Die Lehrwerkstätten der illwerke vkw in Vandans hatten ausgedient. Der neue
energie campus montafon trat ihre Nachfolge an. HK Architekten planten
den kompakten Quader mit dem hochkomplexen Innenleben aus Werkstätten,
Laboren und Seminarräumen. Lehrlinge werden hier in fünf Berufen –
Maschinenbau, Elektrotechnik, Mechatronik, Informationstechnologie
sowie Bürokauffrau/-mann – ausgebildet. Der Quader mit der Fassade
aus Fichtenlatten eignet sich bestens zum Lernen, Chillen und Lehren.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Roland Wehinger, Petra Rainer

Produktion, Speicherung und Verteilung von Strom aus grünen Energiequellen zählen zur Kernkompetenz der illwerke vkw AG. Sie betreibt in Vorarlberg über 30 Wasserkraftwerke. Der wichtigste Standort für die Stromproduktion ist das illwerke vkw zentrum montafon (IZM) in Vandans. Die dortige Gefälle-stufe Latschau-Rodund weist eine Höhendifferenz von 350 Meter auf, 1943 ging das Kraftwerk Rodund I in Betrieb, 1976 folgte Rodund II. Nach einer Notabschaltung 2009 tauschte man Maschinen und Technik. Rodund II deckt nun an kalten Wintertagen den halben Energiebedarf Vorarlbergs ab.

HK Architekten planten den Verwaltungsbau des IZM, in dem sich der Nachhaltigkeitsanspruch der illwerke vkw exemplarisch manifestiert. 2013 wurde der liegende Büroriegel am Stausee fertig. Der Holz-Beton-Verbundbau erreicht in Platin und Silber die höchsten Nachhaltigkeits-Zertifizierungen. Mit über 1200 Beschäftigten und rund 100 Lehrlingen sind die illwerke vkw einer der wichtigsten Arbeitgeber im Ländle. „Die neuen Lehrwerkstätten sollten den jungen Leuten vermitteln, dass ihre Lehre einen hohen Stellenwert hat“, sagt Ausbildungsleiter Richard Dür. Am Standort Van-dans kann man sich viel Praxiswissen aneignen, selbstbewusst bezieht der kompakte, freistehende Quader zwischen dem Verwaltungsbau im Westen und dem mächtigen Hallen- und Werkstättenkomplex im Osten Position.

„Uns war wichtig, dass sich der energie campus montafon klar vom Büro abhebt“, sagt Projekt-leiterin Daniela Wache von HK Architekten. „Er sollte etwas Raues haben und aus wertigen, robusten Materialien bestehen.“ Wie eine mit dem Stift gezogene horizontale Linie zieht sich ein Vordach aus Sichtbeton im Erdgeschoß um die Gebäudekante. Gleich beim Eingang im Süden begrüßt eine Vitrine mit Werkstücken der Lehrlinge. Deren Präzision stellt ihnen ein ausgezeichnetes Zeugnis aus. Vom Foyer blickt man in die zweigeschoßhohe Halle mit dem vertikalen Lagersystem. Sie nimmt die nördliche Gebäudehälfte ein und reicht bis an die Decke des ersten Stocks. In diesen zwei Ebenen ist die Metallausbildung angesiedelt, deren Werkstätten die größten, schwersten Maschinen und empfindlichsten Prüfstände erfordern.

„Werkstatt, Büro, Labor- und Schulungsräume sind verschieden.
Wir wollten alle möglichst gut belichten,
aber trotzdem ein ruhiges Fassadenbild.
Daher entwickelten wir eine vertikale Lamellenstruktur.“

Daniela Wache M.Sc.
Projektleiterin Architektur

Alles ist schön: Das Stiegenhaus aus Sichtbeton hat ein Geländer aus Schwarzstahl und wird von einem Oberlicht erhellt, eine Galerie in der zweigeschoßigen Werkshalle schafft Überblick, große Holzfenster sorgen für viel Tageslicht. Immer wieder gibt es Durchblicke von Raum zu Raum und Graffiti-Botschaften an den Sichtbetonwänden. Die Lehrlinge haben sie in Workshops mit dem Street-Art-Künstler Fabian Hämmerle und dem Autor Muhammet Ali Baş entwickelt, getextet und gesprayt. „Im energie campus montafon sind viele Funktionen vereint. Werkstatt, Büro, Labor- und Schulungsräume haben unterschiedliche Anforderungen. Wir wollten aber alle möglichst gut belichten und uns keinen formalen Zwang auferlegen“, sagt Wache. „Von außen sollte trotzdem ein einheitliches Bild entstehen. Daher entwickelten wir eine vertikale Lamellenstruktur.“

Die vorstehenden Verstärkungen – der Fachbegriff ist „Lisenen“ – aus vorvergrauter Fichte ziehen sich von oben nach unten über die gesamte Gebäudelänge. „Diese Lamellen dienen zudem gegen Überhitzung, als Sonnen- und Blendschutz“, sagt Daniela Wache. „Sie sind so tief dimensioniert, dass zu keiner Zeit direktes Sonnenlicht auf die Maschinen fällt.“ Entspiegeltes Glas hält Vögel davon ab, in die Fassade zu fliegen.

Im zweiten Stock sind die Elektrotechnikwerkstätten und -labore, die Mechatronik verteilt sich über alle Ebenen. Im dritten Stock betreiben die IT-Techniker(innen) ihr IT-Labor mit eigenen Servern, befinden sich die Lehrlingsadministration und Ausbildung für die Bürokaufleute. Die großzügige Aufenthaltszone dazwischen ist mit Bar und Küche aus robusten, beschichteten Holzwerkstoffen und Edelstahl gestaltet. „Wir backen auch Brot und kochen gemeinsam. Das ist gut für den Teamgeist“, sagt Dür. Hier begegnen einander Lehrlinge aller Sparten, auch Couch und Tischtennistisch stehen da. Dieses soziale Herz des energie campus motafon dehnt sich auf die Dachterrasse ins Freie aus. Dezent verbirgt sie sich hinter der Fassade. Hier wird gegrillt und gechillt. Theoretisch könnte man sie über-bauen. Alle hoffen, sie bleibt.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt energie campus montafon, Vandans
Bauherr illwerke vkw AG, Bregenz
Architektur HK Architekten ZT, Schwarzach, www.hkarchitekten.at
Statik Bernard Gruppe ZT, Hall in Tirol, www.bernard-gruppe.com
Fachplanung Heizung, Lüftung: Netzer, Feldkirch; Heizung, Sanitär, Elektro: illwerke vkw, Bregenz; Brandschutz K&M, Lochau; Bauphysik: Lothar Künz ZT, Hard u. a.
Planung 10/2018–11/2021
Ausführung 03/2020–05/2022
Grundstück 4981 m²
Nutzfläche 2589 m² (zzgl. Keller 503 m²)
Bauweise Untergeschoß massiv, darüber Holz-rahmenkonstruktion mit massivem Kern; Heizung: Grundwasserwärmepumpe
Besonderheiten Mitarbeit Lehrlinge; Ökologie: Vogelfreundliches Glas, Fledermaus-Nistkästen
Ausführung Baumeister: Wilhelm-Mayer, Götzis; Zimmerer: Kieber, Schruns; Fenster: Böhler, Wolfurt
Energiekennwert 28 kWh/m2 im Jahr (HWB)
Kosten 6,3 Mill. Euro