Am Abend des 28. April 2020 brannte es im Untergeschoß des Sutterlüty-Marktes in Bludesch-Gais. Schnell zeichnete sich ab, dass an eine Sanierung
nicht zu denken war und die Planungsarbeiten für den Neubau begannen innerhalb weniger Tage. Jürgen Sutterlüty, Inhaber der gleichnamigen Supermarktkette, beauftragte Jesco Hutter zunächst für eine Standortstudie, dann mit dem Neubau an diesem schwierigen Bauplatz. Entstanden ist ein Gebäude, das sich exakt in die Umgebung einfügt.

Text: Kerstin Forster | Fotos: Darko Todorovic

Logistik ist das wichtigste Thema für einen Supermarkt: „Wenn die Anlieferung nicht funktioniert, funktioniert hier gar nichts“, sagt Jesco Hutter. Die Erschließung war deshalb von der Planung bis zum Bau präsent. Am selben Platz stand auch der alte, 1991 errichtete Sutterlüty-Markt, der sich aufgrund der Rauchschäden nicht wieder für die Nutzung als Lebensmittelgeschäft sanieren ließ. Die verkehrsgünstige Lage an der Kreuzung zweier Bundesstraßen im Weiler Gais sprach für den Verbleib am Standort. Der ganze Markt ist in Holzständerbauweise ausgeführt, auch das Treppenhaus zu den schönen Personal- und Arbeitsräumen im eingezogenen Obergeschoß über der Logistikzone. Nur Liftschächte und eine rückwärtige Wand sind als statisch wirksame Betonelemente ausgebildet. Die Verkaufsfläche mit einer Cafeteria ist in einem nahezu stützenfreien, fast sechs Meter hohen Raum untergebracht. Die Decken und Balken aus Fichte sowie der beschichtete Estrichboden sorgen für eine angenehme Atmosphäre und ein ruhiges Ambiente. Die Typologie eines Supermarktes ist besonders, erklärt Jesco Hutter. Nicht nur muss man die internen Abläufe verstehen und lösen, „ein Laden ist immer auch im Ort verankert. Wir haben versucht, das Volumen für den Ort maßstäblich zu machen. Durch die Bewegung in der Fassade wirkt das große Gebäude kleiner und durch die Dachform nimmt man es zweigeschoßig wahr. So fügt es sich, auch durch die vier Firste, in die Struktur der dahinterliegenden Siedlung ein.

Baumschlager Hutter hatten die Aufgabe, das 2894 Quadratmeter große Grundstück so zu bebauen, dass es einerseits hochwassersicher war, andererseits das gesamte geforderte Raumprogramm von Parkplätzen über Verkaufs- und Büroflächen, bis Anlieferung und Lager auf der verhältnismäßig kleinen Fläche untergebracht werden konnte. Eine steile Rampe führte einst auf ein Parkdeck, nun befinden sich die 63 PKW-Stellplätze in der neuen Tiefgarage, deren Grundriss exakt den Maßen des Grundstückes entspricht. Man erreicht sie über eine kurze, sanfte Abfahrt. Hier stellt sich die erste positive Überraschung ein: Es ist auffallend luftig und hell, denn an allen Seiten fällt Tageslicht ein.

„Einen billigen Raum zu bauen, der keine Nachhaltigkeitsgeschichte hat, der nicht den Wertschöpfungsgedanken von Sutterlüty entspricht, der sich in der räumlichen Interpretation nicht ortsansässig vermittelt, kam nicht infrage.“

Jürgen Sutterlüty
Bauherr

Dies gelang durch zwei Kniffe. Erstens ragt die Garage etwas über Bodenniveau hinaus und hebt den darüberliegenden Supermarkt aus der Hochwasserzone, zweitens ist die Betondecke der Garage kleiner als deren Grundfläche und leicht gedreht, wodurch sich an allen Seiten keilförmige Öffnungen ergeben, wo sich auch Ein- und Aufgänge befinden. Das Grundstück ist eingezwängt und nicht rechtwinklig. Weil das ganze Grundstück bebaut wurde, war es schwierig die Zuwegung zu planen, aber auch die Baustelle einzurichten. Jürgen Sutterlüty forderte aus Überzeugung einen Holzbau. Die Möglichkeit, die Elemente andernorts vorzufertigen, kam auch dem Baufortschritt zugute.

Wie das Grundstück ist auch der Supermarkt polygonal, es gibt acht verschieden lange Wände. Durch die Drehung des Baus ergibt sich eine lebendige Ansicht. Mal liegt eine Glasfassade am Gebäude an, mal gibt es eine weitere Schicht aus vertikaler Holzlattung unter dem mancherorts auskragenden Dach, sodass sich ein Durchgang von der Brücke her bildet oder ein gedeckter Weg zur Terrasse des Cafés. Optisch ist es ein Täuschungsmanöver, praktisch verstecken sich dahinter und darunter ein Vorplatz, aber auch Einkaufswagen und ein Bankomat. Auf dem Dach befindet sich eine Photovoltaikanlage, die etwa ein Drittel des benötigten Stromes erzeugt. Supermärkte sind durch die Kühlanlagen wahre Stromfresser, die anfallende Abwärme wird aber wieder zurückgewonnen, sodass der ganze Markt ohne fossile Brennstoffe auskommt.

Jürgen Sutterlüty ist eine identitätsstiftende Architektur wichtig, das Gebäude soll auch widerspiegeln, was im Inneren passiert: regionale Produkte, Wertschöpfung vor Ort, eine wertschätzende Haltung den Menschen gegenüber, lokale Wirtschaftskreisläufe, so nachhaltig und klimafreundlich wie möglich. Das gilt sowohl für die Lebensmittel als auch für alle verwendeten Baumaterialien und Baufirmen. „Was ich an Jürgen schätze ist, dass er das Produkt, das er verkauft, auch baulich umsetzt“, sagt Jesco Hutter, „er achtet auf den Ort, die Menschen im Gebäude und die Anrainer“.

Daten und Fakten

Objekt: Sutterlüty Markt Gais, Bludesch
Bauherr: Sutterlüty Immobilien, Egg
Architektur: Baumschlager Hutter Partners, Dornbirn, baumschlager-hutter-partners.com
Statik: Mader Flatz ZT, Bregenz, www. mfs-zt.at
Fachplanung: Bauphysik: BDT, Frastanz; Elektro: René Fröhle, Schlins; Landschaft: Daniela Walter, Bludesch; Innenarchitektur: Redsquare, Berlin
Planung: 04/2020–03/2021
Grundstück: 2894 m²
Nutzfläche: 1648 m² (zzgl. Tiefgarage)
Bauweise: Tiefgarage: Stahlbeton; Erd- und Obergeschoß: Holzständerbauweise
Ausführung: Baumeister: Tomaselli Gabriel, Nüziders; Zimmerer: Holzbau i+R, Lauterach; Fenster, Pfosten-Riegelfassade: Jobarid, Röthis; Heizung, Lüftung: Markus Stolz, Bregenz
Energiekennwert: 28,1 kWh/m² im Jahr (HWB)
Baukosten: 3,5 Mio. Euro