Vor knapp 20 Jahren setzten sich die Berghänge in der Parzelle Rindberg in Sibratsgfäll unaufhaltsam in Bewegung. Das Großereignis hat landschaftlich und emotional tiefe Spuren hinterlassen. Die Stationen der Georunde Rindberg zeichnen die Geschehnisse nach, vermitteln Wissenswertes und geben Einblick in den Umgang der Bewohner(innen) mit der Situation.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Adolf Bereuter, Max Wegscheider

Die Geschichte der „Geo-runde Rindberg“ in Sibratsgfäll beginnt mit einer Naturkatastrophe. Im Mai 1999 setzten sich in der Parzelle Rindberg ganze Berghänge unaufhaltsam in Bewegung. „Für die Menschen war das ein traumatisches Erlebnis. 18 Bauwerke rutschten teilweise bis zu 240 Meter weit Richtung Tal. Viele Häuser wurden durch die Gewalt der Natur vollständig zerstört“, so beschreiben die Betreiber der Georunde Rindberg die Ausgangslage für dieses Projekt. Es war Glück, dass damals keine Personen zu Schaden kamen. Bis heute ist die Natur hier massiv in Bewegung. „Zwar hat sich die Rutschung verlangsamt, doch immer noch bewegt sich das Dorf Richtung Talgrund.“ Geologische Untersuchungen haben ergeben, dass der Hang in bis zu 70 m Tiefe von einer Lehmschicht durchzogen wird. Diese verhindert, dass Schmelz- und Regenwasser versickern kann. Wird der Druck auf die oberste Bodenschicht zu groß, gerät das Erdreich in Bewegung. Statistisch gesehen kommen solche Ereignisse alle 300 Jahre vor. Im Alltag müssen sich für diese Situation Strategien des Umgangs finden. So verfügt Sibratsgfäll heute über bewegliche und unbewegliche Grundgrenzen. Eine neue Marienkapelle wurde errichtet – mit doppeltem Boden, damit das Bauwerk innerhalb von 48 Stunden abgebaut und in Sicherheit gebracht werden kann.

Die Runde beginnt bei „Felbers schiefem Haus“.
Station 2: Das gewanderte Haus.

Die Gemeinde und der Verein „Bewegte Natur Sibratsgfäll“ arbeiteten die Ereignisse auf und schufen zugleich das Projekt „Georunde Rindberg“. Dieser Weg sollte an die Geschehnisse erinnern und die traumatischen Erlebnisse sowohl für Einheimische als auch Gäste in etwas Positives umkehren. Im Herbst 2014 wurde ein Wettbewerb für die Konzeption der Georunde Rindberg ausgeschrieben, den ein interdisziplinäres Team aus Architekt(inn)en und Gestalter(inne)n mit Bezug zur Region gewann. Innauer Matt, Markus Innauer und Sven Matt mit ihrem Team und Büro in Bezau, und Super BfG (Büro für Gestaltung) mit Björn Matt und Christian Feurstein und ihrem Team in Egg bekamen den Auftrag zur Realisierung dieses Themenweges, der Natur, Landschaft, Architektur und Gestaltung sowie die zu vermittelnden Inhalte in eine gute, qualitätsvolle Balance bringt. „Die Interdisziplinarität des Teams führte darüber hinaus dazu, dass sich der rote Faden der Gestaltung von den einzelnen Stationen über die Beschriftungen bis hin zum gesamten Öffentlichkeitsauftritt mit Projektnamen, Logo, Broschüren etc. durchziehen konnte.“ Die Gemeinde war froh über das runde Gesamtkonzept, das ohne große Änderungen rasch umgesetzt werden konnte. „Über den Winter erfolgte die Planung in enger Abstimmung mit der Gemeinde sowie den Vereinsmitgliedern. Im Frühjahr folgte die Umsetzung innerhalb weniger Wochen durch Handwerksbetriebe aus der Region und die Mithilfe von Sibratsgfäller Einwohner(inne)n, sodass die Eröffnung bei großem Interesse der Öffentlichkeit im Mai 2015 erfolgen konnte.“

"Felbers schiefes Haus", eingebettet in die Dorfstruktur.
„Wir müssen respektieren,
dass die Natur stärker ist, und lernen,
damit kreativ und innovativ umzugehen.“

Gemeinde Sibratsgfäll
Auftraggeber

Wohnen in der Schräge heißt die dritte Station der Georunde. Wer sich hier niederlässt, macht diese Erfahrung kurzzeitig selbst.
Die schiefe Tanne zeigt, wie sich nicht nur Menschen, sondern auch die Natur selbst neu zurechtfinden müssen.
Der Abriss, die sechste Station der Runde.

