Neues Leben in der alten Burg
Konrad Hänsler hat die alte Bludenzer Gunz-Mühle in einen attraktiven Ort zum Wohnen und Arbeiten verwandelt.
Ohne den Charakter des geschichtsträchtigen Gemäuers auszulöschen.
Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Cornelia Hefel
Als Gerhard Krump 2012 die Gunz-Mühle gekauft hat, wusste der Immobilienmanager nicht wirklich, was er aus dem äußerlich imposanten, aber desolaten Gebäude machen soll. Also fragte er seinen Freund, Architekt Konrad Hänsler (Nikolussi.Hänsler Architektur) um Rat, nicht zuletzt deshalb, weil dieser viel Erfahrung im Umgang mit der Revitalisierung von altem Gemäuer hat. In diesem Fall einem vor 200 Jahren als Färbermühle gebauten, das in der Folge immer wieder seine Besitzer wechselte und in dem bis 1994 eine Kunstmühle betrieben wurde. Was bedeutet, dass das Haus genauso wie sein erst 1953 angebauter Turm mit Silos vollgefüllt war, was seinen Umbau in ein Geschäfts- bzw. Wohnhaus zu einem ebenso aufwendigen wie tricky Unterfangen machen sollte.
Bauherr wie Architekt war es wichtig, dass der ursprüngliche Charakter der ehemaligen Mühle erhalten blieb und das, obwohl das Haus im Zug des Umbaus bis auf die zwischen zwei Meter und 80 Zentimeter dicken Außenmauern bzw. die tragende innere Grundstruktur komplett entkernt werden musste. 70 Tonnen Bau- und ebenso viele Tonnen Metallschutt mussten aus dem Haus hinausgetragen werden, bevor mit dem eigentlichen Umbau überhaupt begonnen werden konnte.
Der Umgang ging in erstaunlich kurzer Zeit von nur 10 Monaten über die Bühne und war ein unberechenbarer wie spannender Prozess, der die Planer mit so manchen Überraschungen konfrontierte. Die Gunz-Mühle steht zwischen der stark befahrenen St.-Peter-Straße und dem lauschigen Brunnenbach an einem stark abfallenden Hang, weshalb das Gebäude zur Straße hin vier-, zum Bach hin sechsgeschoßig ist. Überragt von dem fensterlosen Turm, der ein eigenartig über einem rundum laufenden Gesims aufgebautes Satteldach trägt. Dieser Turm erhielt nur ein Facelifting, während sein Inneres unangetastet blieb und noch immer mit neun Silos vollgestellt ist.
Ihn als Wohnung oder Büro nutzbar zu machen, hätte den Bauherrn schon gereizt, wäre aber schlicht und einfach zu teuer gekommen. Ihn abzureißen war aber auch keine Option, gibt der Turm der Gunz-Mühle doch ihr unverwechselbares Gesicht, lässt sie von der Ferne fast wie eine Burg wirken. Dem Investor und Bauherren war das sensible Umgehen mit dem Bestandsgebäude wichtig. Seine Geschichte sollte auf keinen Fall ausgelöscht werden, weshalb die vielen Schichten immer wieder stattgefundener Umbauten partiell freigelegt wurden, ergänzt durch die Materialität und Formensprache von heute. So war es auch reine Charaktersache, die Rückseite des Hauses nicht mit Balkonen zu bestücken, obwohl das die (Miet)-wohnungen durchaus attraktiver gemacht hätte.
„Es war mir sehr wichtig, dass die Geschichte des
Hauses nicht ausgelöscht wird.“
Gerhard Krump, Bauherr
18 davon in der Größe zwischen 40 und 75 Quadratmetern sowie sieben Firmen vom Bioladen über den Friseursalon bis zur Physiotherapie- und Logopädiepraxis und das Büro des Bauherrn gibt es hier.
Erschlossen wird das Gebäude zentral durch ein neues, in Sichtbeton neben den neuen alten Liftschacht gebautes Stiegenhaus. Es ist über alle sechs Stockwerke offen, beleuchtet von ganz unten durch Spots, von oben durch Oberlichten im Satteldach, dessen alter hölzerner Dachstuhl hier freigelegt wurde. Sämtliche Decken sind neu und aus Stahlbeton, in den Wohnungen belegt mit Eichenparkett, in den öffentlichen Bereichen mit grauen Fliesen. Die Fenster sind neu und dreifach- bzw. schallschutzverglast. Ihre Setzung und Größe ist prinzipiell gleichgeblieben, von Konrad Hänsler allerdings mit viel Gespür „in Geometrie gebracht“. Was ihm auch beim Umgang mit der Außenhaut der Gunz-Mühle wichtig war.
Um trotz Außendämmung mit kleinen Vor- und Rücksprüngen sowie unterschiedlichen Körnungen des Putzes zu spielen. Aus der Geschichte des Hauses hat sich die Wahl der Fassadenfarben ergeben. Weshalb die zwei Sockelgeschoße grau, die vier darüber korngelb, die Dachuntersichten und in die Fassaden eingekerbten Schriftzüge weinrot sind, genau so, wie sie es schon immer waren.
Daten & Fakten
Objekt „Die Mühle“, Bludenz
Eigentümer „Die Mühle“ Immobilienmanagement, Gerhard Krump, Bludenz
Architektur Architekturbüro Nikolussi Hänsler Ziviltechniker, architekturbuero@nikolussi.at
Statik Christian Gantner, Bludenz
Fachplanung Elektro: ETS Claus Salzmann, Saalfelden; Bauphysik: Karlheinz Wille, Frastanz
Planung 6/2013–12/2013
Ausführung 12/2013–8/2014
Grundstück 3788 m²
Nutzfläche gesamt: 1755 m² (18 Wohnungen, 6 Gewerbebetriebe)
Bauweise Streifenfundamente, Außenwände Beton/Mauerwerk; Decken aus Stahlbeton; Satteldach, Fassade mit Wärmedämmverbundsystem; Kunststofffenster; Eingangstüren aus Holz-Alu-Profilen; Heizung mit Gastherme über Fußböden
Ausführung Baumeister: Jäger Bau, Schruns; Elektro, Heizung, Sanitär: Markus Stolz, Bludenz; Fenster: Zech, Götzis; Verputz und Trockenbau: Graß, Bludenz; Schlosser: Werner Rudigier, Bludenz; Zimmermann: Wolfgang Neyer, Bludenz; Tischler: Josef Feuerstein, Nüziders; Böden: Ludovikus, Lustenau; Fliesenleger: Fliesenpool, Nenzing; Estrich: Wolfgang Engstler, Lorüns; Aufzug: Otis, Dornbirn; Maler: Heinrich Liepert, Bludenz
Energiekennzahl 41 kWh/m² im Jahr