In Floras Garten
Drei Wohnblöcke, Doppelhäuser und eine „Südtiroler Siedlung“ aus der Zwischenkriegszeit umgeben das einstige Werksareal der Firma Russ in Lochau. Heute wächst dort die Wohnanlage „Floras Garten“ in ihre Nachbarschaft ein. HK Architekten planten die acht Häuser mit den Fichtenschindelfassaden, die wechselweise um 90 Grad verdreht den Hauptweg flankieren. Der umgebende Freiraum ist mit viel Aufmerksamkeit gestaltet. Das schafft kleine Plätze, öffnet Durchblicke und ermöglicht Begegnung.
Text: Isabella Marboe| Fotos: Cornelia Hefel
Der Name „Floras Garten“ ist ungewöhnlich für eine Wohnanlage. Jedes Haus heißt nach einer Blume, Pflanzen sprießen, alle grüßen. Es ist ein guter Ort. 2018 schrieb die L1 Immobiliengmbh auf dem früheren, 9900 m2großen Werksareal der Firma Russ in Lochau einen geladenen Wettbewerb aus, den HK Architekten gewann. „Die städtebauliche Körnung der Umgebung ist sehr kleinteilig“, sagt Projektleiter Andreas Ströhle. „Wir wollten keine Riesenmaschine hinstellen, sondern die Häuser mit ihrer Nachbarschaft verzahnen.“ Maßstab und Durchlässigkeit waren essenziell.
Im Süden bilden die dreistöckigen Häuserzeilen der „Südtirolersiedlung“ ihr Gegenüber, im Westen stehen drei neuere soziale Wohnblocks, von Süden nach Norden fällt das Grundstück um 2,5 Meter, die Doppelhäuser im Osten liegen sogar ein Geschoß höher: Hier durfte keine Kluft entstehen. „Es sollte einen fließenden Übergang zwischen den privaten, gemeinschaftlichen und allgemeinen Grünflächen geben, aber nicht künstlich wirken“, sagt Ströhle. „Das Gelände wurde mit einer mageren Blumenwiese, Streuobst und einer Brombeerhecke am Zaun stufenweise aufgeböscht.“ Die bestehenden Besucherparkplätze an der Toni-Russ-Straße im Süden bilden den Auftakt. Im ersten Baukörper mit dem massiven Betonsockel wird „die Ölmühle“ mit Produktion und Verkauf einziehen, hier ist auch die Einfahrt in die Tiefgarage, die im Untergrund alle Häuser verbindet. Ihre Lüftungsschächte dienen den Gemeinschaftsbeeten als Sockel. Sie sind mit Cortenstahl verkleidet, jeder darf hier Salate, Tomaten und Blumen pflücken.
„Die städtebauliche Körnung der Umgebung ist sehr kleinteilig.
Wir wollten die Häuser mit ihrer Nachbarschaft verzahnen.
Der Übergang zwischen privaten und allgemeinen Grünflächen ist fließend.“
Andreas Ströhle
Architekt
Die acht drei- und viergeschossigen Häuser mit insgesamt 88 Wohnungen bilden um den Hauptweg zwei Reihen und sind jeweils um 90 Grad gegeneinander versetzt. Diese fast tänzerische Grundaufstellung lässt sie mit ihrem Umfeld in Beziehung treten, ermöglicht Querverbindungen, schafft Plätze und Zwischenräume. Die Häuser sind als Vierspänner organisiert, ein Stiegenhaus erschließt vier Wohneinheiten. Meist liegen sie am Eck, damit sie von zwei Seiten Licht erhalten. Kleinere Wohnungen sind in der Mitte eingeschoben. Es gibt elf Starterwohnungen mit rund 30 m2, zwölf Vierzimmer-Typen mit über 90 m2, der Rest sind Zwei- und Drei-Zimmer-Einheiten zwischen 45-75 m2.
„Durch die Loggia hat man immer einen Blick in den Himmel. Es ist sehr hell“, sagt Frau N., die im Juni eingezogen ist. Besonders schätzt sie auch die hochwertige Ausstattung, den Eschenholzboden, die Schindeln aus dem Bregenzerwald und dass viele heimische Firmen hier mitbauten. Der Enkel ist gern da. „Oma, deine Wohnung ist klein, aber total fein.“ Durch beige, anthrazitgraue und zinnoberrote Screens sieht man von innen hinaus, von außen aber nicht hinein. Die Fassade aus Fichtenschindeln trägt drei Farbtöne und zeichnet von Deckenkante zu Deckenkante einen leichten, konkaven Bogen nach. Das schafft eine grazile Silhouette, lässt Wasser gut abtropfen und die Fensterrahmen feingliedrig aus der Wand hervortreten. „Es braucht nicht viel mehr Holz, wirkt aber wesentlich weicher und organischer“, sagt Ströhle. „Die Unterkonstruktion der Fassade wurde als Bogen mit einem Stichmaß von 12 Zentimetern CNC-gefräst.“
Zwischen den Baukörpern breiten sich Hochbeete, Spielplätze für unterschiedliche Alter aus, Brunnen, Plätze, Bänke, Beete. „Wir haben keine Autos in der Mitte. Es ist gut, hier ein Kind aufzuziehen“, sagt die junge Frau mit ihrem kleinen Pius Corbinius im Arm. Sie wohnt auf knapp 60 m2 im Erdgeschoß mit Mietergarten. „Wir haben viele Fenster, von zwei Seiten Licht und sind südseitig offen. Doch vis à vis gibt es keine Fenster, man sieht nicht aus anderen Wohnungen rein.“ Auch sie schätzt die eingebaute Küche, die tollen Böden und Fenster. Von den Schmetterlingen, Vögeln, Paprika, Salat, Paradeisern und Kapuzinerkresse im Hochbeet ganz zu schweigen. „Morgen!“ tönt es fröhlich aus dem Mietergarten nebenan. Er ist Single, seine Loggia ist mit Perserteppich und Couch ein echtes, gastfreundliches Freiluftwohnzimmer, sein Screen so gut wie nie geschlossen. Seine Mutter wohnt im sozialen Wohnbau gegenüber. „Ich kann ihr winken“, lacht er. „Es ist schön, hier zu wohnen. Jeder grüßt jeden. Wir sind eine sehr gute Gemeinschaft.“
Daten und Fakten
Objekt: Floras Garten, Lochau
Bauherr: L1 Immobilien, Schwarzach
Architektur: HK Architekten ZT, Schwarzach, www.hkarchitekten.at
Statik: Mader Flatz Schett ZT, Bregenz, mfs-zt.at
Fachplanung: Heizung, Lüftung: Koller & Partner, Bregenz; Elektro: Elplan Lingg, Schoppernau; Brandschutz: K&M, Lochau; Bauphysik: WSS Schwarz, Frastanz
Planung: 06/2019–07/2020
Ausführung: 07/2020–06/2023
Grundstück: 9921 m²
Nutzfläche: 5936 m² (zzgl. Keller 567 m²)
Bauweise: Untergeschoß massiv; Erdgeschoße und Obergeschoße: Decken, Treppenhaus und Wohnungstrennwände: Beton; tragende Stahlstützen; Außenwände aus Holzrahmenelementen; Fassade aus Schindeln, in Bogenform angeordnet; Fußbodenheizung mit Erdwärmepumpe/Photovoltaik
Ausführung: Baumeister: Nägele, Röthis; Zimmerer: Stephan Muxel, Au; Kaspar Greber, Bezau; Gerhard Berchtold, Schwarzenberg
Energiekennwert: 23–32 kWh/m² im Jahr (HWB)