Martin Mackowitz und Wolfgang Schwarzmann an der
Universität Liechtenstein ein kleines, temporäres, rotes Teehaus mit
pagodenartigem Bitumendach auf den Raiffeisenplatz in Feldkirch.
Öffnet man seine Läden aus transluzenten Stegplatten, wird es zum Kiosk und
überrascht mit einem komplementärfarbig kobaltblauen Innenleben.
Eine einzigartige Anlaufstelle für Tee, Gespräche und Interaktion.
Besonders während der Architekturtage am 24. und 25. Mai.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel, Patricia Keckeis

Einen Steinwurf vom Katzenturm liegt der Raiffeisenplatz höchst prominent, aber auch sehr versteckt in zweiter Reihe im Zentrum von Feldkirch. Hat man den lauschigen Innenhof auf der Rückseite des Palais Liechtenstein erst entdeckt, fühlt man sich, als wäre die Zeit stehengeblieben. Umgeben von Häusern, tut sich hier eine versteckte Oase auf: Vögel zwitschern, sitzbankhohe Mauern rahmen erhöhte Rasenflächen, an deren Rändern gestutzte Hecken und schöne, alte Bäume stehen. Der Brunnen am Platz ist längst versiegt, in seiner Mitte steht ein Geviert von Bänken, alle Wege sind mit altem Kopfsteinpflaster in anmutigen Kreisbögen befestigt. Das passt gut zum mittelalterlichen Fachwerkhaus, dem abgeblätterten Putz seiner Nachbarn und der zurückhaltenden Eleganz des Palais Liechtenstein, verträgt sich aber auch mit der schlichten, modernen Rückseite der namensgebenden Bank.

Verwandlungskünstler auf rotem Teppich: In geschlossenem Zustand sieht das Teehaus aus wie eine kleine Pagode.
Nach drei Seiten aber lassen sich seine „Fenster“ aus transluzenten Stegplatten auch hochklappen. Hier Ingo Türtscher von der POTENTIALe Feldkirch.
Innen zeigt es sich kobaltblau und äußerst praktisch eingerichtet. So fungiert seine fixe, nicht hochklappbare Rückwand als Regal.

„Der Raiffeisenplatz hat eine Hinterhofcharakteristik. Er war ein Umschlagplatz für Drogen und bot auch einer gewissen Klientel Übernachtungsmöglichkeit“, erzählt Ingo Türtscher, Projektdirektor der POTENTIALe. Dieses Team für Stadtkultur und Kommunikation Feldkirch will die Entfaltungsmöglichkeiten brachliegender Orte aufspüren und durch Interventionen gleichsam wachküssen. Martin Mackowitz und Wolfgang Schwarzmann, die an der Universität Liechtenstein das „Stadt/Studio“ leiten, wurden eingeladen, sich mit dem Raiffeisenplatz zu befassen. „Sähe man nur ein Luftbild, würde man eine hohe Aufenthaltsqualität vermuten“, sagt Mackowitz. Der Platz ist schön proportioniert, ruhig und grün. „In Wirklichkeit aber gibt es Menschen, die hier nicht mehr gern durchgehen. Wir näherten uns also inhaltlich: Wir wollten ihnen gleichermaßen den roten Teppich ausrollen.“

Sommermärchen: Eine Woche brauchte es, um das Teehaus am Raiffeisenplatz zu errichten.

Fünfundzwanzig Studierende ließen den Raiffeisenplatz auf sich einwirken, machten Fotos und Skizzen und beschlossen dann, dort eine Teezeremonie für Anrainer und Passanten abzuhalten. „Dadurch, dass man Gäste hat, ist man viel sensibler in der Wahrnehmung“, so Mackowitz. Die Studierenden richteten den Platz gastlich her, breiteten Teppiche aus und dachten sich Szenerien zum Teegenuss auf Britisch oder Arabisch aus.Eine Gruppe forderte die Gäste auf, über Böcke zu springen, um sich ihren Tee zu „verdienen.“ Dann planten sie unterschiedliche Projekte, die von einer Jury beurteilt wurden.

