Ob über dem Justizpalast weißer Rauch aufgestiegen ist, ist nicht bekannt. Fakt ist jedoch: Die Höchstrichter haben eine Lösung in einem seit Jahren schwelenden Streit gefunden – in einem Streit zwischen einem Zigarrenpaffer und dem über ihm wohnenden Nachbarn, dem der Qualm in die Nase stieg. Dem Raucher, der mit Vorliebe auf seinem Balkon eine Zigarre genießt, wurde zunächst eine Abstinenz für die Nachtstunden zwischen 22 und 6 Uhr früh auferlegt. Der Oberste Gerichtshof jedoch tüftelte weitere Einschränkungen aus. Nun verfügten die Höchstrichter eine sogenannte „Zeitabschnittsregelung“, die zwischen der wärmeren und kälteren Jahreszeit unterscheidet. Im Sommer darf der Raucher auf seinem Balkon zu den üblichen Essens- und Ruhezeiten tagsüber nicht qualmen. Das Verbot gilt zwischen 8 und 10, 12 und 15 sowie 18 und 20 Uhr. Demnach können Zigarrenraucher jetzt gezwungen werden, nicht in den eigenen vier Wänden oder auf dem Balkon zu rauchen, wenn der Rauch störend in den Wohnbereich eines Nachbarn dringt. Das geht aus der jüngst veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) hervor.

Streit um den Qualm

Streitigkeiten. Der erste Weg ist ein persönliches Gespräch. In der beschriebenen Causa half dies nicht – über einen Umweg kam der Fall zum Bezirksgericht. Der Nachbar ließ sich den Anspruch des Vermieters gegen den Raucher abtreten, keinen nachteiligen Gebrauch von der Wohnung zu machen.Ein Berufungsgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt, nämlich für die Nachtstunden (22 bis 6 Uhr). Der Oberste Gerichtshof änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass für die wärmere und die kältere Jahreszeit unterschiedliche Regelungen getroffen wurden. Für die „Sommermonate“ wurde zudem zwischen Nacht- und Tageszeit, wobei für letztere eine Zeitabschnittsregelung getroffen wurde (für die Nachtzeit blieb es bei der Lösung des Berufungsgerichts). Dazu hielten die Höchstrichter fest, dass zwar die Erwirkung eines zeitlich unbeschränkten „Rauchverbots“ wegen des auch vom Kläger zu beachtenden nachbarrechtlichen Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme nicht in Betracht kommt. Dem Kläger müsse es aber auch tagsüber möglich sein, seine Terrasse zu nutzen, zu lüften oder Frischluft zuzuführen, ohne sich dem nicht berechenbaren Rauchverhalten des Beklagten anpassen zu müssen. Durch Rücksicht auf die – nach dem im gegenständlichen Fall allein maßgeblichen Maßstab des „Durchschnittsmenschen“ – üblichen Essens- und Ruhezeiten (8–10, 12–15 und 18–20 Uhr) könne ein ausgewogener Interessenausgleich erzielt werden.

Der Fall

Der Zigarrenraucher wohnt im 6. Stock eines Hauses, der Nichtraucher schräg über ihm. Beide Wohnungen sind hof- oder gartenseitig ausgerichtet und jeweils mit einer Terrasse (Balkon, Loggia) ausgestattet. Der Beklagte ist Autor und arbeitet in seiner Wohnung. Er raucht täglich ein bis zwei Zigarren, eine davon in der Regel zwischen Mitternacht und zwei Uhr früh. Der Beklagte raucht im Winter und bei Schlechtwetter bei geschlossenem Fenster und lüftet danach, im Sommer raucht er bei geöffnetem Fenster oder auf der Terrasse. Der Kläger fühlt sich als Nichtraucher durch den aufsteigenden Zigarrenrauch massiv beeinträchtigt. Er erwacht, wenn der deutlich wahrnehmbare Zigarrenrauch in der Nacht bei geöffnetem Fenster oder geöffneter Balkontür in seine Wohnung eindringt. Jedoch, so die richterliche Auffassung, es genüge schon der starke Geruch. Der OGH vergleicht den Fall mit – ebenfalls nicht gesundheitsschädlichen – akustischen Einwirkungen musizierender Nachbarn. Im Ergebnis mache es keinen Unterschied, ob die Störung der Nachtruhe durch Lärm oder – wie in besagtem Fall – durch eine intensive Geruchsbelästigung hervorgerufen werde. Zwar könne dem rauchenden Nachbarn angesichts des beiderseits wirkenden Gebots der Rücksichtnahme nicht zugemutet werden, ganz auf seinen Genuss zu verzichten; umgekehrt müsse der Nichtraucher aber auch tagsüber seine Terrasse nutzen oder lüften können, ohne sich einem nicht berechenbaren Rauchverhalten anpassen zu müssen.

Eine Anwältin zweifelte daran, dass Zigarettenrauch im gleichen Fall so rigide behandelt worden wäre. Das Urteil sei sicher richtungsweisend, jedoch sei im Einzelfall immer zu prüfen, ob es anwendbar sei. Die 37 Seiten umfassende Entscheidung, die der Senat in mehreren Sitzungen akribisch ausgearbeitet habe, sei eine Interessenabwägung „nach dem Maßstab des verständigen Durchschnittsmenschen“, betonte Senatspräsident Karl-Heinz Danzl im Gespräch mit der APA. Wiewohl von jedem OGH-Spruch eine gewisse generalisierende Wirkung ausgehe, handle es sich um eine Einzelfallentscheidung. Entsprechende Regelungen könnten andernorts auch ganz anders ausfallen, weil die Höchstrichter auf die konkrete Wohnsituation eingegangen seien.

Jede nachbarschaftsrechtliche Entscheidung habe ganz individuelle Parameter. Generell sei es „eine Premierenentscheidung“ gewesen: „Erstmalig ist beim OGH ein Raucherfall gehört worden“, bestätigte Danzl. Um als störend empfundene „Emissionen“ aus Nachbarwohnungen habe sich das Höchstgericht in der Vergangenheit aber schon öfter gekümmert, da ging es beispielsweise ums Klavierspielen.