Im Bezauer „Haus mitanand“ kommen Jung und Alt gut miteinander aus. Während die einen in dem vom Büro Hermann Kaufmann sorgsam restaurierten Vorderhaus spielen, leben die anderen im komplett neu gebauten Hinterhaus.

Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Stefan Hauer

Das „Haus mitanand“ erweist sich als geglückte Symbiose aus Alt und Neu, in dem ältere und ganz junge Menschen gut miteinander auskommen.

Das Haus Ellenbogen 183 ist ein markantes, seit langem das Ortsbild von Bezau prägendes Gebäude. Das für die ehemalige Landwirtschaft genutzte Hinterhaus wurde schon seit vielen Jahren nicht mehr genutzt, war baulich genauso heruntergekommen wie das bis zuletzt bewohnte Vorderhaus. Ein Überleben des Objekts ermöglichte seine Weiternutzung für Wohnzwecke.
Der Plan, das Haus Ellenbogen 183 in ein „Haus mitanand“ von Jung und Alt zu verwandeln, mündete in einem geladenen Architekturwettbewerb, den das Büro Hermann Kaufmann für sich entscheiden konnte. Die Vorgaben für das in einer Errichtergemeinschaft des Gemeindeverbands Sozialzentrum Bezau-Mellau-Reuthe mit der VOGEWOSI realisierten Baus war das Schaffen von neun barrierefreien und bei Bedarf „betreuten“ Zwei- und Dreizimmerwohnungen neben Räumen für den örtlichen Krankenpflegeverein, den mobilen Hilfsdienst MOHI, das „Case & Care“-Management sowie solchen für die Betreuung von bis zu 60 Kleinkindern.

Der ehemalige Wirtschaftstrakt wurde zum Haus für „betreutes Wohnen“. Die hölzernen Fassaden bestehen aus vertikal in Wechselfalzschalung verlegten, unterschiedlich breiten latten aus Weißtanne.

Willkommen in der gemütlichen Stube: Hier treffen sich die Bewohnerinnen und Bewohner der neun Wohnungen und hier bekommen auch die Kinder ihr Mittagessen.

JEDE der neun Wohnungen hat einen Balkon Richtung Süden, der als Sicht- bzw. Sonnenschutz komplett durch hölzerne Schiebeelemente schließbar ist. Die Staketengeländer sind aus grauem Flachstahl.

Den Architekten war es wichtig, den Charakter des stattlichen Gebäudes inklusive seiner Proportionen zu erhalten. Dies trotz des Abbruchs und der des Raumprogramms wegen notwendigen leichten Verlängerung des zum Vorderhaus quer gestellten, mit diesem durch einen Kreuzgiebel verbundenen Hinterhauses. Dies gelingt, indem die Typologie des geschindelten ehemaligen Wohnhauses unangetastet bleibt, während der neu gebaute, in seinem hinteren Teil von einer Tiefgarage unterkellerte ehemalige Wirtschaftstrakt die Typologie des alten Hauses als heutige Neuinterpretation klug weiterdenkt.

Josefine und ihre Zwillingsschwester finden es fast schade, nicht mehr klein genug zu sein, um in diesen schönen alten Räumen ihre Tage verbringen zu dürfen.

Die Fassaden des aus Kostengründen in seinem Kern aus Stahlbeton errichteten Baus bestehen aus senkrecht gestellten und unterschiedlich breiten, in Wechselfalzschalung verlegten Latten aus Weißtanne. Die Fenster Richtung Norden sind klein, bis auf zwei riesige raumhohe Öffnungen, die allerdings durch einen lichten Lattenvorhang marginalisiert werden. Ähnlich wie die den Wohnungen vorgesetzten, mit Staketengeländern aus grauem Flachstahl gesicherten Balkone Richtung Süden, die durch hölzerne Schiebeelemente praktisch komplett geschlossen werden können. Die Wände zu den 50 bis 75 Quadratmeter großen Wohnungen sind in diesem Bereich großzügig raumhoch verglast. Die Grundrisse sind offen und funktionell, die Böden und Türen sind aus Holz, die Wände weiß.

„Es war uns sehr wichtig, dass das historische Gebäude nicht zerstört wird, auch in seinen Proportionen.“

Stefan Hiebeler
Architekt

Von einem mittig gelegenen Flur werden die Räume des Vorderhauses erschlossen. Die Holztüren sind genauso wie Teile der Holztäfelung und Böden alt, die Einbauten neu.

