Quartier am See
Am Bodensee, mit Blick auf den Pfänder und auf Landschaftskorridore beidseits der Anlage wird hier in Lochau dicht gewohnt. Das Seedomizil ist eines der größten Wohnbauprojekte Vorarlbergs der letzten Jahre. Es punktet mit kluger städtebaulicher Setzung und einer umsichtigen Außenraumgestaltung.
Autorin: Verena Konrad | Fotos: Dietmar Walser
Das „Seedomizil“, eine Wohnbebauung, errichtet auf dem ehemaligem Rupp-Käse-Areal in Lochau, gehört mit 28.290 m² zu den größten Wohnbauprojekten, die in den letzten Jahren in Vorarlberg entstanden sind. Seit dem 2013 ausgelobten Wettbewerb wurde das Bauvorhaben, gut einsichtig durch seine prominente Lage, vielfach diskutiert. In den Diskussionen immer wieder abgebildet war das vage Verhältnis zwischen Stadt und Land, das seinen Ausdruck u. a. in Gedanken zur Dichte fand, aber auch zur Entwicklung des Areals selbst. Das öffentliche Interesse am Wohnbau und seiner Bedeutung für die Entwicklung Vorarlbergs nimmt zu. Was sich hier heute zeigt, ist ein gut durchdachtes und dichtes Wohnquartier. Wichtige Aspekte des Wohnbaus und der Quartiersentwicklung fanden, auch angeregt durch ein Bonus-System der Gemeinde, Eingang in den Planungsprozess: mehr Qualität erlaubte mehr Dichte. Davon profitieren bei sorgsamer Planung alle – das Dorf, die Bewohner(innen) und das Unternehmen.
Das Seedomizil ist ein privater Wohnbau, der seinen Teil zu einer qualtitätsvollen Dorfentwicklung beiträgt. Die Wohnungen folgen in Materialisierung und Ausstattung aktuellen Standards des privaten Wohnbaus. Sie sind hochwertig, teilweise exklusiv, aber auch familienfreundlich und generationengerecht. Das Areal als Ganzes bleibt zugänglich für das Dorf und sieht sich als Teil dörflicher Entwicklung. „Unser Bemühen ging nicht nur in Richtung der Errichtung von Gebäuden. Wir wollten mit der Entwicklung auf diesem Areal ein Quartier realisieren, das mit dem Dorf verwachsen kann.“
Städtebaulicher Ansatz und Architektur stammen aus einer Arbeitsgemeinschaft der Architekturbüros Gohm Hiessberger und Innauer Matt. „Wir haben unterschiedliche Bautypen, Punkthäuser und Längsbaukörper, geplant, die sich abwechseln“, beschreibt Ulf Hiessberger den Ansatz. Resultat der Planungen ist ein Quartier, das sich von der Straße aus gesehen als großes Ganzes darstellt, für Bewohner(innen) und Nutzer(innen) jedoch kleinräumige Erfahrungen ermöglicht. Dreizehn Häuser stehen nun auf diesem Grundstück, das durch seine Lage optimale Voraussetzungen bot. Nahe am Wasser, gut angebunden an den öffentlichen Verkehr, Teil eines Dorfes mit guter sozialer Infrastruktur, Bregenz und Lindau mit kulturellen Angeboten, weiterer Anbindung an den öffentlichen Fernverkehr, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Erholungs-räume sind nahe.
Bemerkenswert ist die Stellung der Häuser zueinander. Zur Grundstücksmitte hin werden die Gebäude höher. „Sie fügen sich so besser ins Landschaftsbild ein“. Das Gesamtprojekt ist mit Vierer- und Dreier-Clustern so angelegt, dass sich diese jeweils um einen Hof gruppieren, der mit Spielplätzen, Wiesen, privaten wie gemeinsamen Außenbereichen so angereichert ist, dass man auch gern Zeit am Areal verbringt und nicht nur in den Wohnungen. „Wir hatten durch die Lage den See natürlich im Blick unserer Planungen, uns aber nicht auf die Seesicht konzentriert, sondern auf die Zugänglichkeit zum See. So sind alle Wohnungen gleichermaßen gut platziert, was Licht und Außenraumbezüge betrifft, die Seesicht ist nur ein Aspekt von vielen“, führt Projektentwickler Andreas Deuring aus.
