Im Wettbewerb der Tourismusstandorte geht es um viele Faktoren.
Landschaft, Klima, Service sind Hauptaspekte. Ein weiterer ist,
besonders im hochwertigen Tourismus, die Baukultur.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Petra Rainer und Patrick Schwienbacher

Das Walserdorf Lech steht wie kaum ein anderer Ort in Vorarlberg für hochwertigen Tourismus. Für die Gemeinde mit etwas über 1600 Einwohner(inne)n ist das nicht nur wirtschaftliche Grundlage, sondern auch Kulturfaktor. Der Spagat zwischen der Orientierung am Gast, internationalem Wettbewerb und Dorfentwicklung im Sinn der Bürger(innen) ist herausfordernd. Lech ist eine der wenigen Wintersportdestinationen in Europa, in der Dorf und vor allem Dorfzentrum noch existent sind. Doch auch hier ist das bauliche Geschehen vor allem gewerblich bestimmt. Kaum ein Neubau, der nicht auch touristisch genutzt wird.

Selbiges gilt für Haus Arla. Der Bau füllt ein schmales Grundstück, das von Otto und Michael Huber, Onkel und Neffe, in gemeinsamer Bauherrschaft bebaut wurde. Von außen als Einheit wahrnehmbar, beherbergt es zwei Teile, die sich im Inneren stark voneinander unterscheiden, wenn auch nur in ihrer Atmosphäre. „Beide Teile sind für die Nutzung durch Gäste gedacht, werden von Axel Pfefferkorn für uns betreut, folgen aber anderen Gestaltungsprinzipien“, erzählt Otto Huber. „Wir wollten ein hochwertiges Gästehaus errichten, das sich gut ins Dorf einfügt, als Architektur zeitgenössisch ist und eine wertvolle Zugabe für das Ortsbild.“

Es verwundert nicht, dass Otto Huber das Wort „Chalet“ zunächst vermeiden wollte, um den Charakter seines Hauses zu beschreiben. „Aber es zeigt sich dann doch, dass sich das ländliche Haus in den Bergen und auch das, was wir hier machen, eigentlich vom Bautyp her nicht besser beschreiben lässt.“ Das Wort Chalet kommt vom lateinischen „cala“ und bezeichnet einen „geschützten Ort“. Was ursprünglich die Sennhütte war oder ein Schutzhaus, ein Unterstand für einen Viehzüchter in den Bergen, erzeugt heute andere innere Bilder. Kopien dieser ländlichen Bauform fanden sich in Parks oder als Stilelemente im Villenbau und schließlich wurde das Chalet zum Ferienhaus, das das Einfache und Urspüngliche zelebrieren sollte. Was daraus wurde, sieht man heute in Chaletdörfern, die sich als Fremdköper in Dörfer einpflanzen und dort ein merkwürdiges Eigenleben führen. Solche Wucherungen, gleich im doppelten Wortsinn, haben sich nicht nur ästhetisch weit weg vom Sennhaus bewegt. Wer heute Chalet sagt, mein oftmals Rendite. Kein Gedanke mehr an das Sennhaus. Es geht nicht mehr nur um die Butter auf dem Brot.

„Haus Arla fügt sich gut ins Dorf ein,
als wertvolle Zugabe für das Ortsbild.“

Otto Huber
Bauherr

Haus Arla geht die Sache definitiv anders an als zeitgenössischer Bau, der sich einer traditionellen Hausform bedient, sich maßstäblich und gestalterisch gut im Dorf integriert. Typisch ist auch hier das flache Satteldach. Für den Zugang setzte Architekt Michael Ohneberg das Gebäude so auf das Grundstück, dass eine kleine Hofsituation entstand. „Eine Willkommensgeste und gleichzeitig auch ein wichtiges Element für den Betrieb und Möglichkeit für Anlieferung.“ Die Materialität orientiert sich am Umfeld. Stein, Beton und Holz sind die Hauptelemente. Viel Glas kommt dazu, verbunden mit wunderbaren Ausblicken auf Dorf und Landschaft. Die vier Eckpfeiler des Hauses sind als vertikale Elemente gesetzt. Der Betonsims, der in den Balkon übergeht, schafft Horizontalität. Von außen prägnant wahrnehmbar ist ein dekoratives Flechtwerk aus Holz. „Es ging nicht primär um das Muster, sondern um das Gleichgewicht und Kräfte in der Fassade.“ Der Blick ins Innere zeigt eine intelligente Raumaufteilung, die vielen Ansprüchen gerecht werden musste. Die zwei Bauhälften sind klar getrennt und im First geteilt. Mehrere Wohneinheiten erschließen sich hier, teils miteinander verwoben, teils getrennt bewohnbar. Im Untergeschoß sind gemeinschaftlich nutzbare Räume wie eine Bade- und Saunalandschaft und ein Skiraum untergebracht, dazu Infrastrukturräume wie eine Küche und Technikräume. „Für den Entwurf war es mir wichtig, die Gleichwertigkeit der beiden Teile zu bewahren. Natürlich gibt es da wie dort Eigenheiten, die aber jeweils in spezifischen Qualitäten ihren Ausdruck finden sollten.“

Viel Aufmerksamkeit floss in die Innenausstattung. „Für unseren Teil waren uns Farben, Texturen, Materialien wichtig. Otto hat ein Faible für italienisches Design, das sieht man an vielen Stellen. Es sind sehr charaktervolle Räume geworden, die hoffentlich auch bald schon genutzt werden können.“

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen (jetzt wieder geöffnet) und Veranstaltungen bietet das vai monatlich Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Arla, Lech (Gäste-Chalet)
Bauherr Otto Huber & Michael Huber
Betreiber Pepper-Collection (Axel Pfefferkorn)
Architektur Michael Ohneberg Architektur, Bregenz
Statik Mader Flatz Ziviltechniker GmbH, Bregenz
Fachplanung Bauleitung: ato planung+bauleitung
Bauphysik: Bauphysik Weithas, Lauterach; Elektro: Elektro Müller, Landeck; HSL: Wagner, Nüziders; Lüftung: Ender Klimatechnik, Altach; Geologie: 3P Geotechnik; Straßenplanung: M+G Ingenieure; Kalkspachtelungen: Georg Ulrich, Satteins;
Gartenplanung: www.treeand-table.com; Vermessung: Bolter + Schösser, Bludenz
Planung 1/17 – 09/20
Ausführung 05/20 – 12/20
Grundstücksgröße 665 m²
Nutzfläche 331 m²
Bauweise Massivbauweise, Bodenplatte WU-Beton, Kellerwände Stahlbetonfertigteile, Decken Stahlbeton, Dachstuhl Holzkonstruktion mit Wärmedämmung, Heizung: Fernwärmenetz Lech über Fußböden, Innenwände: Holz und Gipskarton
Energiekennwert 16,1 kWh/m² im Jahr (HWB)