Lehrbeispiel
Auf den Babyboom der Wirtschaftswunderjahre folgten eine Schulreform und ein Schulbauboom. Man setzte auf Vorfertigung und den Typus Hallenschule. Diese Bauten der 1970er sind nun an heutige Baustandards und die Raumerfordernisse neuer pädagogischer Konzepte anzupassen. Die umsichtige Sanierung und Erweiterung der Neuen Mittelschule in Satteins um ein Atrium und einen U-förmigen, zweigeschoßigen Zubau von gruber locher architekten zeigt, wie das hervorragend gelingen kann.
Text: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel
Schulen sind Spiegel der Gesellschaft. Die Schulreform von 1962 überzog das Land mit neuen Schulen. Man wollte allen den Zugang zu höherer Bildung ermöglichen und beauftragte ein Architektenteam um Viktor Hufnagl mit der Entwicklung geeigneter Bautypen. Hallenschulen, die um große, zentrale Erschließungshallen organisiert waren, schienen ideal. Dort konnten Schüler, Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen einander beiläufig begegnen, sich versammeln und austauschen. Auch, wenn das kaum geschah: die Architektur ermöglichte Offenheit. Sie wurden in vorgefertigter Bauweise errichtet, das war kostengünstig, fortschrittlich und rasch. In diesen Hallenschulen wurde die Generation der Babyboomer groß, erstere kommen ins sanierungs-, zweitere ins pensionsreife Alter. Die Sport- und Neue Mittelschule in Satteins wurde von Architekt Hugo Purtscher geplant und 1973 eröffnet. Sie musste akustisch, haus-, brandschutz-, fluchtwegtechnisch und pädagogisch erneuert werden. Moderner Unterricht erfolgt in inklusiven Lernlandschaften. Neben Stammklassen muss Raum für Einzel-, Kleingruppen und freiere Unterrichtsformen geschaffen werden. Das erfordert Platz. 2018 schrieb die Gemeinde einen Wettbewerb zu Sanierung und Erweiterung aus, den das Büro gruber locher architekten gewann.
Die Schule liegt am Ortsrand auf einem Gelände, das vom vorderseitigen Haupteingang bis zur rückwärtigen Freifläche im Südwesten um etwa ein Geschoß abfällt. Alle dortigen Kellerräume haben also natürliches Licht, Zugang und Blick ins Freie. Die Architekten ergänzten die Schule um einen zweigeschoßigen, U-förmigen Zubau, der ein helles Innenatrium erzeugt und vor dem hochfrequentierten Pausenhof aufsetzt. „Um den Sportschwerpunkt als Alleinstellungsmerkmal zu erhalten, planten wir auf engem Raum zusätzliche Außensportanlagen ein“, sagt Architekt Reinhold Locher. „Maßgeblich war dabei auch, möglichst wenig Flächen zu versiegeln.“
„Die Hallenschulen der 1970er-Jahre waren ihrer Zeit voraus, sie lassen sich gut an die heutige Pädagogik anpassen.“
Reinhold Locher
Architekt
Der Haupteingang liegt zwischen wichtigen Funktionen – dem Sport im Turnsaal im Nordwesten und dem Unterricht im vierstöckigen Klassenturm im Südosten. Früher stieß man hier an einem Gang an, heute heißt einen die neue Zentralgarderobe willkommen. Der neue anschließende Innenhof und gläserne Wände sorgen für freie Sicht durch das ganze Gebäude. „Ich persönlich finde diese Transparenz im Haus sensationell“, sagt Direktorin Monika Getzner. „Für uns ist es ein Traum zum Arbeiten.“ Am Innenatrium liegen auch die neuen Räume für den Lehrkörper. Inklusive Direktorin und Bewegungscoach sind das 32 Personen, die momentan 244 Kinder zwischen 10 und 14 Jahren in 16 Stammklassen betreuen, fünf davon mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Das ist fordernd: Vis-à-vis vom sonnigen Konferenzzimmer am Eck, das nach Südosten und -westen orientiert ist, gibt es einen Ruhe- und Aufenthaltsraum. Auch Barrierefreiheit war ein Thema. Neben der Eingangstreppe gibt es nun eine Rampe, im Untergeschoß öffnet sich die Bestandsstiege zum Pausenhof mit seinen Sitzstufen. Sie ist nun ein kommunikativer Marktplatz, der sich zum Speisesaal und zur Bibliothek erweitert. „An Schulen ist die Akustik ein wichtiges Thema“, sagt Locher. Ein Bauphysiker prüfte den Estrich, auf der Stiege liegt ein Teppich mit Trittschalldämmung, neue Möbel dämpfen den Schall. „Es ist viel offener und ruhiger als vorher“, sagt Mathematik- und Sportlehrer Wilfried Berchtel. Draußen umspülen Pflanzen, Spiel-, Sport- und Schattenplätze die Schule. „Ich finde den Pausenhof sehr cool. Da gibt es einen Parcours und man kann auch sonst sehr viel machen“, sagt Eva aus der 1c, die mit Freundinnen im Marktplatz ihre Hausübungen macht.
Auf Pausenhofniveau gruppieren sich transparent verglaste Sonderunterrichtsräume um das neue Atrium, ein Geräteturnraum ersetzt das desolate, rückgebaute alte Schwimmbad. Der rundum erneuerte Saal mit Bühne bekam noch ein Foyer mit einer kleinen Küche für externe Veranstaltungen dazu. „Die Architektur der Hallenschulen der 1970er-Jahre war ihrer Zeit voraus“, sagt Locher. Die offenen Stiegenhäuser eignen sich gut als differenzierte Lernbereiche, zwischen den Klassen waren leicht Gruppen-, Arbeits- und Pufferräume zu instal-
lieren. Das sollte auch für die nächste Bildungsreform vorhalten.
Daten und Fakten
Objekt: Mittelschule Satteins
Bauherr: Gemeinde Satteins
Architektur: gruber locher architekten ZT GmbH, Bregenz, www.gruberlocher.com
Bauleitung: Baumeister Thomas Dobler, Dornbirn
Statik: M+G Ingenieure, Feldkirch
Planung: 05/19–12/22
Ausführung: 04/21–06/23
Fachplanung: Elektro: Hecht Elektroplanung, Rankweil; HSL: Planungsteam E-Plus, Egg; Bauphysik: Spektrum Bauphysik & Bauökologie GmbH, Dornbirn; Brandschutz: K&M Brandschutztechnik GmbH, Lochau; Küche: Gastroplan, Götzis;
Bauweise: Betonskelettbau, Außenwände in Leichtbauweise; Fassade Bestand – Eternit, Fassade Neubau – Blechprofil
Ausführung: Baumeister: Dobler Baugesellschaft, Röthis; Elektroinstallation: EGT Gürtler GmbH, Mils; Heizung,Sanitär: Markus Stolz, Feldkirch; Lüftung: Kranzluft-klima-technik, Weiler; Estrich: Küng Bodenbau, Thüringen; Abdichtung/Spengler IAT GmbH., Röthis; Fassade Metall: Feist GmbH, Satteins; Fassade Glas: Glas müller, Frastanz; Fenster: Hartmann Fensterbau, Nenzing; u. a.
Baukosten: 11,7 Mio. € netto
Techn. Daten: Energiekennwert: 51 kWh/m2a Bestand, 31 kWh/m2a Neubau