„Wir haben unterschiedliche Bautypen, Punkthäuser und Längsbaukörper, geplant, die sich abwechseln und sich jeweils um einzelne Höfe gruppieren.“
Ulf Hiessberger und Markus Innauer
Architekten
Ein Blick in die Wohnung von Philipp Giselbrecht zeigt, wie gut dieses Konzept aufgeht. Die Zwei-Zimmer-Wohnung mit Wohnküche im Erdgeschoß hat einen kleinen Garten und ist angenehm hell und freundlich. Angefangen von üblichen, marktkonformen Wohnungstypologien bis hin zu Maisonettewohnungen und Lofts lagen viele Möglichkeiten für Käufer(innen) bereit. „Letzere sind noch nicht so oft gefragt“, so Karlheinz Bayer, Geschäftsführer von i+R Wohnbau. „Darin zeigt sich auch der langsame Prozess der Urbanisierung. Wir bieten die Konzepte jedenfalls an.“ Auch Gedanken zu Verkehr und Mobilität und Stellplätzen waren maßgeblich. „Wir bieten natürlich Stellplätze an, wissen aber um unsere Verantwortung, Alternativen aufzuzeigen. So gibt es überirdisch sehr wenige Parkplätze und es ist viel Arbeit in die Einbeziehung des öffentlichen Verkehrs geflossen.“ Die Durchlässigkeit des Areals und seine Integration in ein wachsendes Dorf sind tatsächlich sehr bemerkenswert und zeigen sich vor allem in der Gestaltung der Außenräume, die mit dem Münchner Landschaftsarchitekturbüro „lohrer.hochrein“ entwickelt wurde. „Außen haben wir freie Wiesen ermöglicht und nach innen hin eine immer dichter werdende Struktur aus halböffentlichen Plätzen, Spielflächen, Gemeinschaftsgrün und privaten Gärten. Dazwischen sind Hecken und Sträucher und niedrige Obstbäume, die wiederum eine landschaftliche Verbindung zum Dorf herstellen“, fasst Andreas Deuring zusammen. Dieser Ansatz ist ein Meilenstein und findet hoffentlich viel Nachahmung. Direkt am Areal ist derzeit schon das nächste außergewöhnliche Bauwerk kurz vor Fertigstellung – eine Kapelle, die vom Bauherren der Pfarre Lochau gestiftet wurde. Doch das ist eine andere Geschichte.
Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at
Daten & Fakten
Objekt Seedomizil, Lindauer Straße 16-22, Lochau
Bauherr i+R Wohnbau, Lauterach
Architektur Arbeitsgemeinschaft Gohm Hiessberger Architekten ZT, Feldkirch und Innauer-Matt Architekten ZT, Bezau
Tragwerksplanung Mader+Flatz Baustatik ZT, Götzis
Fachplanung Geotechnik: 3P Geotechnik ZT, Bregenz; Heizung Lüftung Sanitär: Marte Diem, Bregenz; Elektro: Brugger, Thüringen; Bauphysik: WSS, Frastanz; Vermessung: AVD ZT, Dornbirn; Brandschutz: K&M, Lochau; Landschaft: lohrer.hochrein, München
Planung 09 / 2013 – 09/2015 (inkl. Wettbewerb)
Ausführung 05 / 2016 – 12/2019
Grundstück 28.290 m²
Nutzfläche 18.990 m²
Ausführung Baumeister: i+R Bau, Lauterach; Fassade Holz: i+R, Lauterach und Klinker: Rzi, Oberkochen (D); Heizung, Sanitär, Lüftung: Intemann, Lauterach; Elektro: i-TEC, Lauterach; Aufzüge: Schindler, Dornbirn; Fenster und Portale: i+R Fensterbau, Lauterach; Spengler: Peter, Götzis und Carl Günther, Röthis; Trockenbau: Kobold, Frastanz und Scheffknecht, Lustenau
Energiekennwert 25 kWh/m² im Jahr (HWB)