Wie viel Platz braucht man wirklich? Eine Frage, die viele lieber
unbeantwortet lassen. Nicht so Dagmar und Werner Längle, die sich dazu
entschieden haben, das zu groß gewordene Haus der Tochter und ihrer Familie
zu überlassen und sich nebenan ein kleines neues ganz aus Holz zu bauen.

Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Stefan Hauer

Als Dagmar und Werner Längle vor 26 Jahren in Frastanz für sich und ihre drei Kinder ein Haus bauten, haben sie es so positioniert, dass sich auf dem 900 Quadratmeter großen Grundstück noch ein zweites ausgehen könnte. In dem die zwei nun seit gut einem Jahr wohnen, während in das „alte“ Haus die Tochter samt Familie eingezogen ist. Sich von 130 Quadratmetern auf 80 zu verkleinern, sei allerdings trotz guter Vorsätze alles andere als einfach, sagt Dagmar Längle, besonders den Keller vermisse sie noch immer. Trotzdem sei der radikale Schritt, sich von dem zu groß gewordenen Haus zu trennen, der exakt richtige gewesen.

Eine reife Entscheidung, vor der sich viele in derselben Situation scheuen. Die Kinder sind flügge geworden, ihre ehemaligen Zimmer meist unbewohnt. Die große Kubatur muss erhalten und gepflegt werden, obwohl sie für die aktuelle Lebenssituation nicht mehr adäquat ist und sich die Frage stellt: Wie viel Raum brauchen wir wirklich, wie und wo möchten wir unser letztes Lebensdrittel verbringen? In einer bequemen Dreizimmerwohnung oder doch in einem eigenen kleinen Haus? Eine Frage, die durch die ideale Grundstückssituation für die Längles relativ leicht zu beantworten war.
Das „alte“ Haus mit seinem markanten Pultdach habe er zum großen Teil selbst gemauert, sagt Werner Längle, beim neuen sei seine Aufgabe allein die gewesen, zu kontrollieren, dass nichts schiefgeht. Im Gegensatz zu ihrem als Hybrid aus Holz und Massivbauweise errichteten ersten Haus ist das von Albert Moosbrugger (firm Architekten Lustenau) geplante neue ein purer, auf einer betonierten Bodenplatte stehender Würfel aus Holz. Aufgestellt in nur zwei Tagen aus vorgefertigten, mit Zellulose gedämmten Elementen, deren Fassaden vertikal mit vorvergrauter Fichte verlattet sind. Horizontal gegliedert durch Alubleche, die den Baukörper in drei Segmente mit unterschiedlichen Höhen gliedern. In dem die Zahl acht eine wichtige Rolle spielt: Der Grundriss beträgt fast acht Meter genauso wie die Höhe und auch Fenster gibt es acht. Vier in unterschiedlicher Form und Größe in jeder der zwei Ebenen.

„Sich räumlich zu verkleinern, ist nicht so einfach
wie man denkt. Besonders den Keller vermisse ich noch immer.“

Dagmar Längle
Bauherrin

Das Haus Längle steht am Ende einer kleinen Sackgasse in einer ruhigen Einfamilien-hausgegend. Während das „alte“ an die östliche Seite des Grundstücks gerückt ist, besetzt das neue die nördliche, wodurch eine geschützte, fast hofartige Situation entsteht. Beide öffnen sich zum gemeinsamen Garten, das neue im Erdgeschoß durch eine raumhohe Verglasung, wodurch der Wohnraum und die diesem vorgelagerte, leicht in die Kubatur hineingezogene Terrasse zu einer Einheit werden. Und der Bereich, in dem die Längles kochen, essen und es sich gemütlich machen, eine angenehme räumliche Aufweitung erhält. Müssen in dieser Ebene doch auch noch ein Technik- bzw. Stauraum, ein kleines Foyer, ein WC sowie die Stiege nach oben Platz haben, was den eigentlichen Wohnbereich auf ganze 35 Quadratmeter schrumpfen lässt. Oben gibt es ein Schlaf- und ein kleines Gästezimmer und das Bad sowie einen Gang, der geschickt als Büro adaptiert ist. Aus Kostengründen wurde auf eine Unterkellerung des neuen Hauses verzichtet. Dafür gibt es einen kleinen, vom Bauherrn selbst gebauten, an den Carport angedockten Schopf.

Die Böden in den Wohnräumen sind aus geweißter Eiche, im Schlafzimmer liegt ein heller Teppichboden, die Wände und Decken sind teilweise aus Weißtanne, teilweise weiß oder bunt gestrichen. Ganz im Sinn eines Neuanfangs haben die Längles nur einige Kleinmöbel mitgenommen. Um sich ganz auf die neue räumliche Situation einzulassen, etwa mit einem Möbel im Wohnraum, das genauso Bank wie Raumteiler ist. Und die Garderobe im Foyer ist das Gesellenstück, mit dem der Sohn seine Tischlerlehre abgeschlossen hat. Dagmar und Werner Längle genießen ganz offensichtlich ihre neue Lebenssituation. Es sei ganz wunderbar, dass die zwei Enkel täglich meist zweimal vorbeikommen und dann auch wieder heimgehen. Und sie seien natürlich die idealen Nachbarn, weil Hausmeister, Babysitter und Gärtner in Personalunion.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Haus Längle, Frastanz

Bauherr Dagmar und Werner Längle

Architekten firm Architekten, Lustenau, www.firm.ac

Statik Mader Flatz, Bregenz

Fachplanung Projektleitung: Thomas Berchtold

Planung 2017–2018

Ausführung 2018–2019

Grundstücksgröße 900 m²

Nutzfläche 80 m²

Bauweise Holzbau

Konstruktion: Außenwand: zellulosegedämmte Holzriegelwand mit hinterlüfteter Wechselfalzschalung; Innenbeplankung mit Weißtanne oder Gipskarton
Dach: Massivholzdecke, Warmdach (PV-Anlage)

Ausführung Generalunternehmer: Berchtold Holzbau, Wolfurt

Energiekennwert 37 kWh/m² im Jahr