Kirchenbauten sind symbolisch aufgeladene Bauwerke. Sie stehen in enger Beziehung zu liturgischen Handlungen und sind dennoch auch Bauwerke aus einer bestimmten Zeit, die Pflege und Aktualisierung brauchen. Die Renovierung der Kirche in Lauterach ist ein wunderbares Beispiel für den verständigen Umgang mit Kirchenräumen, denn diese sind nicht nur materielle Hülle, sondern Teil des Gottesdienstes. Ein neues Pfarrzentrum ergänzt nun das bauliche Ensemble.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Maria Ritsch

Die Ausstattungselemente wurden restauriert Kanzel, Fenster, Holzdecke, Wand- und Deckenelemente, Figuren und Kreuzwegstationen fanden Paten, die die Restaurierung unterstützten.

Maß und Zahl sind die Universalien der Architektur. Sie sind nicht nur Grundlage für die technische Realisierbarkeit eines Bauwerkes, sondern schaffen auch eine innere Ordnung. Diese innere Ordnung spielt bei sakralen Räumen eine wichtige Rolle. Kirchenbauten sind symbolisch aufgeladene Bauwerke. Sie stehen in enger Beziehung zu liturgischen Handlungen und sind dennoch auch Bauwerke aus einer bestimmten Zeit, die Pflege und Aktualisierung brauchen. Die Renovierung der Kirche in Lauterach ist ein wunderbares Beispiel für den verständigen Umgang mit Kirchenräumen. Diese sind nicht nur materielle Hülle, sondern Teil des Gottesdienstes. Neben den Zeremonien und Riten des christlichen Gottesdienstes spielen für diesen auch das Wort, Musik, Raum und Bilder eine wichtige Rolle. Sie bilden einen Rahmen, schaffen Atmosphäre, sie sind Teil der Feier, ermöglichen eine eigene Form der Exegese, der Auslegungen und Verständigung religiöser Inhalte. Mit Wolfgang Ritsch und seinem Team gewann die Pfarre einen Architekten mit liturgischer Raum- und Bildkompetenz und einem großen Sensorium für die spirituelle Dimension eines Bauwerkes. Kirchengebäude- und räume sind wesentlich durch die Theologie und Liturgie ihrer Entstehungszeit geprägt. Und so war für die Aktualisierung eine Einbeziehung der Denkmalpflege durch Barbara Grabher-Schneider für das Projekt wichtig, ebenso wie des Diözesanbaumeisters Herbert Berchtold. So bedeutsam die Symbolik des Kirchenraums ist, Symbole verweisen immer auf etwas Reales – so war es wichtig, sich zu verständigen: Von wo aus soll gepredigt werden? Wo steht der Altar? Wo ist der Taufort? Welche Rolle spielen Licht und Akustik? Wie wird die Kirchengemeinde in die liturgischen Handlungen involviert? Der Raum ist Teil des Gottesdienstes durch seine Materialisierung, die genaue Bestimmung der Orte der Liturgie, die Platzierung der Gemeinde, durch Akustik und Lichtführung.

Kirchenräume sind Teil des Gottesdienstes. Licht und ­Akustik bestimmen ganz wesentlich die Atmosphäre des Raumes.
Mit Charles Keller wurde an der Lichtführung gearbeitet. Je nach Anlass können unterschiedlichste Lichtstimmungen gewählt werden.

Sanierungsnotwendigkeiten und Neugestaltung gingen dabei wie selbstverständlich Hand in Hand. Das Kirchendach musste erneuert weden, der Turm saniert und die Eindeckung ergänzt. Außenwände und Fundamente mussten entfeuchtet und abgedichtet werden. Die Fassade wurde mit Kalkfarben neu gestrichen, die Sandsteingesimse und die Fensterwände wurden instandgesetzt. Im Innenraum entschied man sich für große Eingriffe. Alte Aufnahmen zeigen, wie sich der Kircheninnenraum immer wieder verändert hat. Dem heutigen Verständis entsprechend wurde der Raum als offener, freundlicher Ort gehalten und dem Licht eine besondere Bedeutung eingeräumt. Zusammen mit dem Schweizer Lichtexperten Charles Keller wurde ein Konzept entwickelt, das den Raum in unterschiedlichste Lichtstimmungen tauchen kann. Eine Besonderheit der Lauter­acher Kirche ist eine Zirbenholzdecke, die einst von Simon Kritzinger gebaut wurde. Sie enthält über dem Altarraum ein Marienmedaillon und weitere kleine Medaillons über dem Kirchenschiff und fasst den Raum auch atmosphärisch. Die Betonsteinplatten am Fußboden wurden aufwendig neu verlegt, originalgetreu ergänzt und mit einer neuen Fußbodenheizung unterlegt. Die Beschallungsanlage ist nicht sichtbar, aber raumwirksam. Der gesamte Altarraum wurde mit einem neuen Altar, Ambo und Taufstein nach Plänen von Wolfgang Ritsch ausgestattet. Bei den Kirchenbänken entschied man sich für eine Restaurierung und neue Aufstellung. Die Ausstattungselemente wie Figuren, Kanzel, Fensterelemente, Wand- und Deckengemälde und Kreuzwegstationen wurden mit finanzieller Unterstützung aus der Bevölkerung restauriert.