Frau Greber ließ uns einen Blick in ihre Dreizimmerwohnung werfen. Der Grundriss ist offen, die Böden und Türen sind aus Holz, die Wände weiß.

Im Erdgeschoß des neuen Hinterhauses gibt es einen großen Gemeinschaftsraum für die Bewohnerinnen und Bewohner und hier essen auch die Kinder, die im Vorderhaus ihre Orte zum Spielen haben. Als Puffer zwischen dem alten und dem neuen Teil des „Hauses mitanand“ fungiert das im Neubau untergebrachte gemeinsame Stiegenhaus samt Lift, erschlossen über einen in das Volumen hineingezogenen, geschützten Eingang. Eine kleine Herausforderung für die Planenden war es, die Niveauunterschiede der nur knapp zwei Meter hohen alten Räume und der fast einen halben Meter höheren neuen durch Rampen bzw. Stufen auszugleichen. Das auf einem gemauerten Sockel stehende Vorderhaus wurde nach den Vorgaben des Denkmalamts liebevoll saniert bzw. restauriert. Die alten Decken wurden verstärkt, die Fenster wie gehabt neu gemacht und dreifachverglast, die Fassade gedämmt und mit Weißtanne geschindelt. Als Reverenz an das Original wurden die ehemalige, über zwei Stiegen von links und rechts erreichbare Eingangstüre in der straßenseitigen Fassade sowie der darüberliegende kleine hölzerne Erker original belassen.

In dem bis unter das Satteldach offenen, durch große Dachfenster belichteten Bewegungsraum lässt es sich zunderbar tollen.

Dass die mittig durch einen Gang erschlossenen Räume des Vorderhauses nur knapp zwei Meter hoch sind, stört die kleinen Kinder, die hier untertags in vier Gruppen betreut werden, wohl weniger als ihre „Tanten“. Sie dürfen sich dagegen über wunderschöne alte Holzböden, Wandtäfelungen und Türen freuen. Im hohen, unter dem mit Fenstern geöffneten, mit schwarzen Flachziegeln gedeckten Satteldach gibt es einen bis unter dieses offenen Raum zum Herumtollen. Richtung Süden ist beim „Haus mitanand“ ein kleiner Kräutergarten angelegt, rückseitig orientiert zum Bezauer Pflegeheim hin, gibt es einen großzügig dimensionierten Spielbereich für die Kleinen.

Die hölzerne Täfelung ist im zweiten Obergeschoß weiß gestrichen. Die geringe Raumhöhe von knapp zwei metern stört die Kinder weniger als vielleicht die Erwachsenen.

Daten & Fakten

Objekt Ellenbogen „Haus mitanand“, Bezau

Bauherr VOGEWOSI und Gemeindeverband Bezau-Mellau-Reuthe

Architektur Hermann Kaufmann und Partner ZT, Schwarzach, www.hkarchitekten.at

Statik Mader & Flatz ZT, Bregenz und merz kley partner ZT, Dornbirn (Holzbau)

Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanitär: Herbert Roth, Lauterach; Elektro: elplan, Schoppernau; Bauphysik: WSS, Frastanz; Landschaft: LandRise, Egg; Brandschutz: K&M, Lochau

Planungsbeginn 11/2013

Ausführung 04/2016 – 2017

Wohnnutzfläche 1690 m²

Bauweise Mischbauweise: im Altbau wurden Böden, Türen, Wand- und Deckenkassetten in Absprache mit dem Denkmalamt saniert. Im Neubau sind Wände und Decken gespachtelt, die Böden aus Eichenparkett; die Dassen sind Holzschindeln am Altbau und sägerauer Wechselfalz am Neubau; Heizung über Fernwärme (unterstützt durch Wär-merückgewinnung und Solaranlage).

Besonderheiten Alle Wohnungen sind barrierfrei, davon neun im Betreuten Wohnen; Räume für Krankenpflegeverein, Mobiler Hilfsdienst, Case & Care und Kinderbetreuung.

Ausführung Holzbau: Fetz, Egg; Baumeister: Wälderbau, Schwarzenberg; Fenster: Tiefenthaler, Ludesch

Energiekennwert 17 kWh/m² im Jahr

Baukosten 1,97 Mill. Euro (VOGEWOSI inkl. Grund)