Ein verlassenes Haus im Bregenzerwald wurde vor 25 Jahren
zum Wohn- und Arbeitsort einer Familie. Seither hat es sich
laufend wechselnden Bedürfnissen angepasst –
mit viel Atmosphäre und Gelassenheit.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Roswitha Schneider

Alte Bauernhäuser im Bregenzerwald – für viele ein Sehnsuchtsbild, verbunden mit Vorstellungen von Idylle. Für Edgar Höscheler und Elisabeth Höck stellte sich die Ausgangslage ihrer gemeinsamen Wohnbiografie mit diesem Haus ganz anders dar. Der Wunsch in Doren, dem Heimatort von Edgar, zu leben und sich eine eigene Existenz im Bregenzerwald aufzubauen, hat sich im Fall der Familie zu einem Lebensprojekt im besten Sinne entwickelt. „Ich habe etwas zum Wohnen gesucht und wollte eigentlich unbedingt mieten. Ein altes Gebäude wäre mir sympathisch gewesen, auch der positiven Erinnerungen an meine Kindheit wegen. Das war vor 30 Jahren, doch ich bin nicht wirklich fündig geworden. Und so ist es schließlich dieses Haus geworden, das ich kaufen konnte. Das Haus war fast verfallen. Die vielen kleinen und großen Arbeitsschritte, die seither angefallen sind, waren prägend für Haus und Bewohner(innen). „Wir haben viel mit den eigenen Händen gemacht.“

Seit 25 Jahren leben die Nutzer(innen) mit und in dem Haus.
Der neue Teil orientiert sich am Bestand. So entsteht ein harmonisches Ganzes mit vielen aufmerksamen Details.
An die Stelle von Schindeln trat eine vorgesetzte Glasfassade, die dem Bau etwas Zeitgenössisches gibt und gleichzeitig funktional ist.

Das Selbst-Handanlegen blieb über die Jahre ein wichtiges Prinzip. Vieles wurde zuerst provisorisch gelöst, auch aus Kostengründen, doch immer wohlüberlegt. „Unsere Überlegungen haben sich immer an unseren Bedürfnissen orientiert und natürlich auch am Möglichen, Machbaren, was heißt, dass wir immer versucht haben, alles gut zu machen – für uns, die Substanz, das Dorf, die Landschaft.“

Lichte Werkstatt. Edgar Höscheler hat beim Umbau selbst Hand angelegt. Der Bauplaner und Künstler arbeitet hier mit verschiedenem, meist vorgefundenem Material.

Über die Jahre, eins nach dem anderen, hat die Familie das Haus weitergebaut. „Wir haben zuerst die Fassade gemacht, eine Heizung eingebaut, Arbeitsräume geschaffen wo vorher ein Stall war. Und so haben wir 25 Jahre gebraucht, bis wir beim jetztigen Stand angekommen sind.“ Elisabeth und Edgar haben in dem Haus mit drei Kindern gelebt. Flexibiltität wurde zu einem wichtigen Aspekt. „Unsere Kinder sind nun bereits erwachsen und nach dem Auszug war uns das Haus nach dieser langen Zeit zu groß.“, sagt die Bauherrin und ergänzt. „Das ist auch ein natürlicher Prozess, der in den meisten Familien stattfindet. Bedürfnisse verändern sich, Familienkonstellationen. Der jetzige Zustand mit einer großen Wohnung im Altbestand, mit dem neuen, stark verkleinerten Wohnbereich für das Paar und einer dritten, kleinen Wohnung ist der gegenwärtigen Lebensphase der Familie geschuldet. „Unsere Kinder sind zwar außer Haus, aber auch noch nicht wirklich seßhaft. Sie sollen jederzeit nach Hause kommen können und dennoch wollten wir unseren dauerhaften Wohnraum verkleinern, auf unsere neuen Alltagsbedürfnisse anpassen.“

„Wir bauen unseren Lebensraum
nach unseren wechselnden Bedürfnissen,
aber auch nach unserer Lebenseinstellung.
Eines nach dem anderen und so
ressourcenschonend wie möglich.“

Elisabeth Höck und Edgar Höscheler
Bauherren

Nach vielen Jahren in den alten Stuben hat die neue nun zeitgemäßen Komfort mit mehr Licht und höheren Räumen. Geblieben ist das Prinzip des Ineinanderverwebens von Leben und Arbeiten, von Alltag und Erholung und von Gemeinschaft.
Elisabeth Höck und Edgar Höscheler leben seit 25 Jahren in diesem Haus. Der Umbau ist bewusst und achtsam geplant und entspricht der Lebenseinstellung der Bauherren.

