den Ziegen vorbehalten, die dieses Zusatzangebot eifrig nutzen.Derzeit ist auch ein Ziegenbock zu Gast. Der sorgt nicht nur für Nachwuchs, sondern auch für das „Wildparkaroma“, wie Ebenhoch es nennt.

Daten & Fakten

Objekt Landwirtschaftliches Mehrzweckgebäude in Röthis

Bauherren Armin und Monika Ebenhoch, Röthis

Architektur DI Heike Brigitte Bruckner Bsc Arch, Landwirtschaftskammer Vorarlberg, Bregenz

Statik SSD Beratende Ingenieure, Röthis

Planungsbeginn 2017

Bauzeit 10 Monate

Grundstück 3500 m²

Nutzfläche 250 m²

Bauweise Holzbau (Tanne), Dachaufbau: Vollholzdecke mit intensiver Begrünung; Fassade: Foliennetzabspannung zur Durchlüftung, horizontale Lärchenschalung; Böden: Monofinish-Oberfläche/Betonspaltendecke

Ausführende Baumeister: Baumeister Ing. Peter Keckeis, Röthis; Zimmerei: Summer Holzbau, Röthis; Heizung/Lüftung/Sanitär: Dorf-Installationstechnik, Götzis; Stalltechnik: Eres Milan, Satteins