Die Voraussetzungen waren schwierig. Der neue Kindergarten von
Deutsch-Wagram liegt unweit vom Kreisverkehr am Ortsende und musste
nach wenigen Monaten Bauzeit fertig sein. Souverän meisterte Architekt Juri Troy
die Situation. Er platzierte einen kompakten vorgefertigten Holzbau so auf dem Grundstück, dass den Kindern maximal viel vom sonnigen Garten bleibt. Beidseitige Verglasung, direkter Zugang ins Freie, Holz, bunte Farben und schöne Möbel schaffen eine gute Atmosphäre.
Und Passivhausstandard.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Juri Troy

Nur dreieinhalb Kilometer trennen Deutsch-Wagram in Niederösterreich von der Wiener Stadtgrenze. Weil die Verkehrsanbindung per Schnellbahn sehr gut ist, wächst der Ort stetig. Hatte er 1981 noch 5021 Einwohner, waren es 2020 knapp über 9000. Besonders für Jungfamilien sind die Lage im Grünen, die vergleichsweise moderaten Wohnkosten und die Nähe zu Wien höchst attraktiv. Das zeigt sich auch am Bedarf von Kindergärten und Schulen. Im Mai 2019 schrieb die Stadtgemeinde einen Wettbewerb für einen viergruppigen Kindergarten aus, im September 2020 ging er in Betrieb. Die Lage war nicht die beste. Die nordöstliche Längsflanke des Grundstücks wird von einer Feuermauer begrenzt, an die ein Autohändler und die Tankstelle beim Kreisverkehr angrenzen. Im Südwesten aber wechselt der Charakter der Nachbarschaft schlagartig ins Dörfliche. Hier passt der Straßenname Feldgasse absolut: eine geschlossene Häuserzeile – eingeschoßig, mit Satteldach – gegenüber weite Felder.

Der Kindergarten ist aus vorgefertigten, über drei Meter hohen Massivholzelementen aus Kreuzlagenholz errichtet. „Mir war wichtig, lauter ökologische Materialien zu verwenden und das Gebäude so klar als möglich zu gliedern“. Weicher Öko-Kautschuk für den beheizbaren Fußboden, unbehandelte Fichte für Wände und Decken, die Luftqualität wird ständig gemessen. Die Längsseiten sind beidseitig raumhoch verglast und von gedeckten Terrassen flankiert. Das bringt – in Kombination mit dem kompakten Baukörper und einer großen Photovoltaikanlage am Dach nicht nur Passivhausstandard, sondern produziert auch den gesamten Energiebedarf durch Sonnenenergie. Die Terrassen am großen Garten sind zwei Meter tief, sie gehen direkt ins Freie – und in die Gruppenräume über. Diese sind mit je neun mal 6,8 Meter sehr ausgewogen proportioniert und am Spielflur hintereinander aufgefädelt. Auch der ist verglast. So gibt es von zwei Seiten natürliches Tageslicht – und unterschiedliche Qualitäten von Freiraum. Einen offenen, weiten Garten – und einen schmalen, geschützten Hof. Viel Licht und der freie Blick ins Freie schaffen ein Gefühl luftiger Weite.

„Mir war wichtig, so viel zusammenhängende
Freifläche wie möglich zu schaffen,
lauter ökologische Materialien zu verwenden –
und das Gebäude so klar als möglich zu gliedern.“

Juri Troy
Architekt

Jeder Gruppe sind ein Ruheraum und eine Sanitärgruppe zugeordnet. Ersterer ist vom Gruppenraum aus zugänglich – auf der Terrasse ist ihm eine Raumbox für Gartengerätschaften zugeordnet. Sie lässt weniger Licht in den Raum und wirkt außen wie eine Art Säule, rhythmisiert die Länge. Beides eignet sich gut zum Verstecken.

Die Sanitärgruppe ist für die Kindergartenpädagog(inn)en einsichtig und vom Gang aus zugänglich. Diese zwei Räume bilden das Trennelement zwischen den Gruppen, vor jeder ragt eine Garderobe auf den Flur. Eine Gruppe ist für die Kleinsten von ein bis zweieinhalb Jahren, die anderen drei sind für die zweieinhalb bis Sechsjährigen. Pro Gruppe bis zu 25 Kinder, jede hat ihre eigene Farbe und Tier. Orange und Käfer, Blau und Fisch, Gelb und Hase, Grün und Eule. Das erleichtert die Orientierung – und durch das glaswandhohe Regalmöbel aus Weißtanne sieht man gleich zu den Freunden hinein.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen (jetzt wieder geöffnet) und Veranstaltungen bietet das vai monatlich Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Passivhauskindergarten Deutsch-Wagram
Bauherr Stadtgemeinde Deutsch-Wagram
Architekten Juri Troy Architects, Prof. arch. mag. Juri Troy, Schottenfeldgasse 72/2/12
www.juritroy.com, office@juritroy.at
Statik Dr. Pech Ziviltechniker GmbH
Planungsdaten Wettbewerb: Mai 2019
Baubeginn: März 2020
Bezug: Oktober 2020
Fachplaner HLS – Planung,
Elektroplanung: TK11 Gebäudetechnik, Hollabrunn;
Statik, Brandschutz, Energiekonzept, Bau- und Raumakustik, thermische Bauphysik: Dr. Pech Ziviltechniker GmbH
Grundstücksgröße 3067 m²
Hauptnutzfläche 715 m²
Bauweise Holzmassivbau
Konstruktion Außenwand: U-Wert 0,152 W/m2K
Dach: U-Wert 0,081 W/m2K
Besonderheiten Passivhaus, klimaaktiv Gold Standard
Photovoltaikanlage, Erdwärmepumpe, nachwachsende Dämmstoffe
Energiekennwert 27,90 kWh/m²a, HWB 9,95 kW/m²a
Baukosten 2 Mill. €
Herstellungskosten netto 2800 €/m2 Nutzfläche netto