Die Realisierung lockt seither mehrere Tausend Besucher(inne)n pro Jahr nach Sibratsgfäll. „Wir haben acht Objekte an ausgesuchten Punkten in der Landschaft platziert und vermitteln in vereinfachter Form die emotionale Ebene des Lebens mit der bewegten Natur. Das Leben in der Schräge, verzweifeltes Festhalten am Status Quo und Akzeptanz der steten Veränderung. Die einfache und dennoch eindrückliche Konzeption der Stationen verzichtet bewusst auf intermediale, vielschichtige Wissensvermittlung, sondern setzt vielmehr auf emotionale und sensorische Irritation im Zusammenspiel mit der archaischen Naturgewalt. Die Objekte treten dabei als eindeutig lesbarer Eingriff in die Landschaft in Erscheinung“, beschreibt das Projektteam die Konzeption. Die formale Gestalt fokussiert sich bewusst auf scharfkantige Linien und Ebenen. Als Material wurde Edelstahl gewählt, durchgängig. „Bereits aus weiter Ferne sticht die schimmernde Oberfläche als starker Kontrast zum Grünraum ins Auge. Es überdauert die Jahre, verformt sich nicht und setzt keinerlei Patina an, die die einzelnen Objekte über die Jahre an die umgebende Natur angleichen könnte. Das Andenken an die Katastrophe und der bewusste Umgang damit bleibt dadurch noch erhalten, wenn die Wunden in der Natur und in den Menschen allmählich verschwinden“, so Innauer Matt und Super BfG.

Ein Blick zum alten Standort der 1694 erbauten Marienkapelle und zu den Überresten des Bauwerks.

Ausgehend von „Felbers schiefem Haus“, bei dessen Betreten Balance und gewohnter Raumsinn geprüft werden, verorten die skulpturhaften Neusetzungen das Thema in der natürlichen Umgebung.Die Objeke sind körperlich präsent und vermitteln ein starkes Gefühl dafür, was es bedeuet, mit dieser Schräglage umgehen zu müssen. Stationen wie „Das gewanderte Haus“, „Schiefe Tanne“ und „Alles im Lot?“ sind auf Wesentliches reduziert.

2017 gabe es für die Georunde des Staatspreis Design und vor wenigen Tagen nun auch Österreichs renommiertesten Architekturpreis, den Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architektinnen und Architekten Österreichs, der seit 1967 jährlich vergeben wird. Die Jury lobt darin nicht nur Konzeption und Ausführung, sondern vor allem die Haltung der Auftraggeber(innen). „Die Spuren der Hangrutschung, der Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft und ihr Bemühen, sich mit den Kräften der Natur zu arrangieren, sind auf eindrückliche Weise in die abstrakten Settings eingeflossen, die sich Einheimischen wie Gästen mit der gleichen Selbstverständlichkeit erschließen.“

Daten & Fakten

Objekt Georunde Rindberg, Sibratsgfäll

Auftraggeber Gemeinde Sibratsgfäll

Architektur Innauer-Matt Architekten ZT GmbH, Bezau

Gestaltung Super BfG, Egg

Realisierung 2015

Web weitweit, Egg

Metallarbeiten Waldmetall, Hittisau

Erdarbeiten Stadelmann Bau, Sibratsgfäll

Seil Seilerei Wüstner, Mellau

Beschriftungen Fetzcolor, Alberschwende

Gravur Hölzl Gravuren, Götzis

Bauweise Objekte und Informationstafeln aus Edelstahl, www.georunde-rindberg.at