Architektur soll intelligent sein, mitreagieren können. Den Bauherren war es wichtig, dass es flexible Möglichkeiten der Nutzung gibt, Räume abgetrennt werden können. Diese Gedanken kommen dem Ehrgeiz des Bauplaners entgegen, der wissen möchte, was möglich ist in diesen alten Häusern, denn Sanierungen sind auch berufliches Thema für Edgar Höscheler. „Im Bregenzerwald gibt es so viel Leerstand. Mich interessiert, was mit dieser Ressource, die diese alten Gebäude darstellen, alles passieren kann, denn es ist gar nicht einfach, diese Häuser auf neue Wohnbedürfnisse hin zu adaptieren.“ Alles hat ein Für und Wider. Ein großes Plus ist der Charme. Mit den niederen Decken, den kleinen Fenstern, altem Holztäfer, der Geschichte der Häuser. Oft stehen die Bauten an strategisch guten Plätzen. Doch die Grundrisse der Häuser sind nur schwer für Wohnungen adaptierbar. Ein Übereinander ist für getrennte Parteien schwierig, auch wegen der Hellhörigkeit. „Innerhalb der Familie hat uns das nie gestört. Für unser neues Vorhaben, die kleine Wohnung auf Zeit abzugeben, an Kinder, Familie, Freunde, aber auch an Gäste, war es besser einen separaten, zweigeschoßigen Bereich anzudenken.“

Was wir brauchen. Die Zimmer haben angenehme Größen, nicht zu viel, nicht zu wenig.
Raum teilen. Eine kleine Wohnung bietet Raum für die erwachsenen Kinder, Gäste, Mitbewohner(innen) auf Zeit.

In der Ausführung spielte Eigenleistung eine wesentliche Rolle. Die Bedeutung von gutem Handwerk und das Voneinanderlernen und Hinterfragen von Aufwand und Ergebnis spielte im Planungs- und Ausführungsprozess eine wichtige Rolle. „Planung und Ausführung haben sich in wertvoller Weise ergänzt.“ Der Altbestand steht nach dem Umzug des Paares in die mittlere Wohnung nun frei, aber nicht leer, denn die Bauherren wünschen sich neue Nachbarn, denen Leben und vielleicht auch Arbeit an diesem wunderschönen Ort Freude machen könnte. „Wir würden gern eine Familie ins Haus aufnehmen oder jemanden, der wirklich gern am Land leben und vielleicht auch arbeiten will.“

Daten & Fakten

Objekt Haus Höck-Höscheler, Doren

Bauherren Elisabeth Höck, Edgar Höscheler

Architektur Edgar Höscheler

Ausführung 4/2019–4/2020

Grundstücksgröße 1000 m²

Wohnnutzfläche Vorderhaus 182 m², Büro 58 m², neue Wohnung 73 m², Ferienwohnung 50 m²

Bauweise Vorderhaus: Strickbau; Dämmung 10 cm, Schindelschirm; Innenwände teils altes Täfer, sonst Weißtannenverkleidung; Kastenfenster; Kachelofen und Zentralheizkörper; Neubau: Holzständerbau, Dämmung 24 cm, Schindelschirm; sämtliche Innenwände und Decken aus Weißtanne; Böden: beheizter, gewachster Zementfließestrich; Nasszellen aus Schwarzachtobler Sandstein; Einbauten und Möbel aus massiver Weißtanne; Innentüren rahmenlos mit Boden- und Deckenführung; Heizung: Solarunterstützter Stückgutkessel

Ausführung Konstruktion und Innenvertäferung: Nenning Hittisau; Tischler: Wolfgang Lässer, Riefensberg; Fenster: Stefan Hagspiel, Doren; Sanitär und Be- und Entlüftung: Christof Bereuter, Sibratsgfäll; Elektro: Bojan Denjiz, Sulzberg; Estrich: Helmut Ebner, Hard; Duschen und Arbeitsplatten: Bertram Lenz, Alberschwende; Außenstiege: Dietmar Bechter, Hittisau