Beim Näherkommen zeigt sich das Projekt als Fremdkörper in seiner grünen
Umgebung. Die Seitenfassaden bestehen aus fein profilierten, anthrazitfarbenen
Verblechungen. An der Straße befindet sich eine Box, die schräg mit Edelstahlblechen überzogen ist,
vor ihren Fenstern ragen metallische Fensterläden in verschiedenen Winkeln hervor.
Das flache Dach wird von schwarzglänzenden, halbtransparenten Blechwänden bekrönt wie ein
Monarch aus der Ferne, der hier sein Ziel gefunden hat.

Autor: Robert Temel | Fotos: Frigesch Lampelmayer, Jessica Alice Hath

Hinter dem Bahnhof in Dornbirn, gleich beim Gewerbepark von Rhombergs Fabrik, liegt der Wohnbau Färberhof – ein ungewöhnliches Projekt für Vorarlberg. Die Vorarlberger Architektur ist weltbekannt für ihre Qualität. Ihre Rationalität und Materialität, ihre sorgfältige Ausführung, die meist höchst präzise städtebauliche Einfügung werden weithin als vorbildhaft angesehen. Vorarlberger Architekturbüros sind über die Landesgrenzen hinaus aktiv und erhalten regelmäßig Architekturpreise. Der Erfolg hat auch mit einem architektonischen Stil zu tun: Vorarlberger Architektur ist oft aus Quadern aufgebaut, in einfachen Formen, ruhig und zurückhaltend und häufig aus Holz konstruiert. Das bringt bisweilen einen gewissen Mangel an Vielfalt der Formen und Materialien mit sich, vor allem im Wohnbau. Gerade deshalb ist der Färberhof so interessant, er weicht von der Normalität des Vorarlberger Wohnbaus ab. Die schrägen und abgerundeten Formen, metallischen und gläsernen Oberflächen und die kühne Auskragung beim Entrée zum Grundstück sieht man hierzulande selten. Das tut der Vielfalt im Land gut, und vielleicht leistet es auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung.

Die insgesamt 29 Wohnungen des Färberhofs sind auf drei Baukörper aufgeteilt, die sich mit ihren runden Rücken dicht aneinander annähern, um sich nach Süden und Westen zu öffnen und auf abgestuften Terrassen großzügige Freiräume zu eröffnen. Für die Terrassierung der Baukörper gibt es ein lokales Vorbild, das Dornbirner Terrassenhaus in der Goethestraße. Trotz seiner unbestreitbaren Qualitäten ist dieses Projekt der 1970er Jahre bis heute ein Sonderfall im Vorarlberger Wohnbau geblieben. Die Entwickler(innen) des Färberhofs versuchen mit ihrem Projekt, daran anzuschließen. Auch hier bilden die Gebäude keine strengen, flachen Fassaden mit scharf eingeschnittenen Fenstern aus, sondern die Außenhaut des Gebäudes wird zur Landschaft, sie staffelt sich in den Raum hinein – deshalb kann auch hier, wie bei jedem Terrassenhaus, eine Fassadenzeichnung die räumliche Realität kaum wiedergeben. Das Team, das hinter dem Färberhof steht, setzte es sich zum Ziel, vom Durchschnitt wenig qualitätvoller Bauträger-Wohnbauten deutlich abzuweichen, und das ist der Eigentümerin Roswitha Hoffenscher-Rhomberg, dem Bauträger Gerhard Rümmele und dem Architekturbüro Hoffenscher jedenfalls gelungen.

„Uns wurde von anderen Bauträgern
gesagt, wir werden diese Wohnungen schwer verkaufen.
Aber manche Käufer(innen) verliebten sich in einen Grundriss und
wollten keine andere Wohnung mehr. Jeder wohnt schließlich anders!“

Marc Hoffenscher
Architekt

Es handelt sich hier nicht um einen Wohnbau für niedrige Einkommen, sondern um ein Wohnungseigentumsprojekt, in dem das Wohnen durchaus seinen Preis hat. Deshalb schien es dem Entwickler(innen)team auch sinnvoll, nicht Standardwohnungen anzubieten, sondern individuelle, außergewöhnliche Grundrisse. Das hat ohne Zweifel auch seine Nachteile. Einige Zimmer werden von Schrägen oder Rundungen begrenzt und sind somit nicht ganz einfach zu möblieren, und in manchen Wohnungen gibt es lange Gänge. Standardwohnungen könnte man nicht auf diese Weise planen. Aber hier geht es um individuelle Angebote für Menschen, die etwas Außergewöhnliches suchen – und wenn das Zimmer etwas größer ist, man etwas mehr Budget für die Einrichtung hat oder man schon immer auf die lange Wand fürs Bücherregal gewartet hat, dann sind diese Nachteile lässliche Details im Vergleich zu den Vorteilen. Alle Wohnungen sind nach Süden und Westen orientiert, alle Wohnungen besitzen großzügige Freiräume auf teils überdachten Terrassen, ausgestattet mit Trögen, die entsprechend einem gärtnerischen Konzept bepflanzt wurden, um ein einheitliches und üppig-grünes Bild nach außen zu schaffen.

Die Freiräume der Anlage wurden nicht in viele kleine private Mietergärten eingeteilt, die gibt es auch, aber der Großteil der Fläche ist ein schön ausgestatteter Gemeinschaftsgarten, ergänzt durch einen ebenerdigen Gemeinschaftsraum. Für diesen Raum und ein geteiltes Elektroauto wurde ein Bewohner(innen)verein zusätzlich zur Wohnungseigentümer(innen)gemeinschaft gegründet. Zugang und Zufahrt zum Grundstück liegen unter der Auskragung eines vierten Baukörpers, eines Bürohauses, in dem das Architekturbüro Hoffenscher untergekommen ist. Im Erdgeschoß befindet sich ein großer verglaster Showroom, der bisher wegen Corona selten genutzt wurde. Man darf gespannt sein, was dort geschehen wird.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Wohnanlage Färberhof, Dornbirn
Bauherr Hoffenscher-Rhomberg Immobilien
Architektur Hoffenscher ZT, Dornbirn, www.hoffenscher.com
Statik gbd ZT GmbH, Dornbirn, https://gbd.group
Fachplanung Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg; Elektro: Bösch, Schwarzach; Licht und Außenanlage: Hoffenscher ZT, Dornbirn; Außenanlage: Amann, Gartenbau, Koblach
Planung 2015–2016
Ausführung 2016–2018
Grundstücksfläche 2713 m²
Nutzfläche 1985 m²
Bauweise Bauweise Stahlbeton; Fassade mit hinterlüftetem Wärme-Dämmverbundsystem; Heizung mit Energiepfählen; Photovoltaik
Besonderheiten Gemeinschaftsraum mit Grillplatz, Wasserspiel, Elektroauto
Ausführung Baumeister: iR-Bau, Lauterach; Sanitär: Berchtold, Dornbirn; Elektro: Bösch, Schwarzach; Dach: Jäger, Lauterach;
Fassade: Rudigier, Bludenz; Photovoltaik: eq, Kennelbach; Fenster: Zech, Götzis; Böden: stipo, Bezau und Lerbscher, Fußach
Energiekennwert 28 – 33 kWh/m² im Jahr (HWB)