Meor ehrod das Ault, und grüssod das Nü
Im Weiler Oberkaltberg oberhalb von Schwarzenberg steht das zwei- bis dreihundert Jahre alte, riesige Bregenzerwälderhaus der Familie Berchtold. Das ehemalige Bauernhaus hat – eher untypisch für ein Wälderhaus – zwei Giebelseiten, die die Einteilung in Hinter- und Vorderhaus auch äußerlich erkennbar machen. Das Hinterhaus wurde bereits vor rund 40 Jahren umgebaut, im Vorderhaus wurden nun alte, verschachtelte Einbauten entfernt und eine moderne zweistöckige Familienwohnung eingebaut.
Text: Kerstin Forster | Fotos: Roswitha Schneider
Oberkaltberg ist ein Weiler oberhalb von Schwarzenberg, eine Ansammlung von etwa 30 Häusern an der Bödelestraße. Gleich unterhalb startet im Winter der Haldenlift, im Sommer führt ein Wanderweg zwischen den Häusern hinunter ins Dorf. Andreas Berchtold ist hier aufgewachsen, seine Eltern haben den hinteren Teil des Hauses, wo ursprünglich der Stall war, vor rund 40 Jahren renoviert. Im Vorderhaus wohnte lange noch die Großmutter, auch eine Ferienwohnung war dort im zweiten Stock untergebracht – insgesamt zeigte sich dieser Hausteil sehr verschachtelt: eng, steile Treppen, nicht nutzbare Resträume, Zwischengänge, komplizierte Erschließung im Haus.
Mit seiner Frau Stefanie und den beiden Kindern wollte er das Haus für die Familie umbauen und holte dafür die Architekten Innauer Matt ins Boot. Das Bezauer Architekturbüro hat viel Erfahrung im Umbau alter Wälderhäuser, ist bekannt für seine intelligenten Lösungen und gleichzeitig sanften Eingriffe. Eine Bestandsaufnahme ergab, dass die Substanz des Hauses zwar gut war, der Zustand der Räume aber eher „mittelmäßig“, wie es Markus Innauer freundlich ausdrückt. Für eine moderne Wohnnutzung waren auf gleicher Grundfläche auf jeden Fall mehr Wohn-, statt Verkehrsfläche sowie ein besserer Lichteinfall nötig. Wichtig war allen, die wertvollen Teile zu erhalten, die Stube und die Strickwand zum Beispiel oder die Zweigeschoßigkeit des Hausteils. Alle Wohn- und Schlafräume haben noch die ursprüngliche Deckenhöhe von knapp zwei Metern – gerade deshalb ist der neu entstandene durchgesteckte und auf beiden Seiten doppelgeschoßig verglaste Zwischenraum so wichtig für die Wohlfühlatmosphäre des Hauses. Er sorgt für eine zentral gelegene Küche, bricht die gedrückte Raumhöhe stellenweise auf und lässt Licht bis in die Hausmitte herein.
„Geschichte kann nicht ersetzt werden. Die erhaltenen Räume haben uns nicht eingeschränkt, es war alles möglich und wir mussten nirgends Kompomisse machen.“
Stefanie Berchtold,
Bauherrin
Die verschachtelten Räume mit ihren in den letzten Jahrzehnten entstandenen Einbauten und Nischen zwischen Hinter- und Vorderhaus wurden aufgelöst, sodass die große Freifläche durch die gesamte Haustiefe entstand. Der Eingang ist nicht mehr beim Schopf, sondern wurde auf die andere Hausseite verlegt. Dieser neue Freiraum verfügt über eine doppelte Geschoßhöhe im Essbereich neben dem Schopf und im Eingangsbereich, wo eine filigrane Treppe mit Stahlrohrbrüstungen nach oben auf die Wohngalerie führt. Die Küche, über der eine Decke eingezogen wurde, besteht nur aus einer edelstahlverkleideten Insel und einer versteckten „Hinterküche“ und liegt nun zentral im Haus.
Die Anordnung und Größe der Wohn- und Schlafräume zur Talseite blieben weitgehend erhalten. Ebenerdig befinden sich ein Gäste-WC, das Schlafzimmer mit Bad en suite sowie die alte Stube mit Kachelofen. Hier wurden alle Holz- und Deckenverkleidungen abgenommen, gereinigt, zum Teil begradigt und repariert und wieder eingebaut. Die Stube hinter dem Schopf und neben der Küche ist wie ein historisches Fenster, das einen Blick in die Vergangenheit des Hauses gewährt. Im Obergeschoß sind die Zimmer der Kinder und ihr salbeigrünes Bad sowie ein Homeoffice untergebracht, der obere Schopf wird als Spielzimmer genutzt.
Wo die alten Baumaterialien nicht wiederverwendet werden konnten, wurden neue Wände aufgebaut und Böden verlegt, zudem wurde das Haus mit neuen Fenstern und moderner Haustechnik inklusive Fußbodenheizung und Solaranlage ausgestattet. Das Haus präsentiert sich jetzt mit seinen alten und neuen, niedrigen und hohen, offenen und geschlossenen Zimmern als räumlich sehr abwechslungsreich. Familie Berchtold fühlt sich rundum wohl in den Räumen und findet, dass trotz historischer Gegebenheiten wie Zimmergröße oder niedrige Decken eigentlich keine Kompromisse für ein modernes Wohnerlebnis gemacht werden mussten. Von außen ist von den vielen Eingriffen im Inneren wenig zu sehen. Beim neuen Zugang fällt das moderne Vordach und die Verglasung auf, dennoch sind beide Hausteile – fast – übergangslos miteinander verbunden. Auf den zweiten Blick bemerkt man denn auch, dass das Hinterhaus mit eckigen, das Vorderhaus mit abgerundeten Schindeln verkleidet wurde.
Daten & Fakten
Objekt: Haus Berchtold, Schwarzenberg
Bauherr: Stefanie und Andreas Berchtold
Architektur: Innauer Matt Architekten ZT GmbH, Bezau, www.innauer-matt.com
Statik: Leitner ZT GmbH, Schröcken
Fachplanung: Bauphysik: DI Günter Meusburger GmbH, Schwarzenberg
Planung: 10/2019–02/2022
Ausführung: 02/2021–01/2022
Grundstück: 600 m²
Wohnfläche: 180 m²
Bauweise: Strickbau saniert, ergänzt und schonend gedämmt; Westseite Ständerbau saniert und ergänzt; BSP-Holzdecken; Kaltdach mit Ziegeldeckung; Keller Trockenmauerwerk; Heizung: Fern-
wärme über Fußböden
Ausführung: Zimmerer: Reinhard Bischof, Schwarzenberg; Fenster: BENE Fenstertechnik, Schwarzenberg; Innenausbau: Tischlerei Geser, Andelsbuch; Böden: Christian Greussing, Bezau; Heizung/Lüftung: Siegfried Steurer, Andelsbuch; Treppe: Martin Greussing, Bezau;
Innenausstattung: Nici Wührer, Höttges, Dornbirn
Energiekennwert: 47,3 kWh/m² im Jahr (HWB)