Im Bludenzer Ortsteil Bings haben Zottele.Mallin Architekten
einen neuen Kindergarten im Auftrag der Stadt Bludenz geplant.
Der Neubau macht das Areal zum Bildungscampus
und formt einen Platz für die Gemeinschaft.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Petra Rainer

Die Stadt Bludenz hat eine neue Kleinkindbetreuung und einen neuen Kindergarten errichtet – in Bings. Der Ortsteil von Bludenz liegt gut zwei Kilometer von der Stadtgrenze entfernt. Der Fluss Alfenz bildet eine natürliche Grenze zur Gemeinde Stallehr im Montafon. Bings zählt, wie auch die Bludenzer Ortsteile Außerbraz und Radin nicht zum Walgau, sondern bereits zum Klostertal und ist auf der Architekturlandkarte nicht unbekannt. 2003 hat Architekt Hans Hohenfellner hier bereits mit dem Umbau der Volksschule Akzente gesetzt. Auch ein Kindergarten und ein Turnsaal standen damals mit auf der Agenda eines umsichtigen Bauplans. Das Areal dieser ortsbaulichen Entwicklung war schon damals das unmittelbar an der Kirche gelegene Gebiet und eine bereits bestehende Volksschule aus dem Jahre 1948, deren Erscheinungsbild keine Veränderung erfahren durfte.
Daher wurden der Turnsaal und der Kindergarten in einem eigenständigen Baukörper unter-gebracht. Der Neubau musste Auflagen bezüglich der Bauhöhe erfüllen, die die Architektur wesentlich prägten und in einem Mindestabstand zur 110-kV-Starkstromleitung begründet waren. So wurde der Turnsaal eingegraben und mit einem unterirdischen Gang zu Volksschule und Kindergarten verbunden.

Selbiges Areal erfuhr nun neuerlich eine Erweiterung, der Kindergarten brauchte mehr Platz. Unterirdische Gänge gibt es auch diesmal und auch einige Momente der Rücksichtnahme – sowohl auf den baulichen Bestand als auch auf die Verkehrssituation. Der neue Kindergarten schließt den Platz zur Straße hin ab und formt so einen Innenhof, der Kirche, Schule und Kindergarten miteinander verbindet und auch alle Funktionen besitzt, die ein Dorfplatz haben muss. Diesen gab es bisher in dieser geschlossenen und damit auch wohlig-atmosphärischen Form noch nicht. Ein echter Zugewinn für Bings.

Doch nicht nur, sondern für die Stadt Bludenz insgesamt, die derzeit auch am Campus Bludenz arbeitet, einem neuen Bildungsquartiert, ist der Campus in Bings ein Schritt, der die Bemühungen der Stadt in der Ausformulierung von zeitgemäßen Bildungslandschaften zeigt. Kindergärten und Kleinkindbetreuung haben gesellschaftlich viele Funktionen. Sie sind wichtige soziale und kulturelle Infrastrukturen – hier geht es auch, aber eben nicht ausschließlich – um Betreuung. Der Kindergarten als erste Bildungseinrichtung bekommt hier einen prominenten Platz und dient zudem mit einem offenen Raum zur Mitte hin als Drehscheibe für das Dorfleben. Auch die Kinder von Stallehr haben hier einen guten Ort und so zeigt sich an diesem Projekt vorbildlich, was Gemeinden zusammen für die Region und in der Region bewirken können.

„Wir wollten mit dem Kindergarten einen Beitrag
zur Ortsentwicklung leisten.“

Markus Mallin
Architekt

Zur Straße hin, weil stark befahren, ist die Fassade des Kindergartenneubaus geschlossen. Wenige, dafür groß dimensionierte, Fensterflächen ermöglichen Orientierung – und wunderbare Ausblicke. Im Inneren ist der Neubau ein wohliger Ort geworden – mit Kieferholz aus dem eigenen Wald, mit viel Licht und großzügigen Raumdimensionen. Gleich neben dem Eingang ist der Raum für die Mittagsbetreuung angelegt. Mit raumhoher Verglasung ist er wie ein Teil des Platzes und als solcher wirkt er auch bei Festen der Gemeinde oder externen Nutzungen. Es folgen erste Gruppenräume und ein zweigeschoßiger Bewegungsraum mit beeindruckenden Ausblicken.

Rund um den Stiegenaufgang ist im ersten Geschoß eine Gangsituation angeordnet. So sind schnelle Wege garantiert, aber auch mehrere Nutzungen möglich. Wertvoll und wichtig ist ein Raum für das pädagogische Personal, das sich hier vorbereiten, besprechen, aber auch einmal kurz für eine Pause zurückziehen kann. Ein Balkon im ersten Geschoß ist ein wertvoller Außenraum mit stattlicher Wirkung – mit etwas Fantasie kommen gleich erste Gedanken für weitere Nutzungen und Auftritte mit Konzerten und Schauspiel in den Sinn. Dem Architekturbüro wie auch der Stadt war es wichtig, den Kindergarten als Teil der dörflichen Struktur zu integrieren. Das ist vollends gelungen. Aus einer Reihe von Einzelgebäuden wurde ein Campus, der Bildung und Zusammenleben vom Kleinkind bis ins hohe Alter thematisiert und zeigt, diese Idee ist nicht urbanen Gebieten vorbehalten, sondern macht auch – und vielleicht besonders – in Dörfern Sinn.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Zubau Campus Bings
Bauherr Stadt Bludenz
Bauleitung Helmut Erhard
Architektur Zottele.Mallin Architekten ZT, Bludenz
Statik Amiko Bau Consult, Bludenz
Fachplanung Bauphysik: BDT IB Bauphysik, Frastanz; Elektro: Meusburger Willi, Bezau; Haustechnik: Töchterle GmbH, Bürs
Planung 09/2019–02/2021
Ausführung 03/2020–05/2021
Grundstück 533 m²
Nutzfläche 400 m²/ Untergeschoß: 262 m²
Bauweise Massiv, verputzt; Innen: Kalkspachtelung; extensiv begrüntes Dach; Holzfens­ter; Innenausbau: Kiefer; Niedrigenergiehaus mit kontrollierter Be- und Entlüftung/Kaskadenlüftung; Heizung: Anschluss an Bestand Volksschule über Fußböden
Ausführung Baumeister: Nägele, Röthis; Sanitär & Elektro: Stolz, Bludenz; Fenster: Böhler, Wolfurt; Verputz: Preite, Bürs; Spengler: Fritz, Bludenz; Estrich: Küng, Thüringen (u. a.)
Energiekennwert 27 kWh/m² im Jahr (HWB)
Baukosten 2 Mill. Euro