Monolithischer Eckstein
Auf ein Eckgrundstück an der Marktstraße in Dornbirn setzten die
Architekten Baumschlager Hutter Partners ein neues, markantes,
monolithisches Haus. Mit hohen Öffnungen, einer neuen,
flachen Form des Satteldachs und einer Fassade aus
walnussbraun lasiertem Beton interpretiert es städtische Themen
der Umgebung neu. Ein Knick im Baukörper schafft einen kleinen Vorplatz,
ein Fitnessstudio und 13 individuell zugeschnittene Wohnungen
beglücken seine Bewohnerschaft.
Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Adolf Bereuter
Bevor in den 1970ern die Stadtstraße angelegt wurde, war die Marktstraße die wichtigste Durchzugsader in Dornbirn: Sie führt direkt auf den Marktplatz. Alle Häuser, die sie säumen, waren entsprechend sorgfältig gestaltet. Egal aus welcher Epoche trugen sie mit schönen, schmucken Fassaden und einem als Geschäftszone artikulierten Erdgeschoß zur Anmut der Straße bei. Je mehr sie sich dem Marktplatz nähert, umso vornehmer zeigen sich Häuser und Geschäfte. Stadtauswärts, Richtung Süden, wird die Bebauung schütterer. Alte Bauernhäuser mischen sich unter Neubauten. Die Lage ist immer noch hervorragend zentrumsnah, Initiativen wie die Bar10Zimmer am südlichen Ende der Straße sorgen für neue, lebendige Impulse.
Das Haus M44 liegt im hinteren Drittel. Am prominenten Eck zur Markstraße zog im Erdgeschoß ein Fitnesstudio ein. Im Süden flankiert die Magazingasse das Eck: Früher stand hier ein altes Bauernhaus mit Satteldach und Gaupe, an das ein Lager anschloss. Dessen First verlief orthogonal zu dem des straßenseitigen Bauteils. Diese Situation interpretiert das neue Haus um: Baumschlager Hutter Partners wählten eine flache Satteldachneigung, zogen sie vorne in die Mitte und klappten sie auch an der Seite hoch. So kommt wieder ein überkreuzter First zustande, der an den straßenseitigen Ecken aufgebrochen wurde: Hier fällt nun durch zwei große, trapezförmige Öffnungen der Himmel in den obersten Balkon. Auch die Innenräume profitieren von den unorthodoxen Dachschrägen, die ihnen luxuriös anmutende Großzügigkeit verleihen. Städtebaulich betont die Dachform die Lage am Eck und reflektiert in ihrer spezifischen Ausformung die Nachbarschaft.
Im Osten verläuft die Marktstraße, im Norden erzeugt ein leicht versetzter, von der Marktstraßenfassade weit zurückspringender Bauteil einen schmalen Vorplatz: Hier kann man auf einer Bank in der Morgensonne sitzen und das Treiben beobachten. „Uns war wichtig, dass sich vor dem Haus ein Platz bildet. Immer wieder finden sich an dieser Straße Plätze“, sagt Thomas Moosbrugger, Bauingenieur und Architekt, der das Projekt bei Baumschlager Hutter Partners mit aus der Taufe hob. „Wesentlich war auch die Materialität. Jedes Gebäude auf dieser Straße wurde in seiner Zeit modern umgesetzt.“ Auch Baumschlager Hutter Partners wollten das Haus auf der Höhe seiner Zeit in sein sattelbedachtes Umfeld einfügen – und das Projekt als Bauträger entwickeln, um auch wirklich eine hohe Architekturqualität zu erreichen. Mit Anton Rüf holten sich Carlo Baumschlager, Jesco Hutter und Thomas Moosbrugger einen wirtschaftskompetenten Projektentwickler ins Boot, um als als „raumvier“ das Haus M44 umzusetzen.
„Wesentlich war auch die Materialität.
Jedes Gebäude in dieser Straße wurde in seiner Zeit modern umgesetzt.“
Thomas Moosbrugger
Architekt
Eine Nische im Mauerwerk dient als dezenter Fahrradabstellplatz, unmittelbar dahinter liegt zwischen beiden Bauteilen die gläserne Eingangstür. Das kompakte Stiegenhaus mit Lift erschließt 13 Wohnungen zwischen 66 und 102 m² auf drei Geschoßen: Die Treppenläufe sind aus Fertigteilen, Geländer und Brüstung aus edlem Schwarzstahl, Wände und Boden mit säurebeständigem Buntschiefer verkleidet. „Dieser Stein ist unverwüstlich“, so Moosbrugger. Mit seinen runden Einschlüssen und verschiedenen Brauntönen ist er auch wunderschön.
Robustheit und Nachhaltigkeit prägen die Fassade aus Ortbeton, der walnussbraun lasiert ist. „Wir wollten eine Fassade, die Bestand hat und wartungsarm ist.“ Viele Muster waren nötig, bis der richtige Farbton gefunden war. Je nach Lichteinfall scheint er eher goldschimmernd oder braun. „Wir wollten es nicht zu perfekt, der Beton sollte gut erkennbar bleiben. Wichtig war, dass die Farbe ins Ensemble passt.“ Sie wirkt erdig und vornehm, ihre Struktur harmoniert mit den Ästen der Laubbäume, deren Schatten die Morgensonne über den Beton huschen lässt. Alle Wände sind ortbetonglatt, alle Öffnungen als große Löcher eingeschnitten: Hinter einigen verbergen sich riesige Loggien, die den Innenraum souverän nach außen erweitern, hinter anderen liegen Fenster. Generell sind alle Wohnungen nach mindestens zwei Himmelsrichtungen orientiert, haben verglaste Loggien am Eck, massive Eichendielen am Boden, Fußbodenheizung, große Fixverglasungen in Fensterrahmen aus geseifter Weißtanne mit Blick über Dornbirn, raumhohe Türen, viel Licht und Buntschiefer in den Bädern. Jede ist individuell auf die Wünsche ihrer Bewohner zugeschnitten, alle sind glücklich.
Daten & Fakten
Objekt Mehrfamilienhaus M44 Dornbirn
Bauherr M44/raumvier projektentwicklung, Dornbirn www.raumvier.at
Architektur Baumschlager Hutter Partners, Dornbirn www.baumschlagerhutter.com
Statik Peter Nagy, Dornbirn, www.pnstatik.com
Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanitär: Stolz, Feldkirch; Elektro: Fröhle, Schlins; Bauphysik: Kuster + Partner, Dornbirn; Örtliche Bauaufsicht: Albrecht Baumanagement, Dornbirn
Planung 2016–2017
Ausführung 2017–2018
Grundstücksgröße 818 m²
Nutzfläche 1140 m²
Bauweise Außenwände: Beton (U-Wert 0,17 W/m²K); Dach: Beton/Kupfer (U-Wert 0,15 W/m²K)
Ausführung Baumeister: Wilhelm + Mayer, Götzis; Dachabdichtung: Andreas Kutzer, Dornbirn; Heizung, Lüftung, Sanitär: Modern Home, Gaißau; Elektro/Gebäudetechnik: JoviTech, Dornbirn; Landschaftsbau: Markus Rein, Dornbirn
Energiekennwert 28 kWh/m² (HWB)