„Wir wollten die Aufent­haltsqualität des Plat­zes steigern,
dabei aber keine Klientel ausschließen. Es ging um Koexistenz:
alle haben ein Recht auf diesen Platz.“

Martin Mackowitz
Hochschuldozent

eamarbeit: Fünfundzwanzig Studierende der Universität Liechtenstein arbeiteten mit viel Enthusiasmus an Entwurf, Ausführung und Umsetzung.
Signalrot: Rot ist eine starke Farbe. Hier rollt eine Studentin die Rampe mittels Farbe um wenig Geld effektvoll zum roten Teppich am Raiffeisenplatz aus.

Die Essenz der besten fünf Ideen führte zum Teehaus: Klein, skulptural, mit einem pagodenartigen Dach aus schwarzem Bitumen, strahlend feuerrot gestrichen, steht es nun auf unbestimmte Zeit am westlichen Eck auf einer Rasenplattform zwischen den Bäumen. Seine Lage ist strategisch: Nähert man sich dem Platz, sieht man den roten Rand des Teehauses leuchten, geht man weiter, kommen einem zwei flache, rote Rampen einladend entgegen, die keck am Rasen ausfransen. Sie nehmen einem die Scheu, die ummauerte Wiese zu betreten, umschmeicheln den Baum am Eck, bilden eine Art hölzernen Teppich für das Teehaus und machen es auch barrierefrei erreichbar. „Uns war wichtig, die Aufenthaltsqualität des Platzes zu steigern, dabei aber keine Klientel auszuschließen. Es ging um Koexistenz: alle haben ein Recht auf diesen Platz.“

Das temporäre, rote Teehaus in Aktion: Menschen lauschen einer öffentlichen Vorlesung am Raiffeisenplatz.

Das Teehaus ist ein kleines Wunderwerk. Schon während seiner Bauzeit im Sommer 2018 wirkte es als Katalysator für Kommunikation. „Die Herstellung mit den Studierenden ist extrem wichtig“, sagt Mackowitz. „Es geht stark ums Machen, wie man rasch mit wenig Aufwand in die Erfahrungsebene kommt.“ Mit minimalem Budget, gespendetem Kantholz aus Fichte, gespendeter Farbe, einem Flämmer, Akkubohrern, Schrauben, viel Experimentierfreude und Enthusiasmus bauten die Studierenden in einer Woche das Teehaus und sein Podest. Ihre tätige Präsenz vor Ort zog viel Neugier auf sich. So beobachtete ein Dachdecker einen Studenten. „Du flämmst viel zu laut“, merkte er an. Als dieser seinen Rat befolgte, freute er sich sehr. Der Student auch, denn das Flämmen funktionierte mit weniger Hitze wesentlich besser. Auch das Podest und die Rampen auf dem Rasen statisch hieb- und stichfest zu konstruieren, war nicht so leicht. Nun wirkt es, als wäre das Teehaus schon immer da gewesen.

Botschaften: Ebenso aber können Teehaus und Baumstämme zu Trägern von individuellen Botschaften im öffentlichen Raum werden.

Daten & Fakten

Objekt Teehaus Feldkirch

Bauherrschaft POTENTIALe Büro, Feldkirch, www.potentiale.at

Architektur Stadt/Studio der Uni Liechtenstein: Alexander Aigner; Antonia Bäcker; Edwin Juerg Baertschi; Patrick-James Bendol; Katharina Maria Bitschnau; Lisa Ellinger; Edwin Maximilian Frei; Lars Gassner; Natalie Lampert; Alexander Latzel; Nadine Lins; Martin Mackowitz (Dozent); Christian Meier; Maximilian Meier; Zoran Miletic; Sabrina Catharine Münzer; Sandra Oeler; Julia Maria Raggl; Carla Sauvant; Kim Lena Schaller; Pauline Schneider; Shefket Shala; Renero Patricio Sota; Wolfgang Schwarzmann (Dozent); Attila Truffer; Nick Conrad Ulrich; Soultana Zachariadou

Ausführung 2018

Bauweise Dreischichtplatte 42 mm Fichte; Unterkonstruktion Kanthölzer Fichte 8×8 cm

Besonderheit Ausführung in Eigenarbeit

Ausführung Studierende der Universität Liechtenstein unter Anleitung der Dozenten; Holz: Tschabrun Holz und Baustoffe, Rankweil; Farben: Morscher, Weiler