In Dornbirn-Oberdorf tut sich einiges. Nicht im Quartier der Bürgerhäuser und Fabrikantenvillen, sondern am Fuß des Rombergs, bei den Einfamilienhäusern und in der Arbeitersiedlung. Die Bergmannstraße, kürzeste Verbindung zum Zentrum, endet an der Bündtlittenstraße, an deren östlicher Seite ein neues Stadtquartier entwickelt wird. An ihrer Westseite steht ein neues Mehrfamilienhaus mit vorvergrauter Holzfassade im offenen Winkel zwischen den beiden Straßen.

Text: Claudia Rinne | Fotos: Darko Todorovic

Auf dem unregelmäßigen, fünfseitigen Eckgrundstück stand ein älteres Wohnhaus mit Kreuzgiebel, das sich an der Bündtlittenstraße orientierte. Es bot Raum für zwei, drei Mietparteien. Anders als das Einfamilienhaus schräg gegenüber, das von der Planerin Annelies Blenk in den Jahren 2001 bis 2003 für den Eigenbedarf umgebaut wurde und auch gegenwärtig wieder umgebaut wird, ist es abgerissen worden, um einem Neubau Platz zu machen.

Mit der städtebaulichen Entwicklung des Gebiets auf der anderen Straßenseite hatte das alte Wohnhaus auch sein direktes, annähernd gleichwertiges Gegenüber verloren. Ein Stück weiter die Bündtlittenstraße hinauf, auf der Bachseite, bleiben die denkmalgeschützten Häuschen im Stil englischer Reihenhäuser, die die ehemalige Textilfabrik F.M.Hämmerle 1907 nach Plänen von Otto Mallaun für ihre Arbeiter errichten ließ, erhalten und werden saniert. Um sie herum sollen elf großvolumige Mehrfamilienhäuser gruppiert werden, die bis an das Ufer des Fischbachs reichen. Die ersten drei von ihnen sind bereits errichtet. Das neue Wohnhaus diesseits der Straße nimmt es in seiner geradlinigen Formensprache und seiner Kubatur mit ihnen auf, man könnte von Torbauten für den nördlichen Abschnitt der Bündtlittenstraße sprechen.

Während die drei zusammengehörenden Mehrfamilienhäuser durch streifenweise vorgehängte eloxierte Aluminiumfassaden deutlich in der Horizontalen betont sind, geschieht dies beim Solitär nur zart und linear. Die Senkrechte hingegen wird von den länglichen Flächen der französischen Fenster und den Fassadenfeldern aus vorvergrauten Holzlatten akzentuiert, an den Ecken von den Öffnungen der eingezogenen Loggien. Der adressbildende Eingang des Neubaus liegt am Übergang von der Bergmannstraße in die Bündtlittenstraße und weist direkt auf die Kreuzung. Zum Treppenhaus im Kern des Gebäudes führt ein langer, gepflasterter Gang. In ihm befinden sich wettergeschützte Fahrradständer und die Briefkästen, direkt seitlich vor der gläsernen Eingangstür im Inneren und schon in guter Distanz vom Verkehr.

„Der besonderen Herausforderung der engen Bausituation mit
abfallendem Gelände wurde mit architektonischem Feingefühl begegnet.

Jesco Hutter
Architekt

Ein zweiter Eingang und die Einfahrt in die Tiefgarage im ersten Untergeschoß befinden sich im Westen am Russenweg, ebenso fünf Besucherparkplätze. An dieser Seite ist auch gut zu sehen, wie die rückspringenden beiden Obergeschoße mit der leichten Hanglage korrespondieren und ausgleichen, dass am nordwestlichen Eck das erste Untergeschoß in voller Höhe in Erscheinung tritt. Der Grundriss des Gebäudes folgt der unregelmäßigen Form des Grundstücks und nutzt es bestmöglich aus. Dadurch konnten sechzehn Zwei- bis Vierzimmerwohnungen entstehen, von denen jede über private Freiräume verfügt, die von den Wohnungsnachbarn aus nicht einsehbar sind. Im Erdgeschoß gibt es zusätzlich zu den eingezogenen Loggien Eigengärten. Zu den Wohnungen in den beiden obersten Geschoßen gehören große gedeckte Terrassen, zum Teil sogar mit Bodenseeblick.

An der Bündtlittenstraße wurde ein Grundstücksabtausch mit der Stadt vorgenommen. Dadurch wurde ein Stück öffentlichen Gehwegs möglich und in dessen Folge ein neuer Zebrastreifen, um vom Haus aus die Bündtlittenstraße direkt überqueren zu können. Natürlich kommt er auch dem gegenüberliegenden Quartier zugute. i+R Wohnbau hat das Projekt mit vollendeter Ausführungsplanung von Baumschlager Hutter Partners übernommen und dirigierte die sehr beengte Baustelle mit Umsicht. Der Obendreherkran wurde im Lifthaus errichtet, Handwerker wurden bewusst aus der näheren Umgebung geholt, ein unbebautes Nachbargrundstück wurde angemietet, um den Aushub für die Hinterfüllung zwischenzulagern und wurde dann weiter als Baustofflager genutzt. Als es an den Abbau des Krans ging und das Baustofflager leer war, konnte auf dem Nachbargrundstück ein zweiter Kran aufgestellt werden, der den ersten in Einzelteilen heraushob. Das allein dauerte einen ganzen Tag. Die gesamte schlanke Bauzeit von siebzehn Monaten konnte eingehalten werden. Noch ehe sie im März 2022 beendet war, waren die Wohnungen verkauft.

Daten und Fakten

Objekt: Wohnanlage Bergmannstraße 1, Dornbirn

Bauherr: i+R Wohnbau, Lauterach, www.ir-wohnbau.com

Architektur: Baumschlager Hutter, Heerbrugg, www.baumschlagerhutter.com

Projektleitung: Postai Jürgen

Statik: Hämmerle-Huster Statik ZT, Bregenz, www.diestatiker.at

Fachplanung: Bauphysik: WSS Wärme- & Schallschutztechnik Schwarz, Frastanz; Geotechnik: 3P ZT, Bregenz; Entwässerung: Rudhardt Gasser Pfefferkorn ZT, Bregenz

Planung: 09/2018–04/2020

Ausführung: 11/2020–03/2022

Grundstück: 1250 m²

Wohnnutzfläche: 1109 m²

Bauweise: Baumeister: i+R Bau, Lauterach; Zimmerer: i+R Holzbau, Lauterach; Fenster: i+R Fensterbau, Lauterach; Böden: Fend, Wolfurt; Heizung: Fässler, Dornbirn Elektro: Jovitec; Dornbirn; Garten: Brunner, Höchst

Energiekennwert: 32 kWh/m² im Jahr (HWB)

Kosten: 7,3 Mio. Euro