Das alte Bauernhaus steht in einer Senke am Waldrand. Die Sommer
seiner Kindheit hatte der Bauherr hier verbracht, nun setzte Baumeister
Tobias Reichart ihm und seiner Frau eine Art Loft zwischen die Dachkonstruktion des Stadels. Dieser war in den 1970er-Jahren neu wieder aufgebaut worden. Ein Ofen aus Schwarzstahl, horizontale Fensterbänder mit Dreifachisolierglas, eine Schlafnische unterm Giebel und viel Dämmung ermöglichen es, hier in wohliger Wärme mit weiter Aussicht ganzjährig zu wohnen.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer

An einer schmalen Straße steht das Bauernhaus mit dem flachen Satteldach in einer Senke neben dem Moorhaus außerhalb von Krumbach. Rundherum Weiden, Obstbäume, Wälder und einige verstreute Gehöfte. Genau diese weltentrückte Ländlichkeit schätzten die Eltern des Bauherren. 1970 kauften sie das Haus. Sein Zustand war ruinös, durch das Dach regnete es bis auf die Fundamente, einiges war noch original erhalten: Der 300 Jahre alte Lehmkeller, die gute Stube, die Küche, zwei Schlafkammern. Nach und nach richteten sie es her. Das Plumpsklo wich einer Sanitäranlage, der Dachstuhl wurde erneuert und im Nordwesten der Stadel wieder aufgebaut.

Die niedrigen, finsteren Wohnräume im ersten Stock mit Holzdecken, -vertäfelungen, kleinen Fenstern, Herrgottswinkel und Eckbank wirken wie aus dem Heimatmuseum. Hier verbrachte der Bauherr die Sommer seiner Kindheit, heute noch wohnt seine Mutter von April bis Oktober im Haus. Der Stadel diente als Lager und Werkstatt, das offene Volumen darüber aber lag bis zum First hinauf ungenutzt und zugig brach. „Da kam meiner Frau Katrin und mir die Idee, diesen Raum zu nutzen“, so der Bauherr. Dort leben sie nun luftig und modern, die Mama in den bäuerlichen Stuben. Der Stadel war mit seiner von Wind und Wetter gegerbten Fassade und dem großen Schiebetor längst mit dem alten Haus zu einer Einheit verwachsen. „Unser Grundgedanke war, alles möglichst unprätentiös zu machen.“ Der Bauherr bat zwei Architekten und Baumeister Tobias Reichart um einen Entwurf. „Der Dachstuhl war statisch überdimensioniert, da musste man nicht viel tun“, meint Reichart. „Die größte Herausforderung waren die Kosten.“ Mit lapidarer Selbstverständlichkeit stellte er eine Holzbox mit Stiege in den Stadel und zog darauf eine Wohnebene mit Panoramafensterband und Schlafpodest unter dem Dachstuhl ein.

„Unser Grundgedanke war, alles möglichst unprätentiös zu
machen. Wir verbrachten den ganzen Lockdown hier. Uns war selbst nicht klar,
dass es uns so gut gefallen wird. “

Andreas und Katrin Kispert
Bauherr/Bauherrin

Die Eingangslösung ist berückend einfach: „Wir gehen einfach durch den Stadel in unsere Wohnung.“ Der Bauherr schiebt das Scheunentor auf und schreitet auf die Holzbox im Stadel zu. Sie dient als Garderobe, informeller Musikproberaum und Stiegenhaus. Ebenso kühn wie elegant ragen die einzelnen Trittstufen aus Esche aus der rückwärtigen Holzwand: Weißtanne, sägerau, wie alle anderen Wand-, Boden- und Regalflächen des Einbaus. Dämmung unter der Holzverschalung der Decken, Dreifachisolierglasscheiben und eine Fußbodenheizung im Garderoben- und Sanitärbereich machen den Dachraum das ganze Jahr über bewohnbar. Ein Handlauf aus Schwarzstahl begleitet den Aufstieg in einen großzügigen Einraum unter der Dachkonstruktion. Dort wird man gleichermaßen vom Panorama umarmt: ein horizontales Fensterband mit sehr niederer Brüstung zieht sich sieben Meter die südwestliche Stadelwand und weiter übers Eck die Giebelseite im Nordwesten entlang. Man fühlt sich wie in einem Cockpit – ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren. Die Holzstützen, die den Einschnitt ermöglichen, die schrägen Dachsparren und die breite Fensterbank vermitteln Geborgenheit. Letztere eignet sich wunderbar als Regal, Ablage und Sitzgelegenheit, auch auf der Dachkonstruktion findet einiges Platz. Es braucht kaum noch Möbel. „Uns war selbst nicht klar, dass es uns so gut gefällt.“ Alle Lockdowns verlebten die Bauherren hier. In der Mitte steht in zeitgenössischer Nachfolge des Herdfeuers der Holzspeicherofen. Ein Quader aus Schwarzstahl, geradlinig führt das schwarze Ofenrohr durchs Dach. Geheizt wird mit Holz aus dem Wald. Beim Ofen steht ein runder Tisch, die nordöstliche Seite ist der Küchenzeile vorbehalten. Auch ihre Arbeitsfläche ist aus Schwarzstahl.

Das Rückgrat des Lofts unterm Dach bildet die nordwestliche Außenwand des Bestands. Hier schmiegen sich WC und Dusche an, hier führt eine steile Klapptreppe aus Schwarzstahl und Esche auf die erhöhte Plattform zum Schlafen: Diese Nische unterm Dachfirst hat keine Brüstung. Beim Einstieg ist der der Raum mit 2,1 Meter am höchsten, bis zum Kopfende der Betten neigt er sich auf 1,15 Meter. So viel Raumökonomie funktioniert nur mit bewusster Achtsamkeit. Von den Bewohner(inne)n und von der Konstruktion, die hier unterfangen wurde. Genau das aber ist die Voraussetzung für einen klaren Blick und jenen Hauch von Abenteuer, der schon die Ferien der Kindheit durchwehte. „In diesem Bett fühlt man sich wie im Raumschiff. Man sieht hier auf die Sterne und schläft ganz wunderbar.“

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen (jetzt wieder geöffnet) und Veranstaltungen bietet das vai monatlich Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Stadelausbau Bauernhaus, Krumbach
Bauherr Andreas Kispert
Architektur Baumeister Tobias Reichart, Lochau, www.reichart-architektur.com
Statik Blank Holzbau, Sulzberg, www.blank-holzbau.at
Fachplanung Sanitär: Stolz, Bregenz; Elektro: Ludwig Nussbaumer, Langenegg; Licht, Brandschutz, Energiekonzept, Bauphysik: Tobias Reichart, Reichart BauplanungsGmbH, Lochau
Planung 2017–2019
Ausführung 03/2019–12/2019
Grundstücksgröße 1500 m²
Nutzfläche 80 m² (Ausbau)
Konstruktion: Außenwand und Dach gedämmt: U-Wert 0,16-0,17 W/m2K
Ausführung Holzbau: Blank, Sulzberg; Dachabdichtung: Wild; Hittisau; Heizung: FliesenPool, Nenzing; Sanitär: Stolz, Bregenz; Elektro: Ludwig Nußbaumer, Langenegg; Fix-Verglasungen: Müller, Frastanz; Fenster: Formart, Lauterach
Energiekennwert 70 kWh/m² im Jahr
Baukosten 200.000 Euro