Im grenznahen Nendeln in Liechtenstein ist nach einer Revitalisierung mehrerer Bestandsgebäude durch Cukrowicz Nachbaur Architekten die Musikakademie Liechtenstein ins historische „Hagen Haus“ eingezogen. Exzellente Architektur trifft hier auf junge Ausnahmetalente der Musik und Liechtenstein bekommt einen neuen, herausragenden Kulturort.

Text: Verena Konrad | Fotos: Dominic Kummer

Junge, begabte Musi-ker(innen), hervorragende Dozent(inn)en und eine ganzheitliche Ausbildung: die Musikakademie in Liechtenstein ist ohne Frage ein Ort der Exzellenz. Neuerdings spielt sie im Ensemble mit einer der angewandten Künste: der Architektur. Das vielfältige Angebot der Musikakademie umfasst die Instrumente Klavier, Violine und Violoncello. Im Zuge von Weiterbildungsprogrammen werden auch Querflöte, Viola, Horn, Kontrabass, Klarinette, Gesang, Fagott und Gitarre angeboten. Unterrichtet wird in den Ausbildungsmodulen Einzelunterricht, Kammermusik, Musik & Performance und Symposium. Mit dem Umzug ins Ensemble des Hagen-Hauses in Nendeln hat die Akademie nicht nur einen würdigen neuen Ort bekommen, auch das Bau-Ensemble selbst ist alle Aufmerksamkeit wert. Errichtet von Baumeister Joseph Anton Seger aus Vaduz im Jahr 1837 gehört das Haus an der Feldkircher Straße in Nendeln zu den bekanntesten Gebäuden des Landes. Hier war bis 1912 die K&K-Postexpeditionsstelle zur Postablage für das ganze Liechtensteiner Unterland untergebracht, später waren hier ein Schuster und ein Schneider am Werk. 1988 wurde das Ensemble mit klassizistisch gestaltetem Doppelwohnhaus, Stallscheune und einem Waschhaus, auch ein Schützenhäuschen gehörte noch dazu, unter Denkmalschutz gestellt.

Die Bauweise des Doppelwohnhauses war damals ein Novum und sollte sich in mehreren weiteren Bauten verbreiten. Der Innenraum wurde im 20. Jahrhundert durch Wandverkleidungen nach damaligem Empfinden modernisiert, doch die Grundsubstanz des Hauses und zahlreiche Einbauten und Möblierungen blieben über die Jahrzehnte gut erhalten. Aus heutiger Sicht ist das historische Hagen-Haus die am besten erhaltene Hofanlage aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Liechtenstein. Grund genug, sich um den Erhalt und eine neue Nutzung zu sorgen, so geschehen zunächst durch einen Freundeskreis, der schließlich in den gemeinnützigen Verein „Pro s’Hagen-Huus z’Nendla“ überging und Grundlage war für die Gründung einer gemeinnützigen Stiftung, die sich als Bauherrin und nunmehr Vermieterin der Hofstätte betätigt.

„Außerordentliche Projekte entstehen nur mit außerordentlichen Bauherren, die vertrauensvolle Zusammenarbeit war der Schlüssel zum Erfolg.“

Gregor Benz
Cukrowicz Nachbaur Architekten

Mit dem Auftrag an Cukrowicz Nachbaur Architekten hat sich eines der bekanntesten Vorarlberger Architekturbüros dieses Bestands angenommen. Entstanden ist eine denkmalpflegerisch versierte und an Details orientierte Revitalisierung. Im Doppelwohnhaus wurden Zimmer für die jungen Musiker(innen) und, möglich durch die Größe der Zimmer, wenn erforderlich elterliche Begleitung, eine Professor(innen)-wohnung und die Direktion und Verwaltung der Akademie untergebracht. Ein neu geschaffener unterirdischer Gang verbindet das Haupthaus entlang der Straße mit einem Erschließungsteil, der – vorbei an einem modernen Tonstudio – in den Konzertsaal in der ehemalischen Scheune und einen zurückhaltenden Neubau, eine Art Aula, Empfang und Wohnzimmer mit Küche, führt.

Im ehemaligen Waschhaus ist eine weitere kleine Wohneinheit neu geschaffen worden. Das ehemalige Schützenhäuschen blieb ebenso erhalten. Es wurde transloziert und dient heute unweit des Ensembles als Pavillon. Der Konzertsaal verdient besondere Beachtung, ist er doch eine ungewöhnliche Setzung in einem ehemaligen landwirtschaftlichen Nutzgebäude. Zwei exzellente Flügel bestimmen den Raum, der für gut hundert Zuhörer(innen) ausgelegt ist und beste akustische Bedingungen aufweist. Um diese zu schaffen, war besonderes Fingerspitzengefühl notwendig und eine hervorragende Akustikplanung. Interdisziplinarität war auch für die Statik des Raumes notwendig, die das bekannte Schweizer Bauingenieurbüro Conzett Bronzini Partner bearbeitete. Der Freiraum wurde von Vogt Landschaftsarchitekten in Form unterschiedlicher Gärten angelegt.

Was passiert in Sternstunden? In ihnen wird eine Idee geboren, eine Entwicklung nimmt ihren Anfang. Die Sternstunde in Nendeln liegt in ihrem kulturellen Engagement und ihrem künstlerischen Potenzial. Wer die Qualität dieses Ortes gespürt hat, wird verändert aus dieser Begegnung hervorgehen – mit Musik in den Ohren und im Herzen und einer Idee, wie unsere Orte und vor allem unser Bestand in Zukunft aussehen könnten. Dafür gebührt allen Beteiligten großer Respekt.

Objekt: Revitalisierung Hagen-Haus, Nendeln
Bauherr: Stiftung Hagen-Haus, Nendeln
Architektur: Cukrowicz Nachbaur Architekten zt gmbh, Bregenz, www.cn-architekten.at
Fachplanung: Baumanagement: Bau-Data AG, Vaduz; Bauleitung: Wohlwend Architekturbüro AG, Vaduz; Landschaftsplanung: Vogt Landschaftsarchitekten AG, Zürich; Statik (Saal, Foyer): Conzett Bronzini Partner AG, Chur; Statik (Wohnhaus): Frommelt Zimmerei & Ing. Holzbau AG, Schaan; HKLS-Planung: Ringtec Establishment, Eschen; Elektroplanung: MeGa Solutions Anstalt, Vaduz; Bauphysik: hafner weithas bauphysik GmbH, Lauterach; Raum- und Bauakustik: Müller-BBM GmbH, München; Signaletik: Aag Atelier Andrea Gassner, Feldkirch; Farbdesign: Monika Heiss Farbe & Design, Dornbirn
Planung: Oktober 2019–März 2024
Ausführung: August 2022–August 2024
Grundstück: 4256 m²
Nutzfläche: 1122 m² (inkl. Keller)