Das Innere des Pfarrzentrums ist ebenso hochwertig wie einfach. Beton und Weißtanne vermitteln eine unaufgeregte, zeitgemäße Atmosphäre und sind elegant und pflegeleicht zugleich.
„Die Aufgabe war vielschichtig und herausfordernd. Ein wichtiger Schlüssel war die gute Zusammenarbeit vieler Akteure/innen und die Einbeziehung und Information der Bevölkerung von Lauterach.“

Wolfgang Ritsch
Architekt

Direkt an das Kirchengebäude schließt mit dem Umbau nun auch ein neues Pfarrzentrum an. Neben Innen- und Außenrenovierung und neuen Außenanlagen war das die vierte Station des vielschich­tigen Projektes. Vom Eingang mit geräumigem Vorraum geht es dort in einen mittelgroßen, hellen, freundlichen Raum. Wertigkeit und Einfachheit geben sich hier die Hand. Im oberen Stock sind multifunktionale Räume für Besprechungen, Teamsitzungen, Gruppenarbeit, Chor- und Musikproben und andere Anlässe. Eine kleine, perfekt ausgestattete Aufwärmküche ergänzt das Angebot. Die Fensteröffnungen sind groß, die Ausblicke großartig. Mitten im Dorf ist das neue Pfarrzentrum nicht sofort einsehbar, aber Teil der Siedlungslandschaft. Der Massivbau aus Stahlbeton wurde mit einer außenliegenden Dämmung und hinterlüfteter Eichenholzleistenfassade ausgeführt. Innenseitig sind die Räume geprägt von Sichtbetonoberflächen und Innenwänden und Akustikdecken aus Weißtanne. Die Blecharbeiten wurden in Kupfer ausgeführt. Barrierefreiheit und eine einfache Zugänglichkeit war der Pfarre wichtig und gute Außenräume. „Ein erstes Konzept hat Maria-Anna Moosbrugger-Schneider entworfen. Weitergeplant und ausgeführt wurde mit Markus Cukrowicz.“ „Auch der Baumschutz lag uns am Herzen“, ergänzt Elmar Kolb. „Die vordere Linde steht sogar unter Denkmalschutz. Wir haben uns hier Expertise geholt und unter den befestigten Flächen Subs­trat eingefügt, um die Bäume in Trockenphasen im Wachstum zu unterstützen.“ „Wir haben lange geplant und uns Zeit genommen für Gespräche, für Reflexion“, sagt Wolfgang Ritsch. „Die Pfarre und die Bevölkerung haben uns viel Rückhalt gegeben und ebenso die Professionalität und Verlässlichkeit unserer Partner.“

Das neue Pfarrzentrum St. Georg schließt direkt an das Kirchengebäude an. Es folgt in seiner Präzision und stimmigen Proportionen dem alten Kirchenbau.
Alle Räume sind multifunktional – hier treffen sich Gruppen, finden Gespräche satt, Feste, wird gesungen und geprobt und Kirchenalltag gelebt.
Raumwunder – die Räume sind hervorragend konzipiert mit vielen praktischen Details und einfachen Griffen.
Das neue Pfarrzentrum St. Georg schließt direkt an das Kirchengebäude an. Es folgt in seiner Präzision und stimmigen Proportionen dem alten Kirchenbau.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Pfarrkirche St. Georg Lauterach

Bauherr Pfarre St. Georg der Marktgemeinde Lauterach, Pfarrer Mag. Werner Ludescher, Altbürgermeister Elmar Kolb

Architektur Wolfgang Ritsch

Architekten Wolfgang Ritsch, Gerold Schrack

Fachplanung Projektsteuerung/Bauleiter: Thomas Marte, Dornbirn; Landschaftsarchitektur: Markus Cukrowicz, Schaffhausen (CH); Statik: Erich Huster, Bregenz; HSL-Planung: Werner Dür, Lauterach; Elektroplanung: Elmar Lingg, Schoppernau; Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach; Entwässerungsplanung: Andreas Landa, Dornbirn; Geotechnik: 3P Geotechnik, Bregenz; Vermessung: Markowski Straka, Feldkirch; Lichtplanung: Charles Keller, St. Gallen (CH); Multimediaplanung: Gallus Media, St. Gallen (CH); Baustellenkoordination: Dietmar Schuchter, Göfis; Bestandsaufnahme: Raimund Rhomberg, Dornbirn

Planung 2014-2019

Ausführung 06/2018-12/2019

Grundstücksgröße 3969 m²

Nutzfläche Kirche 873 m²

Nutzfläche Haus St. Georg 275 m²

Außenanlagen 1720 m²

Energiekennwert Haus St. Georg: 52 kWh/m² im Jahr

Fotonachweis Maria Ritsch, Wien