Als Pendant zum Burgtheater wurde das Wiener Volkstheater 1889 eröffnet.
Es hat eine tolle Bühne, viel Aura und steht unter Denkmalschutz.
Die Architekten Dietrich Untertrifaller haben es generalsaniert und
strukturell verbessert. Ein Hubpodest erleichtert den Kulissenaufbau erheblich,
eine neu eingezogene Rückwand im Saal schafft Raum für eine elegante
Zentralgarderobe. Die legendäre Rote Bar ist besser zu finden und
wo das Kartenbüro war, gibt es nun ein Café. Das Haus öffnet sich.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Martin Geyer

Das Volkstheater ist ein fixer Bestandteil der Wiener Kulturlandschaft und eines der größten Theater im deutschsprachigen Raum. Als volksfreundliches Pendant zum kaiserlichen Hofburgtheater wurde es 1889 eröffnet. Die Architekten Helmer & Fellner haben es geplant, aus ihrer Feder sind so gut wie alle Theaterbauten in größeren Städten der einstigen Donaumonarchie.

Das Volkstheater steht unter Denkmalschutz. Es ist ein prächtiges Theater mit Kuppel über dem Bühnenturm, eine historistische Tempelfassade beim Eingang, Rustikagestein. Sein Herz ist die Guckkastenbühne, jeder Platz im ovalen Saal ist auf sie ausgerichtet. Das Volkstheater war das erste mit elektrischer Beleuchtung nach dem großen Ringtheaterbrand 1881. Eine Symphonie aus Weiß, Gold und Licht versetzte das Publikum in gehobene Stimmung und bot ihm die Bühne, sich zu zeigen. 2016 gewann die Wiener Dependance von Dietrich Untertrifaller in Arbeitsgemeinschaft mit den Wiener Büros FCP und Architekt van der Donk das Verfahren zur Generalsanierung des Theaters. Pünktlich zur Winterspielzeit war es nach einer rekordverdächtig kurzen Bauzeit von zehn Monaten im Oktober 2020 fertig.

Das Volkstheater liegt auf einem trapezförmigen Grundstück unweit der Hofmuseen. Sein Eingangsportal wendet es der Museumsstraße im Osten zu, seine Nordseite flankiert die Neustiftgasse, im Süden grenzt es an die Burggasse – gleich gegenüber des Museumsquartiers. Ein von Kulturinteressierten gefluteter, öffentlich bestens angebundener Ort, logistisch für einen Theaterbetrieb eine kleinere Katastrophe. Es gab nur eine Zufahrtsmöglichkeit auf einer schmalen Stichstraße, große Kulissenteile mussten rückseitig über einen Lastenaufzug auf die Bühne transportiert und aufwendig ab- und wieder aufgebaut werden. Die Abläufe waren kompliziert, Garderoben und Toiletten überall verteilt, die Foyers zu klein. Maske, Schneiderei, Ankleide und Büros wirkten wie zufällig zusammengewachsen, Brandschutz, Lüftungs- und Haustechnik waren veraltet.

Die Herausforderung lag darin, das Haus auf neueste Theaterstandards zu bringen, ohne seinen Charakter zu zerstören. Magische Theatermomente sind harte Arbeit. Ständig bauen Handwerk- und Technikteams an Kulisse, Ton und Licht, hinter der Bühne wird bekleidet und geschminkt, auf der Bühne geprobt, gespielt, souffliert. All das erfordert Raum. „Es gab keine vernünftigen Stauflächen, die Anlieferung von Kulissen und Dekoration erfolgte durch ein Nadelöhr“, sagt Projektleiter Axel Laimer-Liedtke. Die Architekten planten burggassenseitig eine neue Seitenbühne mit Hubpodest ein. Dort lassen sich nun große Kulissenteile unkompliziert ausladen, auf Bühnenniveau anheben und auf die Bretter schieben, die die Welt bedeuten.

„Wir hatten einen ständigen Austausch mit dem Bundesdenkmalamt.
Wenn man wesentliche technische Erneuerungen im Hintergrund
nun nicht sieht, ist uns die Sanierung geglückt.“

Michael Porath, Axel Laimer-Liedtke
Architekten

Diese Maßnahme führte auch zu einer Neuorganisation der Räume. Dietrich Untertrifaller bündelten alle Sanitäreinheiten zu einem Strang und konnten so Maske, Künstlergarderobe und Büros besser anordnen. Frisch saniert und verputzt, strahlt das Volkstheater in neuem Glanz. Alles ist barrierefrei, das Hauptfoyer vergrößert, die Abendkassa schimmert in mattem Gold, die ursprüngliche Beleuchtung wurde rekonstruiert, sie bringt die Stuckdecke mit ihren Blumengirlanden und Putti richtig gut zur Geltung. „Wir hatten einen ständigen Austausch mit dem Bundesdenkmalamt. Die Zusammenarbeit war sehr gut“, so Porath. Wandbespannungen in Gängen und Logen, die Farbbestimmungen des Putzes: alles erneuert. Das Deckengemälde im Saal wurde restauriert, der Messingring des Prachtlusters leuchtet es aus. „Wenn man wesentliche technische Erneuerungen im Hintergrund nun nicht sieht, ist uns die Sanierung geglückt“, sagt Axel Laimer-Liedtke.

Dietrich Untertrifaller zogen zwischen den Säulen im hinteren Bereich des Parketts eine neue Wand ein, so wurde Platz für eine elegante, neue Zentralgarderobe frei. Burggassenseitig liegt auf der Höhe des ersten Ranges die legendäre Rote Bar. Bisher wiesen rote Lampions in der Arkade auf sie hin. Wenn sie leuchteten, war die Bar offen. Und dann irrte man durchs Haus, bis man sie fand. Dietrich Untertrifaller schufen auch hier Ordnung: Die Bar bekam einen neuen, goldenen Tresen, leichte Bestuhlung, eine Küche und eigenen Zugang – gleich beim Stiegenhaus. „Wir wollten das Theater öffnen“, sagt Porath. Das einstige Kartenbüro am Vorplatz wird nun zum Café. Wien freut sich.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Volkstheater Wien
Bauherr Volkstheater
Architektur Dietrich | Untertrifaller mit van der Donk, Wien
www.dietrich.untertrifaller.com
www.vanderdonk.at
Statik, Bauphysik FCP Fritsch Chiari & Partner, Wien, www.fcp.at
Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanitär: Zentra-plan, Wiener Neustadt; Elektro: Eipeldauer+Partner, Traiskirchen; Licht: Podgorschek & Podgorschek, Wien; Akustik Müller BBM, Planegg; Bühne: Kottke, Bayreuth
Planung 2016-2020
Ausführung 2020
Grundstücksgröße 800 m²
Nutzfläche 8585 m² (davon 600 m² Sanierung)
Bauweise Generalsanierung
Besonderheiten Denkmalschutz
Ausführung Baumeister: Böhm Stadtbaumeister & Gebäudetechnik, Wien; Dach: Fritz Lechner, Wien; Lüftung, Sanitär: Georg Wieselthaler, Schwechat; Elektro: Emmerich Csernohorszky, Wien; Fassa-densanierung: Rudolf Denk, Wien; Bühne: Waagner-Biro, Wien; Landschaft: Kieran Fraser, Wien
Baukosten 21 Mill. Euro